Hans-Heinrich Dieter

Ohne Strategie - ohne Vertrauen!   (30.05.2022)

 

Je länger der Ukraine-Krieg dauert, desto stärker wachsen die Ressentiments der EU- und NATO-Partner gegenüber Deutschland. Und je stärker das Ausmaß der Zerstörungen durch den verbrecherischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine wächst, desto schärfer und unbotmäßiger sind die Beschuldigungen von Selenskyj, Melnik und Kuleba. Die Ressentiments unserer Partner sind nicht unbegründet, die dreisten ukrainischen Beschuldigungen sind allerdings überzogen und teilweise unverschämt!

Wenn ein deutscher Kanzler in einer „Zeitenwende“ Führung ankündigt, dann sollte er eine Vision haben, Vorstellungen für die Gestaltung der Zukunft entwickeln, Strategien für Alternativen entwerfen und die wesentlichen zu erreichenden Ziele definieren. Auf dieser Grundlage muss der politische Führer informieren, kommunizieren, den Souverän überzeugen, ja die deutschen Staatsbürger „mitnehmen“! Nichts dergleichen ist so richtig passiert. Scholz hat Angst vor seiner eigenen Partei. Scholz hat Angst vor einer möglicherweise eigenen Courage, Scholz kommuniziert nicht, sondern schwurbelt zaghaft und zögerlich – und häufig auch mehrdeutig sowie unverständlich – vor sich hin. Darüber hinaus müssen die deutschen Politiker sich auf der Grundlage einer vom Parlament gebilligten Strategie in die EU und in die NATO solidarisch einbringen und dann auf den vielfältigen, internationalen Bühnen mit einer Stimme sprechen. Bei Auftritten von Scholz, Habeck und Baerbock hat man nicht den Eindruck, dass Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat und Deutschland mit einer Stimme spricht. Das hat zu erheblichem Vertrauensverlust geführt!

Das schlechte Image Deutschlands ist über die Jahre entstanden. „German Angst“ ist international sprichwörtlich. 2011 hat sich Deutschland mit der überhasteten, mit der EU nicht abgestimmten Energiewende geradezu „lächerlich“ gemacht und mit dem Alleingang Nordstream2 hat sich Deutschland gegen die Mehrheit der EU sowie des Europaparlamentes gestellt und zur Spaltung der EU beigetragen. Durch die jahrelange Unterfinanzierung der Bundeswehr wurden die deutschen Streitkräfte „kaputtgespart“ und sind derzeit nach NATO-Kriterien in der Bündnisverteidigung nur stark eingeschränkt einsatzfähig. In dieser Zeit hat sich Deutschland den Ruf eines außen- und sicherheitspolitischen unsicheren Kantonisten erworben und die Tatsache, dass Deutschland seit Jahren das gemeinsam vereinbarte 2-Prozent-BIP-Ziel für Verteidigungsinvestitionen nicht erreicht, verstärkte den Vertrauensverlust. Kurzum, Deutschland hat sich auch sicherheitspolitisch zum wenig glaubwürdigen Trittbrettfahrer entwickelt, der Vereinbarungen nicht einhält und seine NATO-Verpflichtungen verfehlt.

Da wundert es nicht, dass unsere Partner sehr genau und kritisch beobachten, wie Deutschland sich in die Unterstützung der kriegsgebeutelten Ukraine einbringt. Da machten die angebotenen 5 000 deutschen Stahlhelme unser Land eher zum „Gespött“ und ließen vergessen, dass Deutschland bei humanitärer Hilfe der größte europäische Nettozahler ist. Die gute Idee von der Bereitstellung schwerer Ex-DDR-Waffen wurde zurückgestellt, weil es sich ja inzwischen um „bundesdeutsche“ Waffen handelt. Die Entscheidung, ausgemusterte Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard zu liefern, ist bisher nicht hilfreich, da die Ausbildung an dem sehr komplexen Waffensystem sehr lange dauert und die 35mm-Munition von der Schweiz zur Verfügung gestellt werden müsste, wozu die Eidgenossenschaft bisher nicht bereit ist. Die gute Idee vom Ringtausch schwerer Waffen in Zusammenarbeit mit osteuropäischen NATO-Mitgliedern funktioniert bisher auch nicht, da Deutschland bisher die zugesagten Marder-Schützenpanzer noch nicht geliefert hat. Da wundert es nicht, dass Kanzler Scholz bei seiner abschließenden Rede bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos nahezu keine Zustimmung erhielt, denn er blieb in vielen Punkten vage und klare Positionierungen blieben aus. So verstärkte der Kanzler vor diesem wichtigen, internationalen Forum den Eindruck ängstlichen deutschen Zögerns und deutscher Unzuverlässigkeit. Dieses Deutschland gehört nicht zur „Weltklasse“!

Deswegen ist heute ein ganz wichtiger Tag, denn die „Ampel“ und die Union haben sich nun endlich auf Details zum geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr geeinigt. Das Sondervermögen wird mit den Stimmen der CDU/CSU zur ausschließlichen Nutzung durch die Bundeswehr im Grundgesetz verankert. Die ursprünglich vorgesehene Mitfinanzierung von Cyberabwehrvorhaben und von Stabilisierungsmaßnahmen für Partnerländer wird in einem gesonderten Ertüchtigungsgesetz verankert.

Die ausschließliche Nutzung des Sondervermögens durch die Bundeswehr wird im Zusammenhang mit dem gestiegenen Verteidigungshaushalt 2022 sowie der mittelfristigen Finanzplanung die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte nach NATO-Kriterien bis 2031 ermöglichen und gleichzeitig das Erreichen des vereinbarten 2-Prozent-Ziels der NATO für die jährlichen Verteidigungsinvestitionen erreichen.

Damit wird in den nächsten Jahren Deutschlands Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit wiederhergestellt – und hoffentlich schnellstmöglich verlorenes Vertrauen unserer Bündnispartner zurückgewonnen!

Nun muss Deutschland endlich eine außen- und sicherheitspolitische Strategie für die Gestaltung unserer westlichen Wertegemeinschaft nach dem Ukrainekrieg entwickeln und in die EU und in die NATO einbringen!

(30.05.2022)

 

Bei Interesse lesen Sie auch:

https://www.hansheinrichdieter.de/html/schwachesdeutschland.html

https://www.hansheinrichdieter.de/html/deutschland-fuehrungslos.html

https://www.hansheinrichdieter.de/html/vernunftistgefragt.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte