Hans-Heinrich Dieter

Sehr unfreundliches Desinteresse    (08.07.2021)

 

Erfreulich viele StaatsbĂŒrger haben das unwĂŒrdige Verhalten politisch Verantwortlicher im Zusammenhang mit der RĂŒckkehr der letzten deutschen Soldaten aus dem Afghanistaneinsatz heftig kritisiert. Sogar der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Hellmich, SPD, hat sich dieser Kritik angeschlossen. Und diese Kritik ist wichtig, weil es ja nicht nur um die WertschĂ€tzung der Afghanistan-RĂŒckkehrer geht, sondern es geht auch grundsĂ€tzlich um das VerhĂ€ltnis deutscher Politiker, deutscher Volksvertreter und deutscher StaatsbĂŒrger zu ihren „StaatsbĂŒrgern in Uniform“.

Nun hat im Herbst 2020 der MilitĂ€rhistoriker Sönke Neitzel, Inhaber des Lehrstuhls fĂŒr MilitĂ€rgeschichte an der UniversitĂ€t Potsdam, das Buch „Deutsche Krieger“ herausgegeben, in dem er sich mit dem deutschen MilitĂ€r von 1871 bis heute auseinandersetzt. Seiner Meinung nach haben die Deutschen seit 1945 ein problematisches VerhĂ€ltnis zu ihrem MilitĂ€r, eher ein NichtverhĂ€ltnis.

Weil auch der Bundestag von der Kritik betroffen ist, hat der Bundeswehrverband den PrĂ€sidenten des Bundestages Wolfgang SchĂ€uble (CDU) gebeten, Neitzels Buch öffentlich zu besprechen. Über die Aussagen SchĂ€ubles berichtete Thorsten Jungholt in der WELT.

SchĂ€uble erinnerte einleitend an die Worte des frĂŒheren BundesprĂ€sidenten Horst Köhler, der den Deutschen ein „freundliches Desinteresse“ an ihrer Armee vorgehalten hatte. Und er stellt richtig fest, dass die Bundeswehr sich mit der Abkehr von der Wehrpflicht und dem Umbau zur Einsatzarmee professionalisiert habe: „das MilitĂ€rische ist zu einer Sache der Willigen und der Wenigen geworden. Die Distanz der Gesellschaft zu ihrer Armee hat sich dadurch noch vergrĂ¶ĂŸert.“ Und weiter: „Wir neigen dazu, uns Bundeswehrsoldaten als ‚Streetworker in Uniform‘ vorzustellen. Dass KĂ€mpfen und notfalls auch Töten zu den Signaturen des Soldatseins zĂ€hlt, blenden viele Deutsche gerne aus.“

Das ist alles grundsĂ€tzlich richtig, aber sehr beschönigend ausgedrĂŒckt. Tatsache ist, dass sich die deutsche Gesellschaft nach 1945 zu einer naiv-pazifistischen Gesellschaft entwickelt hat, die sich nie wirklich um die GewĂ€hrleistung der Ă€ußeren Sicherheit gekĂŒmmert hat. Deutschland hat sich als NATO-Mitglied unter dem Schutzschirm der USA zum sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer entwickelt, der nie sicherheitspolitische Interessen und Ziele definiert und sich nach der Wiedervereinigung der naiven Illusion hingegeben hat, Deutschland sei nur noch von Freunden umgeben. Da wollte man natĂŒrlich eine saftige „Friedensdividende“ einstreichen und hat die Bundeswehr zum ”Sanierungsfall”  heruntergewirtschaftet – und SchĂ€uble hat als Finanzminister einen erheblichen Beitrag dazu geleistet. Hier wird deutlich erkennbar, dass sich das „freundliche Desinteresse“ in ein „unfreundliches Desinteresse“ der Mehrheit der deutschen Bevölkerung weiterentwickelt hat.

Und man darf ja nicht vergessen, dass man in Deutschland Soldaten straffrei als ”potenzielle Mörder” bezeichnen darf. Nach deutscher Rechtsprechung ist es durch die Meinungsfreiheit abgedeckt, wenn deutsche BĂŒrger ihre MitbĂŒrger in Uniform, die im hoheitlichen Auftrag handeln, als schlimme Gewaltverbrecher verleumden und beleidigen, die aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, aus Habgier oder sonst aus niedrigen BeweggrĂŒnden, heimtĂŒckisch oder grausam oder mit gemeingefĂ€hrlichen Mitteln…Menschen töten. 1981 sprach zum Beispiel das Landgericht Limburg einen Angeklagten frei, der folgendes Zitat verbreitet hatte: „Jeder Soldat ist ein berufsmĂ€ĂŸig trainierter Mörder, jeder Ausbilder ein Anstifter zu Mordtaten, jeder Luftwaffenpilot ein professioneller Bombenwerfer, jede Armee ist eine Terrorbande.“ Man erkennt, dass es schon ein sehr schwieriges „Vaterland“ ist, dem unsere Soldaten die Treue versprechen – und auch halten! In Frankreich, England oder in den USA wĂ€ren solche juristisch abgesegneten Verleumdungen von Soldaten nicht einmal fĂŒr Sozialisten vorstellbar.

Und wir erinnern uns an die Weigerung des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Hilfe der Bundeswehr bei der BekĂ€mpfung der Corona-Pandemie anzunehmen. Im rot/ROT/ grĂŒn regierten „failed Capital Berlin“ verwundert eine solche ideologisch begrĂŒndete Verweigerung nicht. Man muss schon „verstehen“, dass manche dieser Politiker die konkret angebotene Hilfe der uniformierten, aber unbewaffneten Soldaten fĂŒr einen „Kampfeinsatz im Inneren“ halten. Und wer möchte sich schon von einem „potenziellen Mörder“ einen Abstrich fĂŒr einen Corona-Schnelltest machen lassen? Solche linken, sozialistischen Politiker verdrĂ€ngen dann aus ideologischen GrĂŒnden auch, dass die Bundeswehr in Berlin ein Notfallkrankenhaus aufgebaut hat und die Beschaffung von Schutzkleidung sowie den Betrieb von Teststellen oder LagerkapazitĂ€ten organisiert hat.

Und die Soldaten empfinden nicht nur die GeringschĂ€tzung durch die Mehrheit der Bevölkerung als wenig attraktiv und demotivierend, sondern auch die Tatsache, dass sie durch Personal- und Materialmangel an bestmöglichem Dienst fĂŒr Deutschland gehindert wurden. Dabei geht es heute nicht mehr nur um „kĂ€mpfen können, um nicht kĂ€mpfen zu mĂŒssen“, heute geht es fĂŒr die Soldaten der Bundeswehr um „kĂ€mpfen mĂŒssen“ und da sollte man von seinem Land, dem man dient, gute Rahmenbedingungen fĂŒr den Erfolg und von der Gesellschaft, deren Recht und Freiheit man bereit ist zu verteidigen, RĂŒckhalt und WertschĂ€tzung erwarten können. Tatsache ist, dass das deutsche Parlament „seine Parlamentsarmee“ unzureichend ausgerĂŒstet und ohne klares Konzept und ohne Strategie in AuslandseinsĂ€tze geschickt hat. Das ist schlimmer als unfreundliches Desinteresse, das ist „verantwortungsloses Desinteresse“!

Die Bundeswehr ist keine geachtete und geschĂ€tzte, sondern eine in Deutschland von einer naiv-pazifistischen, antimilitĂ€risch eingestellten und sicherheitspolitisch ungebildeten Gesellschaft eher „geduldete Armee“! Wenn Politiker und Parlamentarier das Vertrauen unserer EU- und NATO-Partner sowie das Vertrauen der deutschen Soldaten in unser Staatswesen ernsthaft zurĂŒckgewinnen wollen, ist starkes, nachhaltiges und zukunftsorientiertes – finanziell garantiertes – Engagement gefordert!

(08.07.2021)

 

http://www.hansheinrichdieter.de/html/bwundpandemie.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/dienen-fuerdeutschland.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/65jahrebundeswehr.html

 

 

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