Hans-Heinrich Dieter

Zukunft von der Leyens   (22.02.2024)

 

Ursula von der Leyen hat im Dezember 2019 die Europäische Union in einem desolaten Zustand  von Jean Claude Juncker übernommen. Seitdem wurde durchaus einiges geleistet. Die Pandemie wurde ziemlich erfolgreich gemanagt, die Bewältigung der Klimakrise wurde mit dem Green Deal in Angriff genommen und im Ukraine-Krieg hat die EU weitgehend gemeinsam gehandelt und die Ukraine stark unterstützt. Darüber hinaus wurde viel angekündigt aber wenig erreicht.

Wie so häufig bei der EU hat man weiterhin den Eindruck, dass mit vollmundigen Reden positives Denken initiiert und Hoffnung erzeugt werden sollen, um von der weiterhin desaströsen Lage der EU, die durch Spaltungstendenzen, durch unsolidarisches Verhalten zunehmend nationalistisch ausgerichteter Mitgliedstaaten und durch strukturelle Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit gekennzeichnet ist, abzulenken.

Der Außenbeauftragte Borrell ist zwar bemüht, es fehlt aber eine gemeinsam definierte Außen- und Sicherheitspolitik als Rahmenbedingung einer erfolgreichen europäischen Außenpolitik. Die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit ist zudem durch die erforderliche Einstimmigkeit bei außenpolitischen Entscheidungen und die sich verstärkenden nationalistischen und unsolidarischen Tendenzen einiger Mitgliedstaaten – allen voran Ungarn und Polen - sehr stark eingeschränkt. Und der Brexit wirkt belastend nach. Darüber hinaus sind die Migrations- und Asylpolitik und der Schutz der EU-Außengrenzen nicht hinreichend geregelt und bisher keine Grundlage für gemeinsames, erfolgreiches Handeln der Mitgliedstaaten.

Und die Lage in den Mitgliedsländern macht auch keine große Hoffnung für eine gute Zukunft. Deutschland als – noch - wirtschaftsstärkste europäische Mittelmacht spricht zwar immer davon, mehr Verantwortung auch in der Sicherheitspolitik übernehmen zu wollen, schafft aber dafür nicht die erforderlichen Grundlagen. Deutschland verfügt nicht über eine definierte außenpolitische Zielsetzung und hat auch keine tragfähigen Strategien für sicherheitspolitisches Engagement entwickelt. Deutschland hat seine Streitkräfte über Jahre unterfinanziert und kann mit dem „Sanierungsfall“ Bundeswehr die Verpflichtungen gegenüber der NATO derzeit nur sehr eingeschränkt erfüllen. Und Deutschland hat keine klaren Vorstellungen, wie und in welche Richtung es die Weiterentwicklung der EU unterstützen will. Frankreich hat einen vollmundigen Präsidenten, der aber hinsichtlich der Reform der französischen Wirtschaftsstruktur sehr wenig erreicht hat und der sich mit seiner Politik nicht gegen die starken sozialistischen und nationalistischen Außenflügel durchsetzen kann und daher sehr stark an Rückhalt verliert. Die gut klingenden Vorschläge, die Macron macht, sind stets nur mit sehr großem Engagement anderer Mitgliedstaaten – allen voran Deutschland - zu realisieren. In der Außen- und Sicherheitspolitik verfolgt Frankreich erkennbar stark Eigeninteressen. La Grande Armee verfügt zwar über Nuklear-Fähigkeiten und auch über maritime Interventionsmöglichkeiten, aber nur von regionaler Qualität und unzureichender Abschreckungswirkung gegenüber Russland. Der deutsch-französische EU-Motor läuft aufgrund von Fehlzündungen schon lange unrund.

Und so wird nun im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg offenkundig, dass den selbstbewussten Aussagen der EU von 2019, Europa müsse die „Sprache der Macht lernen“ und „weltpolitikfähig“ werden, bisher der gemeinsame Wille, die zielgerichtete Strategie und die Mittel sowie Fähigkeiten fehlen, die Ordnung der Charta von Paris wiederherzustellen. Und trotzdem redet die in vielerlei Hinsicht heterogene und auch uneinige Europäische Union von einer richtigen europäischen Armee, die die Mitgliedstaaten auch gegen Russland verteidigen können soll. Eine pure Illusion - ein europäisches Wolkenkuckucksheim! Und nun kommt mit den Zweifeln an der Garantie des US-Nuklearschirms auch für Europa das Gerede über eine EU-Atombombe und eine nukleare EU-Abschreckungsfähigkeit hinzu. Eine zeitgerechte Realisierung – wenn tatsächlich gemeinsam gewollt – ist ebenfalls illusorisch!

Und in dieser krisengeschüttelten Lage tritt Ursula von der Leyen mit der Unterstützung der CDU nochmals an und will eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin der EU. Ob das eine gute Idee ist, wird sich zeigen, wenn man die Qualität möglicher Gegenkandidaten beurteilen kann.

Wenn von der Leyen gewählt wird, dann darf es allerdings kein „Weiter so“ geben. Sie darf nicht länger nur die Vorsteherin einer Verwaltung sein, die auf den politischen Willen der Mitgliedsstaaten angewiesen ist. Denn die EU wird zukünftig angesichts der schwächelnden UNO als geopolitischer Machtfaktor gebraucht. Und erst wenn die EU handlungsfähig ist, wird sie geopolitisch ernst genommen werden. Das erfordert aber weniger euphorische Reden zur Weiterentwicklung auf der Basis der derzeitigen Struktur, sondern echte Struktur-Reformen, um die EU wirklich handlungsfähig zu machen. Der ins Gespräch gebrachte zukünftige Verteidigungs-Kommissar kann bei der zukünftigen sicherheitspolitischen Neugestaltung hilfreich sein, wenn es um die enge Zusammenarbeit mit der NATO geht. Wichtiger aber ist es, einen leistungsfähigeren EU-Rats-Präsidenten und einen wirkungsvolleren EU-Außenbeauftragten zu finden.

Insgesamt muss die EU ihre Struktur grundlegend ändern und darf sich nicht überdehnen. Die EU muss außen- und sicherheitspolitisch sehr eng mit der NATO zusammenarbeiten. Gleichzeitig darf die EU sich nicht abschotten, sondern muss eine enge politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit einer tiefer integrierten Kern-EU mit europäischen Partnern auf der Grundlage von Verträgen gewährleisten.

Nur eine handlungsstarke EU wird geopolitisch ernst genommen werden!

(22.02.2024)

 

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