Hans-Heinrich Dieter

Idealist Macron   (06.03.2019)

 

Der politische Schlagabtausch vor der Europawahl wird in deutschen Bierzelten am Aschermittwoch – nicht immer stilvoll - ausgetragen. PrĂ€sident Macron aber wendet sich mit einem „starken“ Appell ĂŒber Medien in allen Mitgliedstaaten an die BĂŒrger der EuropĂ€ischen Union: „BĂŒrger Europas, wenn ich mir heute erlaube, mich direkt an Sie zu wenden, dann tue ich das nicht nur im Namen der Geschichte und der Werte, die uns einen, sondern weil dringend gehandelt werden muss. In wenigen Wochen wird die Europawahl ĂŒber die Zukunft unseres Kontinents entscheiden. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war Europa noch nie in so großer Gefahr.“

NatĂŒrlich brauchen wir EuropĂ€er in der aus den Fugen geratenen globalen und europĂ€ischen Lage positive Symbole und gelegentlich auch Appelle, aber wir brauchen nicht immer neue Gesetze und neue VertrĂ€ge, wir mĂŒssen die geltenden Gesetze und Regeln auch in schwieriger politischer RealitĂ€t konsequent durchsetzen, VertrĂ€ge konsequent und zukunftsorientiert realisieren und die EuropĂ€ische Union muss sich reformieren! Das meint Macron sicher, wenn er fordert, dass „dringend gehandelt werden muss“.

Wenn der PrĂ€sident eines der wichtigsten EU-Mitgliedstaaten allerdings zu dringendem Handeln mahnt, dann erwarten die BĂŒrger aber auch sehr konkrete VorschlĂ€ge mit Realisierungschancen. Und da bietet der jĂŒngste Appell zu wenig!

Wir erinnern uns an die viel beachtete und gelobte Rede Macrons 2017 vor der Sorbonne. Was hat sich seit dieser Rede in Europa im Sinne Macrons verĂ€ndert? Zu wenig! Und vieles was der PrĂ€sident nun in seinem Brief anmahnt oder vorschlĂ€gt, wurde schon thematisiert aber nicht vorangebracht. Der Schutz der EU-Außengrenzen und eine gemeinsame Asylpolitik sind in Arbeit, wenn auch nicht sehr ambitioniert. Über eine verbesserte Zusammenarbeit in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen – bis hin zur Utopie einer „EuropĂ€ischen Armee“ - wurde vielfach diskutiert und es konnten kleine Fortschritte erzielt werden. Solange die EU aber keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik definiert hat und gemeinsam in die Tat umsetzt, nĂŒtzen Appelle wenig. Und wenn Macron eine europaweite soziale Grundsicherung sowie einen europaweiten Mindestlohn fordert, dann begibt er sich auf ein linkspopulistisches Terrain. Er sollte wissen, dass die lĂ€nderspezifischen VerhĂ€ltnisse in den Mitgliedstaaten zu unterschiedlich sind, um eine solche sozialistische Idee gemeinsam umsetzen zu können, ohne nicht wenige Mitgliedstaaten finanziell zugrunde zu richten. Und zusĂ€tzliche BĂŒrokratie in Form einer europĂ€ischen Agentur zum „Schutz der Demokratie“ hilft auch nicht gegen die ungute Entwicklung in den Visegrad-Staaten. Die demokratischen Werte der EU muss jeder Mitgliedstaat schon selbst leben – und wer die Werte missachtet, muss sanktioniert werden!

Wenn PrĂ€sident Macron eine tiefgreifende EU-Reform anstoßen will, dann sollte er sich nicht an die EU-BĂŒrger wenden, denn die werden nicht durch Illusionen, Utopien und Apelle ĂŒberzeugt, sondern durch gute Politik der EuropĂ€ischen Union, die durch konkretes Handeln zur Verbesserung der LebensumstĂ€nde der BĂŒrger zum Ausdruck kommt und spĂŒrbar wird.

Die kĂŒnftige Entwicklung der EuropĂ€ischen Union kann also nur gemeinsam positiv gestaltet werden, von einer reformierten EU mit einer handlungsfĂ€higen Kommission und von solidarischen, an den europĂ€ischen Werten orientierten Mitgliedern - Deutschland und Frankreich auf Augenhöhe mit den kleineren Mitgliedstaaten!

Und wenn es zukĂŒnftig darum geht, die europĂ€ischen Angelegenheiten neu zu regeln, dann sind der EuropĂ€ische Rat und auch das EuropĂ€ische Parlament gefragt, in die Deutschland, Frankreich und möglichst viele andere Mitglieder auf Augenhöhe ihre guten Ideen einbringen können. Wenn es darum geht, „eine wirksame und starke Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ zu entwickeln, dann muss die EU-Kommission, mit UnterstĂŒtzung von Deutschland und Frankreich und in enger Zusammenarbeit mit der NATO, endlich eine solche Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik definieren, formulieren und verabschieden. Und dann sollten nicht Frankreich und gegebenenfalls auch Deutschland zukĂŒnftig einen stĂ€ndigen Sitz im Weltsicherheitsrat haben, sondern die EU sollte die EuropĂ€ische Union auch dort stĂ€ndig vertreten. Insbesondere nach dem Brexit ist außerdem keine vertiefte sicherheitspolitische Zusammenarbeit Frankreichs und Deutschlands in der EU gefragt, sondern deren vertiefte Zusammenarbeit in der NATO, auch bei der Vertretung europĂ€ischer Interessen.

Europa und die EuropĂ€ische Union mĂŒssen ganz neu gedacht werden, das ist nur gemeinsam auf der Grundlage neuer Handlungs- und DurchsetzungsfĂ€higkeit mit neuen Entscheidungsregeln zu leisten. FĂŒr eine Weiterentwicklung von EU im Zusammenwirken mit der NATO haben EU und NATO ihre eigenen Gremien, in denen alle MitgliedslĂ€nder vertreten sind. In diesen Gremien und um die Reformen der EU können sich Deutschland und Frankreich durch sinnvolle Initiativen engagieren und verdient machen!

(06.03.2019)

 

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