Hans-Heinrich Dieter

 Lame duck Macron (09.07.2024)

 

2017 hat Macron mit seiner Europa-Rede viel Aufsehen erregt. Der damals frisch ins Amt gewählte Präsident hat an der Universität Sorbonne eine ambitionierte Vision für ein souveränes Europa entworfen. Macron hat sich damals insbesondere für eine stärkere Souveränität der EU und eine gemeinsame Verteidigungspolitik ausgesprochen. Bis heute ist aus seiner „ambitionierten Vision“ nahezu nichts realisiert.

Bei der zweiten Auflage seiner Sorbonne-Rede trat im April 2024 ein ziemlich erfolgloser Präsident der Grande Nation auf. Kurz vor den Wahlen zum Europa-Parlament lag Macrons Lager Meinungsforschern zufolge weit abgeschlagen hinter dem rechtspopulistischen Rassemblement National, der in Umfragen auf etwa 30 Prozent kommen könnte. Macron bekommt außerdem seine Haushaltsprobleme nicht in den Griff. Das Haushaltsdefizit steigt auf 5,5 Prozent, die Staatsschulden auf rund 3.160 Milliarden Euro - das sind 111 Prozent des Bruttosozialproduktes. Damit nimmt das Land in der EU einen Spitzenplatz ein. Tatsache ist, dass Frankreich nach Griechenland und Italien das am höchsten verschuldete Land der EU ist. Und Frankreich ist nicht einmal unter den ersten zehn EU-Unterstützern für die Ukraine. Macron und seine Grande Nation haben also keinen Grund, „dicke Backen“ zu machen. Auch mit seiner zweiten Sorbonne-Rede hat Macron nichts bewirkt, die Mehrheit der Franzosen hat ihm nicht geglaubt und das Vertrauen in den Präsidenten verloren!

Deswegen hat Macron mit seiner Partei Renaissance (RE) die Europa-Wahl verloren. Stärkste Kraft wurde Le Pen mit dem Rassemblement National (RN). Da hat Macron die Nerven verloren, das Parlament aufgelöst und sehr kurzfristig Neuwahlen angesetzt. Sein Ziel war wohl, den rechtsextremen RN diese Parlamentswahl verlieren zu lassen. Dieses Ziel hat er nicht wirklich erreicht. Denn stärkste Kraft ist ein Linksbündnis mit der linksextremen Führungsfigur Mélenchon geworden und das Regierungslager nur Zweiter. Le Pen hat zwar nur den dritten Platz, aber deutlich Stimmen dazugewonnen. Der Rechtsruck wirkt sich auch in Frankreich weiter aus. Macron ist ein stark angeschlagener und stark handlungseingeschränkter Präsident!

Die EU ist erleichtert, dass Le Pens RN die Parlamentswahl in Frankreich nicht gewonnen hat. Doch in die Erleichterung mischt sich das Wissen, dass sich Frankreichs Rolle in der EU verändern wird. Denn in der französischen Präsidial-Demokratie mit einem Mehrheitswahlrecht ist man an Koalitionsbildungen nicht gewöhnt und die drei Lager stehen sich vorwiegend feindlich gegenüber. Und man stelle sich einmal vor, dass Macron bald einen linken Volksfront-Premier oder eine RN-Premierministerin – beide sind EU und NATO-feindlich - ernennen müsste. Und wenn die Partei Renaissance (RE) von Macron nur eine Minderheit im Parlament darstellt, kann man sich auch nicht vorstellen, dass die großen Probleme Frankreichs in nächster Zeit gelöst werden können.

Denn nur in der Außenpolitik und auf dem internationalen Parkett hat Macron nach wie vor das Sagen, nur hier kann der Präsident unangefochten agieren. Schwieriger dürfte das für Macron bei der Neubesetzung wichtiger EU-Spitzenpositionen werden und eine geschäftsführende Regierung könnte im EU-Rat kaum Beschlüsse umsetzen, die der französischen Parlamentsmehrheit nicht passen - oder auch nur eigene EU-Initiativen entwickeln. Die neue Minderheitsregierung müsste sich auch sofort mit der Finanzkrise beschäftigen, denn die EU-Kommission hat ein Verfahren wegen der extrem hohen Verschuldung des Landes eingeleitet. Macron hatte Brüssel zwar Einsparungen angekündigt, - mindestens 30 Milliarden Euro - das dürfte nun aber schwierig werden, denn das erstarkte Linksbündnis fordert eine bessere Sozialpolitik und eine Rücknahme der Rentenreform, die mit Macrons Sparplänen nicht in Einklang zu bringen sind. Wenn aber kein Sparplan nach Brüssel geliefert werden kann, drohen hohe EU-Sanktionen, die auch durchzusetzen wären.

Die Grande Nation hat einen angeschlagenen Präsidenten, der seine in den Sorbonne-Reden verbreiteten Illusionen nicht im Ansatz verwirklichen kann. Das wirtschaftsschwache und hochverschuldete Frankreich wird seine ebenfalls eingeschränkt verteidigungsfähigen Streitkräfte nur unzureichend aufrüsten können. Und solange die Grande Nation militärisch so eingeschränkt interventionsfähig ist und im Vergleich zu Russland nur sehr marginale Nuklearfähigkeiten besitzt, sollte Macron sich nicht um die Abgrenzung von den USA bemühen, sondern um eine verbesserte Zusammenarbeit, um den US-Nuklearschirm für Europa zu erhalten. Frankreich wird wohl keine handlungsstarke Koalition aus Teilen der verfeindeten Lager bilden können und deswegen mit einer Minderheitsregierung eingeschränkt handlungsfähig bleiben. Und das wird sich auch auf die deutsch-französische Zusammenarbeit für die EU auswirken.

Beim NATO-Gipfel in Washington kann man erste Eindrücke von der veränderten Rolle Frankreichs gewinnen!

(09.07.2024)

 

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