Hans-Heinrich Dieter

Nationalist Macron   (29.11.2019)

 

Als französischer Präsident hat Macron bisher innen-, sozial- und wirtschaftspolitisch mehr oder weniger versagt. Davon – und vom schlechten strukturellen und wirtschaftlichen Zustand Frankreichs und von der unzureichenden Einsatzfähigkeit der Grande Armee - will er ablenken, wenn er zu stark überspitzt sagt: „Was wir gerade erleben, ist für mich der Hirntod der NATO.“ Und Macron wiederholt diese abstruse Einschätzung auch beim Gespräch mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg in Paris. Wenn ein Subjekt gehirntot ist, wird es zur Organentnahme freigegeben. Wer kann - bei intakten intellektuellen Fähigkeiten - eine „Organentnahme“, also die Beeinträchtigung sicherheitspolitischer Fähigkeiten der NATO, prognostizieren oder wünschen?

Macron hat Recht, wenn er die Türkei für ihr „unkoordiniertes, aggressives Vorgehen“ gegen die Kurden in Nordsyrien scharf kritisiert. Besser wäre es gewesen, wenn er auch die türkische Völkerrechtsverletzung durch den Angriff auf Syrien beim Namen genannt hätte.

Macron hat Recht, wenn er feststellt, dass der politisch sehr unerfahrene und intellektuell ziemlich überforderte amerikanische Präsident „unsere Idee des politischen Projekts“ NATO nicht teilt, wenn er seine politischen Gefühlsausbrüche – wie zuletzt in Syrien – nicht abgesprochen und zum Nachteil Europas in abruptes, erratisches politisches Handeln umsetzt und dabei den europäischen Teil der NATO eher als Gegner denn als Partner begreift. Wenn Macron also den Commander in Chief, der für die NATO wichtigsten Streitkräfte für intellektuell überfordert und die globale westliche Führungsmacht USA für nur eingeschränkt zuverlässig erklärt, dann kann man ihm folgen.

Macron bleibt aber bei seinem irrwitzigen, selbstherrlichen und arroganten „Weckruf“. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt dazu – für ein links/grünes Medium selten aber treffend - der französische Präsident „wirkt wie eine Westentaschenausgabe seines amerikanischen Kollegen – sprunghaft und effektgetrieben. Bisher hat sich die europäische Seite des Atlantiks durch eine höhere Differenzierungsfähigkeit unterschieden.“ Das ist schmerzlich, denn wer wollte schon in die Westentasche von Trump passen? Der „tumbe Trump“ verfolgt das Ziel „America first“ und macht Außenpolitik ohne erkennbaren Plan und ohne hinreichende Absprachen mit Partnern und Verbündeten, sondern mit Wutausbrüchen, Drohungen und Erpressungen. Trump bringt durch Protektionismus die Weltwirtschaftsordnung in Unordnung, bricht Wirtschaftskriege vom Zaun und isoliert die USA zunehmend. Dabei agiert der 45. Präsident der USA als Führer der westlichen Welt und einzigen globalen Supermacht politisch so ungeschickt, dass er Amerika nicht „great again“ macht, sondern Tag für Tag ein wenig kleiner! Trump unterminiert ständig die herausragende Führungsrolle der USA in der Welt und reduziert die Vereinigten Staaten von Amerika Zug um Zug zu einer unsolidarischen und eigensüchtigen Regionalmacht. Auf die westliche Führungsmacht – auch der NATO – ist so kein Verlass mehr. Das schwächt die NATO erheblich, macht sie aber nicht handlungsunfähig.

Die „Westentaschenausgabe“ des tumben Trump agiert ähnlich. Macron ist innenpolitisch stark angeschlagen und sucht nach Kompensation. Er versucht schon seit seiner Rede an der Sorbonne, die Führerschaft in der EU zu erlangen. Aus seinen illusionistischen Ankündigungen ist allerdings nichts geworden. Er propagiert immer wieder die Idee einer Europäischen Armee, ohne dass diese Vorstellungen in den nächsten zwei Jahrzehnten verwirklicht werden könnten, hauptsächlich aufgrund der stark eingeschränkten Einsatzfähigkeit in der NATO-Bündnisverteidigung der französischen, der deutschen und der britischen Streitkräfte und – wichtiger noch – aufgrund der in keiner Weise zur Abschreckung geeigneten nuklearen Fähigkeiten der Force de Frappe und der britischen Streitkräfte. Macron ist mit seinem gaullistischen Führungsanspruch mit der „Grande Nation“ und ihrer – sehr eingeschränkt einsatzfähigen – Grande Armee unglaubwürdig und macht die Grande Nation mit seinen in der EU und in der NATO nicht abgesprochenen, selbstherrlichen und arroganten Statements Zug um Zug kleiner!

Die EU leidet unter genug selbstherrlichen Nationalisten, wie den politischen Führern der Visegrad-Staaten oder dem verlogenen Briten Johnson, da muss nicht noch ein französischer Präsident die Spaltung und damit die Handlungsunfähigkeit der EU verstärken. Ist denn der Präsident der „Grande Nation“ so realitätsfern, dass er nicht erkennt, dass kein osteuropäisches EU- und NATO Mitglied an die hinreichende Abschreckungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft europäischer Streitkräfte gegen die ständig erkennbare Aggressivität Russlands glaubt? Kann der französische Präsident intellektuell nicht einordnen, dass seine unabgesprochenen, liebedienerischen Avancen gegenüber Putin die EU- und die NATO-Solidarität gegenüber dem Ukraine-Aggressor Russland massiv beeinträchtigen? Die NATO-Mitglieder, offenbar ausgenommen Frankreich, wissen sehr wohl, dass die Sicherheit Europas auf nicht absehbare Zeit von den militärischen Fähigkeiten der USA abhängig ist.

Der – bisher nicht so erkannte – Nationalist Macron, der ganz offensichtlich nach dem Grundsatz handelt „La France première!“ ist mit gesundem, politischem Menschenverstand nur schwer einzuschätzen und inzwischen eine große Belastung für die EU und die NATO!

(29.11.2019)

 

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