Hans-Heinrich Dieter

Wenn nicht jetzt, wann dann?   (17.12.2022)

 

Die aktuellen Krisen haben sehr deutlich gemacht, dass die EU weiterentwickelt und strukturell reformiert werden muss, wenn sie an der Weltpolitik erfolgreich teilhaben und in der sich stark verändernden Welt überleben will. Beim EU-Gipfeltreffen am 15.12.2022 wurde einiges erreicht, aber es hat die EU im Hinblick auf die erforderliche Weiterentwicklung und Strukturreform leider nicht vorangebracht. Vielmehr hat dieser letzte EU-Gipfel im Jahr 2022 einmal mehr die Konstruktionsfehler und Strukturschwächen des Bündnisses deutlich gemacht. Die Handlungsfähigkeit der EU ist durch egozentrische und nationalistische Staaten wie Ungarn und Polen immer wieder eingeschränkt, weil diese untauglichen EU-Mitglieder durch ihr Veto bei einstimmigkeits-abhängigen Problemlösungen die Union erpressen oder lähmen. Die EU ist außen- und sicherheitspolitisch nicht wirklich handlungsfähig, weil ihr dafür ein stimmiges außenpolitisches Konzept und die hinreichenden militärischen Mittel fehlen. Und nun hat die EU einen Korruptionsfall von erheblichem Ausmaß zu verarbeiten, um als Wertegemeinschaft Vertrauen zurückzugewinnen. Und das geht wohl nicht ohne grundlegende strukturelle Reformen.

Dabei hatte die EU im Zuge der durch den verbrecherischen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hervorgerufenen „Zeitenwende“ schon bedeutende Fortschritte im Hinblick auf gemeinsames, solidarisches und werteorientiertes Handeln gemacht. Die anfängliche Solidarität ist allerdings im Laufe des Problem-Jahres 2022 brüchiger geworden. Umso erfreulicher ist es, dass der letzte Gipfel einige Erfolge gebracht hat: Die Mindestbesteuerung großer internationaler Unternehmen wurde entschieden, die Ukraine bekommt die erforderlichen 18 Milliarden Euro für die dringendsten Infrastruktur-Maßnahmen, das neunte Sanktionspaket gegen russische Verbrecher wurde auf den Weg gebracht, für den europäischen Gaspreisdeckel wurde ein Kompromiss erarbeitet, der von den Energieministern am kommenden Montag noch zum Abschluss gebracht werden muss, die Blockade von 6,3 Milliarden Euro für Ungarn wegen unzureichender Korruptionsbekämpfung ist entschieden und Bosnien-Herzegowina erhält den Kandidatenstatus für den EU-Beitritt. Die ungelöste Migrationskrise wurde allerdings auf einen Sondergipfel im Februar 2023 vertagt. Und auch auf die Frage, wie die EU auf ein milliardenschweres, wohl gegen internationale Handelsregeln verstoßendes Investitionsprogramm der USA reagieren soll, wird erst im 1. Quartal 2023 eine Antwort gefunden werden. Dabei gilt es, einen Handelskrieg mit den USA zu vermeiden.

Am Ende eines vom russischen Krieg gegen die Ukraine geprägten Jahres wahrten die 27 Staaten so nach einigen Blockaden und viel Mühe ein wenig Geschlossenheit. Die EU hat also einiges erreicht, die grundsätzlichen Probleme sind aber nicht gelöst!

Die EU muss in der instabilen Weltsituation handlungsfähiger werden, um die größer werdenden Herausforderungen bewältigen zu können und darf nicht in einem „Dauerkrisenmodus“ verharren, der ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Dazu muss die EU ihre Struktur grundlegend ändern und darf sich nicht überdehnen. Neue Mitglieder dürfen erst in eine veränderte Struktur aufgenommen werden, wenn sie die Kriterien voll erfüllen. Voraussetzung für eine Strukturreform ist, dass der Vertrag von Lissabon, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat, geändert wird. Die EU sollte ein Staatenbund von Kern-Mitgliedstaaten und demokratischer verfasst werden. Dazu sollte das von den Bürgern der Kernmitglieder direkt gewählte Parlament als Legislative die Kommission als Bundesregierung kontrollieren. Der Rat der Staats- und Regierungschefs muss die Mehrheitsentscheidungen des Parlaments mehrheitlich billigen. Gleichzeitig darf die Kern-EU sich nicht abschotten, sondern muss eine enge politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit der tiefer integrierten Kern-EU mit assoziierten europäischen Partnern auf der Grundlage von Verträgen – etwa wie mit Norwegen - gewährleisten.

Und im Rahmen dieser Strukturänderungen muss man auch derzeitige „kleinere“ Strukturschwächen beseitigen. Der/Die Kommissionspräsident*in muss durch das Parlament gewählt werden, die Anzahl der Kommissare wird nicht durch die Anzahl der Mitgliedstaaten bestimmt, sondern durch den fachpolitischen Bedarf. Der/Die Parlamentspräsident*in hat lediglich einen Vertreter aus den im Parlament aktiven Fraktionen. Das Parlament hat nur einen Sitz in Brüssel. Das Lobbyisten- und Korruptions-Unwesen muss beendet und politische sowie wirtschaftliche Interessenwahrnehmung müssen neu gestaltet werden.

Ohne Strukturreform wird die EU politisch nicht überleben!

(17.12.2022)

 

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