Hans-Heinrich Dieter

UN am Rande der Bedeutungslosigkeit   (11.02.2023)

 

Kurz vor Ende des ersten Jahres des verbrecherischen Angriffskrieges des autokratischen Neo-Stalinisten Putin gegen die Ukraine bereitet Russland eine neue Offensive vor. Und Präsident Selenskyi toured als PR-Agent derweil durch Europa und versucht, die EU und die NATO in diesen Krieg einzubinden. Dabei tragen die ukrainischen Influencer ihr Anliegen dreist Kampf-Jets fordernd, (Selenskyi), oder auch unverschämt Deutschland mehrfach zur Lieferung von Tornado- und Eurofighter-Kampfjets, Kriegsschiffen und U-Booten an die Ukraine auffordernd, (Melnyk), in die europäischen Medien und in die Öffentlichkeit. Dabei geben sich Selenskyi und Melnyk so, als ob sie auch die EU-Staaten gegen Russland verteidigen, quasi als Fast-Mitglied der EU – das sind Fehlinterpretationen. Da ist die Frage erlaubt, warum die Ukraine, die seit 2014 weiß, was Putin im Schilde führt, die Einsatzfähigkeit ihrer Teilstreitkräfte nicht deutlich erhöht hat, um die Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität des ukrainischen Volkes auch aus eigener Kraft besser verteidigen zu können. Die Gefühle der ukrainischen Mitmenschen sind verständlich, dabei dürfen Gefühle die Vernunft aber nicht überlagern – schon gar nicht im Krieg!

Und wie verhält sich der „Westen“? Die USA unterstützen die Ukraine als NATO-Führungsmacht massiv mit Finanzmitteln, humanitärer Hilfe und militärischer Unterstützung, lehnen aber die Lieferung von Kampfflugzeugen ab. Die NATO bringt sich konsequent und weitgehend geschlossen in die Abschreckung Russlands ein, verstärkt ihre Einsatzfähigkeit in Südost-Europa sowie im Baltikum, bereitet die Norderweiterung durch Schweden und Finnland vor und vermeidet alles, was die NATO zur Kriegspartei machen könnte.

 Großbritannien spielt sich ein wenig als neue europäische Großmacht auf und versucht mit seinen umfangreichen Militärhilfen – bis hin zu vage zugesagten Kampfjet-Lieferungen – insbesondere Deutschland „zum Jagen zu tragen“.

Die EU tritt ziemlich geschlossen und meist solidarisch wie selten auf, hat sich mit humanitärer Hilfe für die Ukraine sehr stark eingebracht und bereits das zehnte Sanktions-Paket gegen Russland beschlossen. Die EU macht zwar keine Zusagen, aber weckt teilweise doch zu starke Hoffnungen auf einen baldigen Beitritt der Ukraine – wohl wissend, dass es einen „Express-Beitritt“ ohne die Erfüllung aller Beitrittskriterien auch für die Ukraine nicht geben darf – schon überhaupt nicht, solange sich das Land im Kriegszustand befindet! Dabei ist es für die Stellung der EU in Europa und der Welt abträglich, wenn sich Deutschland und Frankreich immer wieder unzureichend mit der EU abgesprochen einbringen wie bei dem überraschenden Besuch Selenskyis in Paris in dieser Woche. In Paris sicherte Macron der Ukraine „Unterstützung bis zum Sieg“ zu. Der auch anwesende Scholz sagte Unterstützung zu, solange es erforderlich ist. Macron blieb bei Kampfjet-Lieferungen vage und Scholz meinte darüber nicht mit Selenskyi gesprochen zu haben – und betonte später wieder in Deutschland, dass solche Lieferungen für ihn nicht infrage kommen. „Na was denn nun, Europa!“, fragt sich Selenskyi da sicher kurz vor dem Einschlafen!

Es zeigt sich auch in dieser „Zeitenwende“, dass die USA stark unterstützen, aber alles tun werden, um diesen Krieg von den USA fernzuhalten. Die NATO tut alles, um Russland erfolgreich abzuschrecken, ohne rote Linien zu überschreiten und Kriegspartei zu werden. Die EU ist solidarisch und hilft der Ukraine umfangreich, wird aber von Russland nicht ernst genommen, auch weil sie außen- und sicherheitspolitisch nicht wirklich handlungsfähig ist. Der „Westen“ konnte immerhin mit Waffenlieferungen und umfangreicher Unterstützung den Kriegsverlauf zugunsten der Ukraine so beeinflussen, dass Russland sein Kriegsziel, die Ukraine schnell zu überwältigen und der russischen Föderation vollständig einzuverleiben, nicht im ersten Jahr erreicht hat.

Die Ukraine hat äußerst tapfer, patriotisch und militärisch professionell gegen russische Truppen und Söldner gekämpft und immer wieder auch regionale Erfolge erzielt. Nicht nur die russischen Truppen haben hohe personelle und materielle Verluste erlitten, sondern auch die ukrainischen Streitkräfte. Aufgrund der desolaten russischen Kriegsführung sah sich da der Kriegsverbrecher Putin veranlasst, den völkerrechtswidrigen Kampf gegen die ukrainische Zivilbevölkerung und Infrastruktur zu verstärken mit verheerenden Auswirkungen. Die Einsatzfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte ist inzwischen stark eingeschränkt und die Bevölkerung leidet sehr. Da kann man nur hoffen, dass die Ukraine noch möglichst lange durchhält. Dazu braucht das Land unsere militärische Unterstützung – die wird aber nicht bis zum ukrainischen Sieg über Russland führen können. Gestern hat Putin wieder Luftangriffe mit 70 Raketen gegen die gesamte Ukraine, Kiew einschließlich, geführt. Hauptziele waren wieder Militäreinrichtungen und kritische Infrastruktur zur Versorgung der Zivilbevölkerung. Der Beginn der neuen russischen Großoffensive, mit unveränderter Zielsetzung, aber wohl zunächst mit Schwerpunkt der Landkriegsführung im Osten der Ukraine und ohne Nutzung von Atomwaffen, zeichnet sich ab!

Ein Ende des Krieges ist da nicht abzusehen. Beide Kriegsparteien beharren auf ihren Kriegszielen, beide Seiten zeigen sich nicht kompromissbereit. Putin will sich bis Ende März offensichtlich zumindest den Donbas einverleiben. Wie auch immer der Krieg sich weiter entwickelt, Vorteile werden bei Russland liegen, denn Russland hat die weitaus größeren Personal- und Materialreserven – und vor allem weitaus mehr Munition verfügbar. Der Ukraine sind westliche Leo 2-Panzer in der Größenordnung von zwei Panzerbataillonen zugesagt – die Ausbildung der Besatzungen ist angelaufen, die Panzer werden aber wohl nicht vor Mitte März verfügbar sein und mit viel Munition darf die Ukraine nicht rechnen, weil die NATO-Truppen diesbezüglich selbst ziemlich „blank“ sind und die Industrieproduktion noch nicht hinreichend angelaufen ist. Und auch amerikanische Abrams sowie anderes Kriegsgerät werden zu Beginn der russischen Offensive nicht verfügbar sein. Das sind keine beruhigenden Aussichten. Deswegen muss der Westen schnell liefern, liefern, liefern… was er kann, ohne sich selbst materiell ins Abseits zu manövrieren - oder zur Kriegspartei zu werden. Und die westliche Welt muss einen Plan entwickeln, wie der Krieg möglichst bald beendet werden kann. Wir müssen uns auf Verhandlungen vorbereiten!

Aber wer kann das leisten? Die USA können es nicht, denn die sind für Putin „Feind“. Die NATO kann es nicht, denn die ist für Putin ebenfalls „Feind und Kriegsursache“! Die EU kann es nicht, denn die ist für Putin eine „aggressive Gegnerin“. Deutschland kann es nicht, denn Deutschland ist nicht führungsfähig und ist inzwischen konsequent auf Seiten der Ukraine. Lula da Silva zusammen mit China können es nicht, denn die sind hochgradig parteiisch. Da bleiben nur die UN!

Und das wird nicht einfach werden, denn die UN stecken seit dem Beginn des Ukraine-Krieges in einer Krise und es ist unklar, wie die UN wieder wirklich funktionstüchtig werden können. Man muss es nicht nur zur Kenntnis nehmen: In New York ist der 24. Februar 2022 noch nicht angebrochen. Der Sicherheitsrat hat spät am Abend eine Sondersitzung einberufen. „Aus tiefstem Herzen“ appelliert UN-Generalsekretär Guterres an Putin, er solle seine Truppen stoppen. Doch noch während der Rat um Frieden ringt, lässt Putin seine Panzer rollen. Deutlicher hätte der Neo-Stalinist dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen seine Geringschätzung nicht zeigen können. Das muss Grundlage aller Ãœberlegungen sein!

Am 2. März verurteilt die UN-Vollversammlung den russischen Angriffskrieg mit großer Mehrheit. Doch das ist nicht mehr als ein moralisches Signal. Die UN können Russland weder das Vetorecht entziehen noch Russland aus dem Sicherheitsrat entfernen. Und so können Russland und China gemeinsam die UN torpedieren und auch spalten, denn viele afrikanische und asiatische Staaten sind wirtschaftlich abhängig von Russland und halten zwischen den Fronten eines neuen Kalten Krieges Putin die Stange.

Da ist es gut, dass die UN-Vollversammlung an einer Resolution für die Prinzipien eines Friedensschlusses arbeitet. Ein gerechter und dauerhafter Frieden müsse die Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Unversehrtheit der Ukraine sicherstellen, heißt es in einem von der Ukraine und ihren Unterstützern verbreiteten Resolutionsentwurf. Russland müsse demnach sein Militär sofort, vollständig und bedingungslos hinter die international anerkannten Grenzen der Ukraine zurückziehen. Der Beschluss, der hoffentlich mit großer Mehrheit gefasst wird, soll am 24.02.2023 die Weltöffentlichkeit erreichen. Ob Putin das Signal aufgreift, bleibt abzuwarten. Immerhin hat er die UN nicht komplett lahmgelegt und das kann heißen, dass der weitgehend isolierte Putin sich die UN offenhalten will - als Kanal, um mit der westlichen Welt wieder ins Gespräch zu kommen. Immerhin hat Guterres es geschafft, der Architekt des Getreideabkommens zwischen der Ukraine und Russland zu sein.

Der Ukraine-Krieg hat die Skepsis gegenüber den UN verschärft, alte Wunden wieder aufbrechen lassen und die Bedeutung der UN geschwächt. Dabei brauchen wir für unsere „Welt im Umbruch“ und für die „Zeitenwende“ die Fähigkeit als Nationen, als Weltgemeinschaft gemeinsam handeln zu können.

Deswegen kommt es 2023 darauf an, dass die Vereinten Nationen zur Plattform werden, um einen Weg aus diesem Konflikt zu finden. Man muss Putin zu erkennen geben, dass er seine Kriegsziele ohnehin nicht mehr vollständig erreichen kann und dass er mit jeder Eskalation die Isolation Russlands in der Weltöffentlichkeit verstärkt.

Die Kriegsparteien und die politischen Blöcke müssen unter der Vermittlung der UN wieder miteinander verhandeln. Wenn den Vereinten Nationen diese schwere Aufgabe nicht gelingt, droht ihnen die Bedeutungslosigkeit – zum Nachteil für Frieden und Freiheit in der Welt!

(11.02.2023)

 

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