Hans-Heinrich Dieter

Problemfall EU   (21.07.2024)

 

Ursula von der Leyen hat mit 401 Stimmen die nötige Mehrheit im Europaparlament für eine zweite Amtszeit erhalten. Die CDU-Politikerin benötigte mindestens 361 Stimmen der insgesamt 720 Abgeordneten. Die Fraktionen von Europäischer Volkspartei und Sozialdemokraten hatten sich bereits auf eine Wiederwahl verständigt. Zusammen kommen diese Gruppen auf 401 Stimmen. Kurzfristig hatten auch die Grünen Unterstützung signalisiert. Manfred Weber, CSU, und Friedrich Merz, CDU, haben sich stark für von der Leyen eingesetzt und so wird die nicht unumstrittene Politikerin sehr froh über das Ergebnis sein.

Von der Leyen kann allerdings meine politische Freundin nicht mehr werden, denn sie war nach der Niete Jung und der schlimmen Lambrecht die drittschlechteste Verteidigungsministerin der Bundeswehr. Und die Europäische Union, die sie im Dezember 2019 von Jean Claude Juncker in einem desolaten Zustand übernommen hat, konnte sie in ihrer ersten Amtszeit als Kommissionspräsidentin nicht wirklich voranbringen. Trotzdem bin ich froh, dass sie die Wahl überzeugend gewinnen konnte, denn sie hat viel Erfahrung und auch hinreichendes Durchsetzungsvermögen, um die großen Probleme ihrer zweiten Amtszeit bewältigen zu können. Darüber hinaus gibt es nach meiner Einschätzung derzeit keinen anderen geeigneten Kandidaten – das ist schlimm genug, denn es muss Vieles besser werden.

Diesbezüglich hat von der Leyen in ihrer Rede vor der Wahl viele Versprechungen gemacht: Eine Aufweichung des eigentlich für 2035 beschlossenen Verbrenner-Aus. Erschwingliches Wohnen. Weniger Abhängigkeit bei wichtigen Medikamenten. Gute Arbeitsbedingungen. Weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungen. Mehr Frauenrechte und mehr Geschlechtergleichheit. Einen Deal für saubere Industrie. Faire Einkommen für Bauern. Einen entschlossenen Kampf gegen illegale Migration. Den Aufbau eines europäischen Rüstungsmarktes und neue Milliardeninvestitionen in Verteidigung. Drei neue EU-Kommissare für Verteidigung, Mittelmeerfragen und Wohnungsbau. Und neue Milliarden-Investitionen, finanziert durch einen neuen Europäischen Wettbewerbsfonds.

Wie so häufig bei der EU hat man aber erneut den Eindruck, dass die „Ankündigungspräsidentin“ mit vollmundigen Reden positives Denken initiieren und Hoffnung erzeugen will, um von der weiterhin desaströsen Lage der EU, die durch Spaltungstendenzen, durch unsolidarisches Verhalten zunehmend nationalistisch ausgerichteter Mitgliedstaaten und durch strukturelle Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit gekennzeichnet ist, abzulenken – und um die Wahl zu gewinnen. Denn die Versprechungen sind nicht neu und die wirklichen Probleme wurden nicht angesprochen.

Von der Leyen darf nicht länger nur die Vorsteherin einer Verwaltung sein, die auf den solidarischen politischen Willen der Mitgliedsstaaten angewiesen ist. Denn die EU wird zukünftig angesichts der schwächelnden UNO als geopolitischer Machtfaktor gebraucht. Und erst wenn die EU handlungsfähig ist, wird sie geopolitisch ernst genommen werden. Das erfordert aber weniger euphorische Reden zur Weiterentwicklung auf der Basis der derzeitigen Struktur, sondern echte Struktur-Reformen, um die EU wirklich handlungsfähig zu machen. Dazu müssen alle zukünftigen Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden können, um sich z.B. nicht länger durch spalterische Vetos des untauglichen EU-Mitglieds Ungarn durch die Manege treiben zu lassen.

Insgesamt muss die EU ihre Struktur grundlegend ändern und darf sich nicht überdehnen. Einige der West-Balkan-Staaten wie z.B. Serbien werden noch lange nicht beitrittsfähig sein. Beitreten dürfen sollten tatsächlich nur die Staaten, die alle Kriterien erfüllen. Gleichzeitig darf die EU sich nicht abschotten, sondern muss eine enge politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit einer tiefer integrierten Kern-EU mit europäischen Partnern auf der Grundlage von Verträgen gewährleisten.

Die EU muss außen- und sicherheitspolitisch sehr eng mit der NATO zusammenarbeiten, um das Verteidigungsbündnis über die gesteigerte Verteidigungsfähigkeit der europäischen NATO-Mitglieder europäischer zu machen. Die EU muss außerdem mit den USA im Gespräch bleiben, um den US-Nuklearschirm so lange wie nötig für Europa zu erhalten.

Die EU muss die Außengrenzen noch stärker schützen und zu einer wirklich gemeinsamen Migrationspolitik finden. Dafür müssen auch das Schengen-Abkommen und das Dubliner Übereinkommen endlich der Realität angepasst werden. Und zum Bürokratieabbau gehört auch, dass auf den zweiten Parlamentssitz in Straßburg verzichtet und die Zahl der Kommissare - wie grundsätzlich vorgesehen – auf 18 reduziert wird.

Nur eine handlungsstarke EU wird geopolitisch ernst genommen werden!

(21.07.2024)

 

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