Hans-Heinrich Dieter

Neuer Wehrdienst?   (13.06.2024)

 

Die Allgemeine Wehrpflicht wurde nach 1955 eingeführt und sollte, in Zeiten des Kalten Krieges, sicherstellen, dass die Bundeswehr immer genügend Soldaten hat. Gemustert wurden alle jungen Männer ab 18 Jahren. Wer nicht als Soldat dienen wollte und den Wehrdienst verweigerte, musste einen Ersatzdienst leisten, zum Beispiel in Form des sogenannten Zivildienstes. Über die Jahrzehnte wurde der Wehrdienst von zwischenzeitlich eineinhalb Jahren auf zuletzt sechs Monate verkürzt. Der Personalbedarf der Bundeswehr sank, immer weniger junge Männer wurden überhaupt noch eingezogen. Wehrgerechtigkeit wurde in unserer Demokratie bis zur Aussetzung der Wehrpflicht vor 13 Jahren nie gewährleistet!

Nach der Wiedervereinigung und mit dem Ende des Kalten Krieges hielt man in Deutschland die glaubwürdige Abschreckung durch eine einsatzfähige Bundeswehr nicht mehr für erforderlich. Auch deswegen wurde die Wehrpflicht ausgesetzt und die Bundeswehr zum Sanierungsfall kaputtgespart. Deutschland entwickelte sich zu einem wenig glaubwürdigen sicherheitspolitischen Zwerg,  der über Jahre die NATO-Vereinbarungen für jährliche Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte nicht erfüllt hat. Heute ist die Bundeswehr gemäß Wehrbericht 2022 in einem bedauernswerten Zustand. Die Bundeswehr hat von allem zu wenig und auch viel zu wenig Personal. Nach Aussage des Bundeswehrverbandes ist der Personalbestand auf 181.500 Soldaten und Soldatinnen gesunken. Ende 2022 lag der Personalumfang noch bei 183.050.

Aufgrund des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine hat ein Umdenken stattgefunden. Im Zusammenhang mit der von Scholz deklarierten „Zeitenwende“ soll Deutschland bis 2031 wieder über Streitkräfte verfügen, die nach NATO-Kriterien für die Landes- und Bündnisverteidigung einsatzfähig sind. Dazu hat der Scholzomat „verkündet“, dass Deutschland ab sofort die 2 Prozent-BIP-NATO-Vereinbarung einhalten wird und darüber hinaus ein 100-Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr gesetzlich verankert. Bisher hat sich das nur unzureichend positiv auf die Entwicklung der Bundeswehr ausgewirkt und das liegt auch am Mangel geeigneten Personals.

Deswegen hat man schon viele Monate über einen „Wehrdienst der Zukunft“ nachgedacht und diskutiert. Die Zeit drängt, denn der Personalaufwuchs braucht seine Zeit, denn es geht immerhin darum, die Personallücke von derzeit rund 20.000 Soldaten zu schließen. Deswegen wollte Minister Pistorius seine Pläne eigentlich schon früher bekanntgeben und diskutieren, aber weil der „Zeitenwende-Kanzler“ sich aus wahltaktischen Gründen und auf Druck der Mützenichs, Stegners und anderer tiefroter Sozis zum „Friedenskanzler“ zurückverwandelt hat, wurde Pistorius mehrfach ausgebremst. So hat der uninformierte Wehrdienstverweigerer Scholz seinem Verteidigungsminister bescheinigt, mit den Überlegungen für den „Wehrdienst der Zukunft“ „eine überschaubare Aufgabe“ zu bearbeiten, an der Pistorius und General Breuer allerdings schon Monate arbeiten. Vor zwei Wochen hat Pistorius das SPD-Präsidium informiert. Danach wurde das Wort „Wehrpflicht“ nicht in den Mund genommen. Es war ausschließlich von Freiwilligkeit, von einem Werben für die Bundeswehr die Rede und von attraktiven Angeboten wie etwa einem kostenlosen Führerschein.

Und gestern hat Minister Pistorius seine Vorstellungen zunächst dem Verteidigungsausschuss des Bundestages präsentiert und dann die Öffentlichkeit informiert. Klar ist, dass ein Zurück zu dem Wehrdienst alter Form nicht kommt. Es sollen grundsätzlich nicht alle Bürger eingezogen werden, denn so groß ist der Personalbedarf der Bundeswehr nicht, und dafür hat sie auch gar keine Strukturen mehr: weder Kasernen noch Ausbilder oder Waffen. Gesucht wird eine Rekrutierungsform, mit der die deutschen Streitkräfte von jetzt rund 180.000 in den nächsten Jahren auf rund 200.000 Soldatinnen und Soldaten steigen können. Mittel- bis langfristig sollen mehr Reservisten zur Verfügung stehen und der Dienst in der Armee generell attraktiver werden.

Diskutiert wird nun ein System, bei dem 18-Jährige eine Art Musterungsfragebogen bekommen, der von Männern ausgefüllt werden muss, für Frauen bleibt das Ausfüllen freiwillig. Abgefragt werden könnte dann auch die grundsätzliche Bereitschaft zu einem Dienst an der Waffe. Auf der Grundlage der Auswertung der Fragebögen können die Bestgeeigneten gemustert und dann zu einem sechsmonatigen Grundwehrdienst herangezogen werden, der freiwillig verlängert werden kann. Ebenfalls erwogen wurde ein Modell, bei dem die Truppe selbst den Bedarf steuert, also jährlich die Größe von Kontingenten bestimmt. Und so zeichnet sich eine Wehrdienstlösung - angelehnt an ein Schweden-Modell - ab, die weitgehend auf Freiwilligkeit – vielleicht mit gewissen Pflichtanteilen - setzt. Fachleute bezweifeln aber, dass die Bundeswehr ihren Personalbedarf so decken kann. Es gibt nur vage Vorstellungen, es gibt keinen Plan und es gibt keine Realisierungsvorstellungen mit Erfolgsaussicht. Viel Ankündigung, viel Wirbel um ärgerlich Weniges!

Die Reaktion im Verteidigungsausschuss ist entsprechend vorwiegend negativ.

CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte erwartet allerdings, dass von dem Gerede über Wehrpflicht oder Wehrdienst nur die Pflicht zum Ausfüllen eines Fragebogens übrigbleibt. CDU-Fraktionsvize Johann Wadephul spricht von einer „verpassten Chance“, weil es für Pistorius' Pläne offensichtlich klare Stoppsignale in der Koalition und vor allem aus der eigenen, teilweise immer noch friedensillusorischen Partei gibt.

So hatten sich die SPD-Chefs Klingbeil und Esken gegen einen verpflichtenden Wehrdienst ausgesprochen und bei einer möglichen Rekrutierung weiterhin auf Freiwilligkeit gesetzt. Und für den designierten Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marcus Faber von den mitregierenden Liberalen ist es gut möglich, dass als einzige „Pflicht“ übrigbleibt, dass alle jungen Männer den Brief zum Wehrdienst beantworten müssen. Und auch die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Nanni, sprach sich gegen eine Wiedereinführung des Wehrdienstes in der alten Form aus. Stattdessen gelte es, den freiwilligen Wehrdienst attraktiver zu gestalten. Die Grünen-Politikerin erklärte zugleich, dass sie gewisse Pflichtanteile bei einem neuen Modell für zumutbar halte – etwa, dass alle 18-Jährige, also männlich und weiblich verpflichtet würden, auf ein Schreiben der Bundeswehr zu antworten. Sie forderte zudem, dass ein neuer Wehrdienst für alle Geschlechter gelten solle.

Es ist traurig und ärgerlich, dass Pistorius, hauptsächlich aus wahltaktischen Überlegungen, keinen „wirklichen“ und ernst zu nehmenden Plan und auch keine ernst zu nehmenden Realisierungsvorstellungen mit Erfolgsaussicht entwickeln durfte, um den dringenden Personalbedarf der Bundeswehr zeitgerecht decken zu können. Eine Entscheidung über eine „Dienstpflicht“ wird mit fadenscheinigen und unglaubwürdigen Begründungen bis nach der Bundestagswahl 2025 verschoben. So wird aus Pistorius` Forderungen nach „Kriegstüchtigkeit“ nichts und die bis 2031 geplante Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte nach NATO-Kriterien für die Landes- und Bündnisverteidigung wird auch nicht zeitgerecht zu realisieren sein. So wird Deutschland ein unzuverlässiger „Sicherheitspolitischer Zwerg“ bleiben. Das darf die parlamentarische Opposition nicht zulassen!

Und da die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht wohl keine sehr sinnvolle Maßnahme ist, weil Wehrpflicht nur dann nachhaltig erfolgreich sein wird, wenn es gelingt, Wehrgerechtigkeit zu gewährleisten – und das hat Deutschland bisher noch nie geschafft – und wenn die organisatorischen Rahmenbedingungen stimmen, muss die CDU/CSU weiter und engagiert für die einzig sinnvolle Problemlösung kämpfen: die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Frauen und Männer, die in der Bundeswehr oder in sozialen und gemeinschaftsdienlichen Einrichtungen geleistet werden muss!

Diese Dienstpflicht darf ein Jahr nicht unterschreiten, muss gerecht organisiert und von der Gesellschaft akzeptiert werden. Die jungen Staatsbürger/innen können sich für Dienst bei der Feuerwehr, beim THW, in der Pflege, in der Bundeswehr etc. entscheiden und so den allgemein herrschenden Personalmangel lindern. Die jungen Bürger bringen sich außerdem in die Unterstützung unseres Gemeinwesens ein und können dabei auch politisch weitergebildet werden.

Und Minister Pistorius sollte sich von Scholz und seinen tiefroten Parteigenossen nicht in die Rolle eines „erfolglosen Ankündigungsministers“ drängen lassen, der später einmal in die Liste der erfolglosen Verteidigungsminister einzuordnen wäre.

(13.06.2024)

 

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https://www.hansheinrichdieter.de/html/allgemeinedienstpflicht-3.html

https://www.hansheinrichdieter.de/html/erfolgloseverteidigungsministe.html

 

 

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