Hans-Heinrich Dieter

Allgemeine Dienstpflicht!   (09.01.2024)

 

Am 01.07.2011 wurde in Deutschland die Allgemeine Wehrpflicht nach 55 Jahren überhastet und planlos ausgesetzt. Damit wurde die Bundeswehr zu Freiwilligen-Streitkräften. Die Wehrpflicht wurde - wie so vieles in der damaligen Politik - überhastet ausgesetzt, ohne dass die Rahmenbedingungen für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr eindeutig geregelt waren. Über das Aussetzen der Wehrpflicht wurde unzureichend informiert und die Konditionen für den freiwilligen Dienst wurden mangelhaft kommuniziert, auch weil es noch kein stimmiges Konzept gab und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung noch nicht entschieden oder noch nicht wirksam waren. Das Aussetzen der Wehrpflicht wurde quasi im Schnelldurchgang mitten in die Planungen für die Neuausrichtung der Bundeswehr hinein realisiert und so zu einer zusätzlichen Belastung, anstatt eine Übergangszeit im Einklang mit der Einnahme einer neuen Struktur zu verfügen. Fehler über Fehler!

Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat auch im naiv-pazifistisch orientierten Deutschland zum Umdenken geführt. Deutschland soll in der NATO wieder kriegstüchtig werden. Dazu müssen die Streitkräfte endlich wieder nach NATO-Kriterien für die gemeinsame Landes- und Bündnisverteidigung einsatzfähig gemacht werden. Das erfordert die Beschaffung großer Mengen an Bewaffnung, Ausrüstung und Munition für die „kaputtgesparte Bundeswehr“ und darüber hinaus die Modernisierung der Ausrüstung und die Verbesserung der Digitalisierung der Führungsabläufe. Das Ziel soll bis 2031 erreicht werden. Diese enorme Kraftanstrengung wird nur erfolgreich sein, wenn über das 100 Milliarden Sondervermögen eine solide und verlässliche Finanzplanung auf der Grundlage des vereinbarten 2 Prozent- NATO-Zieles zugrunde liegt. Landes- und Bündnisverteidigung muss zukünftig der absolute Schwerpunkt der Bundeswehr sein!

Die heutige Bundeswehr ist aber nicht nur „kaputtgespart“, sondern leidet auch unter erheblichem Personalmangel. Denn Streitkräfte, die nicht wirklich einsatzfähig sind, denen es an Ausrüstung fehlt, die für Krisenreaktionsaufgaben Waffen und Gerät aus der ganzen Bundeswehr zusammenleihen müssen, sind für leistungsfähige, patriotisch eingestellte junge Staatsbürger nicht attraktiv.

Außerdem ist in unserer Gesellschaft das Interesse an der Bundeswehr sehr wenig ausgeprägt und, wenn es gut geht, durch "freundliches Desinteresse" gekennzeichnet. Die Berichterstattung in den meisten Medien konzentriert sich auf Negativaspekte, auf Skandale und Fehlleistungen von Soldaten. Die Verteidigungsminister/innen der vergangenen Jahre haben das Vertrauen der Soldaten verspielt. Die Bundeswehr wird auf regionaler und kommunaler Ebene eher als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen, denn als Organisation, in der es eine Ehre ist, zu dienen. Die Teilnahme der Soldaten der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan und in Mali wird durch die Mehrheit der Bevölkerung negativ beurteilt, mehrheitliche Solidarität ist von dieser Gesellschaft für Soldaten trotz des Ukraine-Krieges immer noch nicht zu erwarten. Die Haltung der Gesellschaft der Bundeswehr gegenüber ist indifferent. Die Bundeswehr genießt in der Gesellschaft nicht die Anerkennung, die sie verdient. Da ist es schwer die Personalnot zu überwinden.

In letzter Zeit wurden unterschiedliche Anstrengungen unternommen. Es wurde über eine allgemeine Dienstpflicht diskutiert und der Bundestagsabgeordnete und Präsident des Reservistenverbandes Sensburg plädierte für die Einführung einer Wehrpflicht für Frauen und Männer. Und die Junge Union setzte sich schon vor längerer Zeit für ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ für alle Schulabgänger in Deutschland ein. Diese sollen dann selbst entscheiden, ob sie dieses in der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung absolvieren wollen. Und nun wird, zuletzt von der CSU, die Forderung nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht in frühestens fünf Jahren wiederbelebt. Bisher verläuft die Diskussion kontrovers und wenig konkret und auch Verteidigungsminister Pistorius hat noch keine klaren Vorstellungen.

Da ist es sicher richtig und wichtig, dass über dieses gesellschaftspolitisch sehr wichtige Thema diskutiert wird. Das Ziel muss aber sein, dass eine sinnvolle und nachhaltige Lösung gefunden wird, die die akuten Personalprobleme der Bundeswehr überwinden hilft. Und da ist die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht wohl keine sehr sinnvolle Maßnahme. Denn Wehrpflicht wird nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn es gelingt, Wehrgerechtigkeit zu gewährleisten – und das hat Deutschland bisher noch nie geschafft. Darüber hinaus fehlt die Infrastruktur, um die dann zahlreichen Wehrpflichtigen unterzubringen. Es würde dann auch an Ausbildern für Grund- und Spezialgrundausbildung mangeln. Und Kreiswehrersatzämter für die Musterung müssten auch wieder aufgebaut und besetzt werden. Das alles ist nur mit hohem Kosten- und Personalaufwand zu leisten. Die dazu erforderlichen Finanzen und das Personal werden für die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit gebraucht!

Die einzig sinnvolle Maßnahme wäre aus meiner Sicht deswegen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Frauen und Männer, die in der Bundeswehr oder in sozialen und gemeinschaftsdienlichen Einrichtungen geleistet werden muss. Diese Dienstpflicht darf ein Jahr nicht unterschreiten, muss gerecht organisiert und von der Gesellschaft akzeptiert werden. Die jungen Staatsbürger/innen können sich für Dienst bei der Feuerwehr, beim THW, in der Pflege, in der Bundeswehr etc. entscheiden und so den allgemein herrschenden Personalmangel lindern. Die jungen Bürger bringen sich außerdem in die Unterstützung unseres Gemeinwesens ein und können dabei auch politisch weitergebildet werden.

Ob es gelingt, dass unsere Politiker die Gesellschaft über ein solches gemeinschaftsdienliches Konzept plausibel informieren, es bürgernah kommunizieren und diskutieren, um die erforderliche nachhaltige gesellschaftliche Solidarität zu erzeugen, muss sich zeigen!

(09.01.2024)

 

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