Hans-Heinrich Dieter

Zukunftsfähige NATO   (05.07.2017)

 

Der NATO-Gipfel mit US-Präsident Trump war ein Misserfolg, aber ein nützlicher Augenöffner im Hinblick auf die zukünftige Rolle, die die USA in Zukunft für die NATO zu spielen bereit sind. Angesichts des tagtäglichen Vertrauens- und Ansehensverlustes der Supermacht USA herrscht allgemeine Skepsis vor. aber das motiviert die europäischen Mitgliedstaaten und Kanada zu stärkerer Zusammenarbeit.

Die zukünftige Zusammenarbeit prägte dementsprechend das Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel in der letzten Woche. Und diese Zusammenarbeit ist natürlich auch abhängig von den Verteidigungsinvestitionen der einzelnen Mitgliedstaaten. Da ist es erfreulich, wenn NATO-Generalsekretär Stoltenberg feststellen kann, dass die europäischen NATO-Mitglieder und Kanada ihre Militärausgaben schon das dritte Jahr in Folge steigern und so seit 2015 insgesamt 46 Milliarden Dollar mehr für Verteidigung ausgegeben worden sind. Seit Jahren der Unterfinanzierung - nicht nur der Bundeswehr - ist das eine wirklich gute Nachricht und angesichts der aggressiven russischen Politik auch dringend notwendig.

Nun ging es auch darum, eine Art Bilanz zu ziehen und festzustellen, für welche Fähigkeiten sich die einzelnen Mitgliedsstaaten verpflichtet haben und was sie davon tatsächlich einbringen. Über Rüstungskooperation und gemeinsame Aufgabenerfüllung soll in Zukunft mehr aus dem investierten Geld gemacht werden. Und in dem Zusammenhang ist auch die vereinbarte Kooperation mit der EU ein wichtiger und notwendiger Schritt.

Themen waren außerdem das NATO-Engagement im Baltikum und in Polen und die starken Aktivitäten der USA in dieser Region, die durchaus als Ausdruck einer Beistandsabsicht zu werten sind. Die Fortschritte der NATO als Teil der Anti-IS Koalition wurden bilanziert und die Verstärkung der Ausbildungs-Mission in Afghanistan „Resolute Support“ um etwa 1000 Soldaten wurde diskutiert. Hier waren konkrete Festlegungen nicht möglich, weil die US-Administration sich noch nicht auf Zahlen einigen konnte. Bei der NATO werden konkrete Missionen und Projekte besprochen und entschieden, die sich auf die Sicherheitslage Europas und auch weltweit auswirken. Die NATO wird außerdem respektiert, auch von Russland, und das ist in der Sicherheitspolitik von ausschlaggebender Bedeutung.

Ein wichtiges Diskussionsthema dürfte auch das problembelastete Verhältnis mit dem NATO-Mitglied Türkei gewesen sein. Das ist allerdings kein Thema, über das in Pressekonferenzen berichtet wird. Die Türkei ist militärisch und geostrategisch für die NATO natürlich ein sehr wichtiger Partner. Aber die innenpolitische Krise in der Türkei verursacht große Unsicherheit bei den NATO-Mitgliedern, die massiven Einschränkungen der Rechtstaatlichkeit passen nicht zu den Wertvorstellungen der NATO und machen die Türkei zu einem noch schwierigeren Partner als zuvor. Die NATO versucht trotzdem einen offenen Konflikt zu vermeiden, dabei gibt es genug Zündstoff.

Nach dem Putsch wurde viel türkisches Personal aus den NATO-Hauptquartieren und Dienststellen abgezogen, das bis heute noch nicht oder nicht mit qualitativ gleichwertigem Personal ersetzt wurde. In Syrien bekämpft die Türkei weiterhin die kurdischen YPG-Milizen, die von den USA als wichtiger Partner im Kampf gegen den IS gebraucht werden. Die Türkei verletzt immer wieder den griechischen Luftraum und zeigt sich nicht bereit, die türkische Besatzung in Nord-Zypern zu reduzieren und behindert so die Friedensgespräche mit den griechischen Zyprioten. Und der NATO-Partner Deutschland sieht sich gezwungen, seine Truppen aus Incirlik abzuziehen, weil die Türkei deutschen Abgeordneten das Besuchsrecht bei unseren Soldaten verweigert. Außerdem denkt die Türkei derzeit darüber nach, das russische Raketen-Abwehrsystem S400 zu kaufen, das mit anderen NATO-Systemen nicht kompatibel ist. Das würde den NATO-Raketenabwehrschild stark beeinträchtigen und nicht nur russische Technologie, sondern auch russisches Militärpersonal für Ausbildung und Wartung in NATO-Streitkräfte einbeziehen. Erdogan ist sich für keine Provokation zu schade!

Deswegen ist es hohe Zeit, dass nicht nur Deutschland allmählich zum aufrechten Gang gegenüber der Türkei zurückfindet, sondern dass auch die NATO der Türkei unmissverständlich klarmacht, was sie von einem NATO-Partner im Hinblick auf Wertebewusstsein und Solidarität erwartet. Die Neo-Osmanischen Großmachtvorstellungen Erdogans sind mit den Vorstellungen der Wertegemeinschaft NATO auf keinen Fall vereinbar! Man darf gespannt sein, wie sich der NATO-Partner Türkei beim G 20-Gipfel in Hamburg einbringt.

(05.07.2017)

 

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