Hans-Heinrich Dieter

Reformkonsens (28.05.2011)

 

Nach der öffentlichen Darstellung der Eckwerte für die zukünftige Struktur der Bundeswehr hat Minister de Maizière nun eine Regierungserklärung zur Neuausrichtung der Bundeswehr abgegeben.

Wie aufgrund der Eckwerte zu erwarten, hat der Verteidigungsminister den Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht wirklich Neues berichtet. Es wird allgemein anerkannt, dass nun mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien eine Grundlage für sicherheitspolitische Ableitungen der zukünftigen Struktur vorliegt. Gleichwohl kann natürlich auf der Grundlage dieses sicherheitspolitischen Grundsatzpapiers noch keine Strukturkritik erfolgen, da die Grobstrukturen noch nicht fest liegen. Deswegen bleibt es vorwiegend bei einer Stil- und Zahlendebatte.

Der ruhige, sachliche Stil des Vortrags des Ministers wirkt offensichtlich beruhigend auf die relevanten Teile der Opposition. Es gab Lob für die Arbeit des Ministers, viel Bonus auf der Grundlage eines allgegenwärtigen Malus des Vorgängers. Die SPD verlangte sogar weniger tiefe Einschnitte beim Personal und mehr Geld für die seit Jahren chronisch unterfinanzierte Truppe. Und Trittin erzeugte offene Münder als er forderte, die deutschen Streitkräfte personell und materiell noch stärker auf die Teilnahme an zukünftigen internationalen Kriseneinsätzen auszurichten - und da ist nicht von Grünhelmen die Rede, sondern von Interventionsstreitkräften. Minister de Maizière hat es geschafft, die Opposition einzubinden und für die Neuausrichtung den so wichtigen, und früher traditionellen Konsens in dieser wichtigen sicherheitspolitischen Zukunftsaufgabe herzustellen. Das ist gut für die Bundeswehr. Und der Stil ist für alle wohltuend.

Eine wirklich kontroverse Debatte um Zahlen hat es nicht gegeben. Das lag auch daran, dass der Minister, ausgenommen die bekannten Eckwerte-Zahlen, sehr geschickt unkonkret geblieben ist. Anstelle von Fakten zur Finanzierung der Reform und zur Realisierung von Einsparauflagen verweist der Minister auf sein gutes Verhältnis zum Finanzminister sowie auf die ohnehin stattfindenden Haushaltsverhandlungen Mitte 2011 und hofft möglicherweise auf Unterstützung durch die SPD, die zum Ausdruck bringt, das von der Regierung auferlegte Sparziel von 8,3 Milliarden Euro sei nicht realisierbar. Bei so viel Konsens mahnen die "berüchtigten" Medien wie die Frankfurter Rundschau schon mal etwas mehr Opposition an.

In dieser günstigen Stimmung regt es dann auch wenig auf, wenn der Verteidigungsminister, in dieser Frage eher stellvertretend für den Außenminister, Deutschland gedanklich auf mehr und gegebenenfalls auch intensivere Auslandseinsätze vorbereitet. Da fallen starke Vokabeln wie Reichtum verpflichtet, Deutschland als starker und verlässlicher Partner in der Welt, Einsatz von deutschen Streitkräften auch als Mittel der Politik und Wahrnehmung internationaler Verantwortung auch durch militärische Beteiligung. Deutschland bereitet sich offenbar darauf vor, sich endlich den sicherheitspolitischen Realitäten zu stellen. Mangels Verständnis wurde im Bundestag dazu nicht debattiert, obwohl MdB Hoff einen guten aber noch etwas zarten Versuch unternommen hat, auf das Fehlen einer Nationalen Sicherheitsstrategie hinzuweisen und eine breite Diskussion über unsere deutschen sicherheitspolitischen Interessen einzufordern. Dem schwach besuchten Plenum war dabei anzumerken, dass es mit solchen Vokabeln noch nicht viel anfangen kann. Ohne eine solche intensive öffentliche Diskussion werden die starken Worte des Ministers aber wohl wirkungslos bleiben, es sei denn der Außenminister hat gut zugehört und greift den Ball ressortübergreifend mit Unterstützung des Bundeskanzleramtes gekonnt auf.

Noch hat Minister de Maizière Lorbeeren nicht verdient. Eine streitkräftegemeinsam stimmige Grobstruktur ist möglichst bald zu entscheiden, auch um Klarheit für die Soldaten zu schaffen. Der angekündigte und sehr berechtigte Personalabbau beim Zivilpersonal auf 55.000 ist durchzusetzen. Gesetze für die Abfindung von Überhangpersonal in erheblichen Größenordnungen sind auf den Weg zu bringen. Die Material- und Ausrüstungsplanung ist auf Grundlage des neuen Fähigkeitsprofils zu erarbeiten. Die Sparzwänge sind so zu modifizieren, dass die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nicht beeinträchtigt wird, ohne den Beitrag zur Haushaltskonsolidierung aus den Augen zu verlieren. Die Standortentscheidungen im Herbst werden auf heftigsten Widerstand der Länder treffen, dagegen wirkt die provinzielle Diskussion um den Verbleib von Teilen des Ministeriums in Bonn eher nachrangig. Der geeignete Nachwuchs für die Bundeswehr muss in hinreichender Zahl gewonnen werden. Und "die Bundeswehr" ist hochmotiviert im Einsatz zu halten und für die Neuausrichtung einzunehmen.

Vor dem Triumphzug unter den Linden, vorbei an Café Einstein, muss noch eine sehr lange und anspruchsvolle Hindernisbahn überwunden werden. Hoffentlich hält der Konsens der Demokraten - der Bundeswehr wäre es zu wünschen.

(28.05.2011)

 

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