Hans-Heinrich Dieter

Muslimische Eigenverantwortung   (17.03.2020)

 

In der aktuellen Flüchtlingslage und im Zusammenhang mit der Entscheidung der deutschen Regierung, zusammen mit anderen EU-Staaten bis zu 1.500 unbegleitete Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen, liest man in den Medien wohlfeile Schuldzuweisungen; in der SZ Freude darüber, dass „zumindest gröbstes Unrecht geheilt werden“, in der FAS von der Notwendigkeit, ein „menschenunwürdiges Drama an einer europäischen Außengrenze“ zu beenden, man liest aber keine praktikablen Vorschläge zur Krisenbewältigung. Dabei geht es um Krisen- und Konfliktbewältigung in der muslimischen Welt! Aber wie sollen sich Deutschland und Europa der Probleme in der muslimischen Welt und damit der Beseitigung der Fluchtursachen konkret mit Aussicht auf Erfolg annehmen? Bisher hat die westliche Welt mit der muslimischen Welt schlechte Erfahrungen gemacht!

Man wirft Europa meist mangelndes Engagement vor und die EU hat an sich immer irgendwie Schuld. Dabei ist die Europäische Union nichts anderes als der Zusammenschluss ihrer meist egoistischen, teilweise auch nationalistisch eingestellten Mitgliedsländer, gegen deren Willen die EU nichts zustande bringen kann. Und auf eine gesamteuropäische Solidarität kann wohl in der Zeit der anhaltenden Massenflucht aus Nahost und Afrika niemand bauen. Für die gescholtene EU stellt sich da mehr und mehr die Existenzfrage, wenn es nicht gelingt, endlich ein gemeinsames Regelwerk für Asyl und Einwanderung zu schaffen sowie ein für alle EU-Staaten faires Asylsystem. Aber auch das wird nicht reichen!

In Afghanistan hat die westliche Staatengemeinschaft mit dem naiven Ziel interveniert, aus einer vom Islam dominierten, unterentwickelten, mittelalterlichen Stammesgesellschaft eine rechtstaatliche „Westminster-Demokratie“ mit guter Staatsführung zu machen – und ist gescheitert. Afghanistan will nicht nach westlicher Façon selig werden, Afghanistan will unser Geld. Nach fast 20 Jahren massiven und kostenintensiven militärischen Einsatzes sowie humanitärer und wirtschaftlicher Investitionen terrorisieren die erstarkenden Taliban weiterhin das afghanische Volk, ist die Korruption nicht im Griff und wurde die Drogenproduktion weiter ausgebaut. Positive Perspektiven gibt es nicht. Und der schlechte Trump-Deal mit den Taliban-Terroristen hatte sehr schlechte Aussichten, dem geschundenen Land Frieden zu bringen.

Im Irak haben die USA völkerrechtswidrig interveniert und das Land in einen solch instabilen Zustand hineinmanövriert, dass man schon von einem failed state sprechen muss, der den Religionskrieg zwischen Schiiten und Sunniten nicht bewältigen kann und deswegen immer mehr in die Abhängigkeit vom Iran gerät. Der Irak ist höchst instabil und will Wirtschaft-, Aufbau, und Ausbildungshilfe – vulgo unser Geld -, sieht die westlichen Truppen als Besatzer und ist weit davon entfernt, eine Demokratie installieren zu wollen und zu können.

In Libyen haben Teile der westlichen Welt mit dem unverantwortlich oberflächlichen Ziel „Gaddafi muss weg!“ interveniert und das Land in einen zerfallenden und kaum zu kontrollierenden Staat gebombt. In Libyen können, auch dank der westlichen Intervention, hochkriminelle Schleuser- und Schlepperbanden ihr lukratives Geschäft zum Nachteil der westlichen Welt ungehindert betreiben. Tragfähige staatliche Strukturen lassen auf sich warten, vielmehr wird das Land durch einen Bürger- und Stellvertreterkrieg auf nicht absehbare Zeit stark belastet sein. Dem Berliner Libyen-Gipfel sind bisher vor Ort keine positiven friedensstiftenden Maßnahmen gefolgt!

In Syrien hat die westliche Welt zunächst nicht interveniert, weil die untereinander zerstrittene Anti-Assad-Gemengelage aus Terrorgruppen unterschiedlicher muslimischer Ausprägung, Banden unterschiedlicher Ethnien, kurdischen Nationalisten, einflusslosen Rebellenorganisationen und zuletzt dem Islamischen Staat keine verlässliche Grundlage für Unterstützungsmaßnahmen geboten hat. Darüber hinaus kamen UN-Resolutionen im Weltsicherheitsrat nicht zeitgerecht zustande, weil Putin Assad unterstützt und durchaus ein Interesse daran hat, dass der Syrienkonflikt weitergeht und die muslimischen Flüchtlingsströme im westlichen Europa Instabilität erzeugen. Die westliche Koalition zur Bekämpfung des Islamischen Staates war durchaus wirksam, hat aber nicht zum Sieg über den IS geführt und sich mit dem nicht abgestimmten Rückzug der USA zum relativ zahnlosen Tiger entwickelt. Zum Versagen der westlichen Welt und zur Steigerung der Flüchtlingskatastrophe hat auch die völkerrechtswidrige Militärintervention der Türkei gegen syrische Kurden beigetragen.

Diese Beispiele machen sehr deutlich, dass westliche Interventionen in der muslimischen Welt nicht erfolgreich oder schlicht nicht möglich sind, trotz hoher Investitionen nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen und am Ende die Unterstützer als ungläubige Besatzer und Feinde verachtet und bekämpft werden.

Wer vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen die strukturell entscheidungs- und handlungsschwache sowie militärisch machtlose EU zu deutlich mehr globalem Interventionismus aufruft und so tut, als ob Europa in souveränen muslimischen Staaten das Kommando übernehmen und seine Hilfe aufzwingen könnte, um demokratische Strukturen nach unseren Wertvorstellungen zu realisieren, beurteilt die Lage zu schlicht und einfach falsch. Der Islam mit seinem Alleinvertretungsanspruch ist mit demokratischen Vorstellungen nicht kompatibel und Muslime in Nahost und Afrika wollen ganz offenbar auch nicht nach westlichen Vorstellungen leben. Sie wollen unsere finanzielle Unterstützung oder als Migranten in unsere Sozialsysteme einwandern!

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland weiß das, und hat schon im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise 2015 festgestellt: „Die Europäische Union zahlt nun die Zeche für ihre fehlerhafte und zögerliche Politik während des Arabischen Frühlings in Nordafrika und Nahost.“ Denn während der Umbrüche in der arabischen Welt hätte es einen „Marschallplan für den Nahen Osten“ zur politischen und wirtschaftlichen Unterstützung der betroffenen Länder gebraucht. Stattdessen seien die Staaten sich selbst überlassen worden. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland ist wenigstens ehrlich, es geht nicht um Demokratie, sondern ausschließlich um unser Geld und um Wirtschaftshilfe.

Souveräne muslimische Staaten, die ernst genommen werden wollen, sind aber doch zunächst einmal für ihre Bevölkerung und deren Wohlergehen sowie positive Entwicklung selbst verantwortlich. Wenn sie Unterstützung brauchen, dann sollen sie gezielt darum bitten. Die westliche Welt hat hier keine Bringschuld. Die muslimische Welt in Nahost und in Afrika hat sich teilweise in der Arabischen Liga und in der Afrikanischen Union organisiert. Diese Organisationen sind zuständig für Konfliktregelungen in den jeweiligen Regionen und sollten ihrer Verantwortung gerecht werden und alle Anstrengungen unternehmen, dass die Kriege und das Leid der Menschen beendet werden. Muslimische Flüchtlinge vor islamistischem Terror sollten in der islamischen Welt mit ähnlicher Kultur aufgefangen und versorgt werden. Flüchtlinge aufgrund von Religionskriegen unterschiedlicher muslimischer Glaubensrichtungen sollten in Ländern mit der von den Flüchtlingen gewünschten Glaubensrichtung aufgenommen werden. Die muslimische Welt muss ihre Probleme eigenverantwortlich und aus eigener Kraft lösen. Der Islam muss aus dem Mittelalter selbst herausfinden – wenn er will. Und der Zentralrat der Muslime in Deutschland sollte seine muslimischen Brüder in Nahost und Afrika dazu aufrufen, in ihrem Kulturkreis zu bleiben und dort an Aufbau und Entwicklung mitzuarbeiten.

Die Europäische Union kann und sollte den souveränen muslimischen Ländern die Verantwortung für ihre Entwicklung nicht abnehmen. Die EU muss vielmehr politisch aktiv werden, um die Fluchtursachen in den Krisenregionen zu lindern und die Nachbarstaaten von Bürgerkriegsländern und zerfallenden Staaten besser zu befähigen, die Flüchtlinge menschenwürdig heimat- und kulturnah unterzubringen. Die EU muss ihre Außengrenzen besser sichern und den politischen und strategischen Rahmen für die Bewältigung der Flüchtlingskrise schaffen, das Detail ist durch die Mitgliedstaaten entsprechend der gemeinsamen Standards zu regeln. Und die EU muss die Einhaltung von Recht und Gesetz und der gültigen gemeinsamen Regeln innerhalb der EU durchsetzen.

Und unter solchen Rahmenbedingungen sollten auch die anstehenden und zukünftigen Entscheidungen in der Flüchtlings-, Asyl- und Migrationspolitik durch eine gemeinsam handelnde EU getroffen werden. Wenn der muslimische Autokrat und türkische Präsident Erdogan bewusst mit verbrecherischen Schleppern zusammenarbeitet, dazu die Grenzen öffnet und die muslimischen Migranten zur Flucht verleitet und dann die Not von Flüchtlingen ausnutzt, um Europa um Geld und nicht gerechtfertigte Zugeständnisse im Zusammenhang mit den Beitrittsverhandlungen zur EU zu erpressen, dann ist der richtige Gesprächspartner ausschließlich die EU-Kommission und nicht die unterwürfige Frau Merkel. In dem Zusammenhang wäre es auch nicht richtig, wenn Deutschland erneut in einer großherzigen Vorreiterrolle 1.500 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus der Ägäis aufnimmt, denn ein solcher – erneuter – Alleingang würde die Spaltung der Europäischen Union vertiefen und nationalistische und unsolidarische Regierungen in der EU stärken. Darüber hinaus wäre es derzeit nicht zu verantworten, solche Kinder und Jugendliche dem ansteckenden Corona-Virus und den daraus folgenden äußerst stark eingeschränkten Lebensumständen auszusetzen.

Und es muss grundsätzlich entschieden werden, dass man für solche Kinder nur einen zeitlich begrenzten Aufenthalt vorsieht und keinen Familiennachzug, sondern die Rückführung in ihre Herkunftsländer. Denn unter den derzeit in Deutschland lebenden Flüchtlingen sind etwa 40 bis 50 Prozent, die keine Anerkennung als Asylsuchende zu erwarten haben, darunter auch Minderjährige. Wenn man deren Familien nachziehen lässt, vergrößert man das Problem späterer Abschiebung ganz erheblich. Wenn man die häufig sehr zahlreichen Familienangehörigen der vielen allein reisenden jungen Männer schnell nachziehen lassen würde, vergrößerte sich auch der Druck auf unsere Bildungs- und Sozialsysteme um ein Vielfaches. Darüber hinaus muss man sich Gedanken machen, ob man die Familienangehörigen von unbegleitet einreisenden Minderjährigen überhaupt in Deutschland haben und integrieren will.

Denn wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder, für deren Wohlergehen und für deren Schutz sie verantwortlich sind, unbeaufsichtigt auf eine höchst gefährliche Reise vorausschicken und dabei den möglichen Tod, die mögliche Verschleppung und den möglichen Missbrauch ihrer Kinder in Kauf nehmen, dann handeln sie in höchstem Maße unverantwortlich und unwürdig, wenn nicht gar kriminell. Solche unverantwortlich handelnden Familienangehörigen sollten wir in Deutschland nicht haben wollen, denn entsprechend schlimmen deutschen Eltern würde die Erziehungsberechtigung entzogen, um eine bessere Zukunft für die Kinder zu gewährleisten. Der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland muss daher weiterhin möglichst begrenzt und nicht ausgeweitet werden. Der Zuzug von unverantwortlich handelnden Familienangehörigen muss verhindert werden!

Wenn also 1.500 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus der Ägäis in der EU aufgenommen werden sollen, dann unter Leitung der EU und mit fairer Verteilung auf die Mitgliedsländer. Die EU muss die Erpressung Erdogans als Weckruf begreifen und ihre Außengrenzen strenger kontrollieren. Außerdem sollte die EU von Frontex geführte Sammelzentren für Migranten und Flüchtlinge im Zuge der Grenzen einrichten, wo Flüchtlinge und Migranten im Hinblick auf ihre Asyl-Chancen geprüft werden können. Die EU muss sich endlich zu gemeinsamem Handeln gegenüber der muslimischen Welt aufraffen!

(17.03.2020)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/abschiebungen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/augenwischerei.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/konzeptionslos.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/demokratischewerte.html

 

 

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