Hans-Heinrich Dieter

Zwischenbericht Afghanistan   (20.02.2024)

 

Die Enquete-Kommission hat dem Bundestag am 19.02.2024 ihren Zwischenbericht zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan vorgelegt. Das Fazit der schonungslosen Bilanz: „Der größte, teuerste, und opferreichste Kriseneinsatz der - vor allem westlichen - Staatengemeinschaft endete mit einem strategischen Scheitern.“

Die wesentlichen Vorwürfe:

„Eine fortlaufende, selbstkritische Bestandsaufnahme hinsichtlich der sehr hoch gesetzten Ziele hat nicht ausreichend stattgefunden.“

Die zuständigen Ministerien - also Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium – haben sich nicht hinreichend abgestimmt.

Der deutsche „vernetzte Ansatz“ hat nicht funktioniert.

„Ausrüstung und Fähigkeiten der Bundeswehr wurden in Teilen nicht dynamisch genug an die Bedrohungslage in Afghanistan angepasst.“

„Personelle Ressourcen, bei zivilen Einsatzkräften und bei der Polizei, waren gemessen am Ziel des Staatsaufbaus nicht ausreichend“. Die geringe Zahl der vom Innenministerium entsandten Beamten sei schlicht „lächerlich“ gewesen.

Bei der Verteilung von Geldern hat man die „Aufnahmefähigkeit und die Kapazitäten der afghanischen Partner“ überschätzt; den zunehmenden Einfluss der Taliban hingegen unterschätzt.

Viel zu spät und „nicht ausreichend konsequent“ hat man sich um eine politische Konfliktlösung bemüht

Deutschland ist „gemeinsam mit seinen internationalen Partnern strategisch gescheitert.“

Das ist eine sehr bittere Bilanz. Ihren Abschlussbericht mit konkreten Empfehlungen will die Enquete-Kommission im Frühjahr 2025 vorlegen.

Für Militärs mit Einsatzerfahrung bestätigt der Zwischenbericht die negative Beurteilung des deutschen Afghanistan-Engagements:

Seit Beginn des Einsatzes Ende 2001 ist das muslimische Land am Hindukusch ein Fass ohne Boden, in das die westliche Welt und die NATO personell, materiell und finanziell sehr viel investiert und viele Soldaten verloren hat – ohne wirkliche Erfolge zu erzielen. Der Westen hat in Afghanistan kläglich versagt, und die Flucht, 2021, war peinlich!

In Afghanistan wollten die USA den Terror besiegen und die NATO hat das nach Kräften unterstützt – die deutschen Soldaten allerdings ohne Kampfauftrag. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Die westliche Staatengemeinschaft hat darüber hinaus mit dem naiven Ziel interveniert, aus einer vom Islam dominierten, unterentwickelten, mittelalterlichen Stammesgesellschaft, eine rechtsstaatliche „Westminster-Demokratie“ mit guter Staatsführung zu machen – und ist gescheitert, weil wir weder eine Strategie entwickelt noch uns hinreichend mit der muslimischen Kultur der Afghanen beschäftigt haben. Afghanistan will nicht nach westlicher Façon selig werden, Afghanistan will unser Geld. Nach fast 20 Jahren massiven und kostenintensiven militärischen Einsatzes sowie humanitärer und wirtschaftlicher Investitionen terrorisieren die erstarkenden Taliban wieder das afghanische Volk, ist die Korruption nicht im Griff und wurde die Drogenproduktion weiter ausgebaut. Positive Perspektiven gibt es nicht und von demokratischen Strukturen ist das Land noch weit entfernt. Das wird mit dem Satz der Enquete-Kommission: „Deutschland ist gemeinsam mit seinen internationalen Partnern strategisch gescheitert!“ gut und treffend zusammengefasst.

Wichtig ist, dass der Abschlussbericht im Bundestag intensiv diskutiert wird und Schlussfolgerungen für die künftigen Auslandseinsätze der Bundeswehr gezogen werden. Es darf zukünftig keine Einsätze unserer Streitkräfte mehr geben, ohne dass die außen- und sicherheitspolitische Zielsetzung - unter Berücksichtigung der politischen und kulturellen Rahmenbedingungen des Einsatzlandes - jeweils definiert ist. Auf dieser Grundlage muss eine Strategie – einschließlich einer Exit-Strategie – entwickelt werden, die ein vernetztes Handeln der zuständigen Ministerien - also Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium möglich macht. Und der Bundestag muss seine parlamentarische Kontrollfunktion weitaus intensiver wahrnehmen als bisher.

Mir tut es leid um die Gefallenen, Verwundeten und hochengagierten Soldatinnen und Soldaten der NATO, denn ihr Einsatz in Afghanistan hat kein positives Ergebnis erbracht!

(20.02.2024)

 

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Für eine tiefgreifende Befassung mit der Thematik empfehle ich:

https://www.politische-bildung.de/afghanistan-sicherheitspolitik

 

 

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