Hans-Heinrich Dieter

Hochstaplerischer Illusionist Macron   (17.11.2020)

 

Der französische PrĂ€sident Macron hat die EU-Partner aufgefordert, das Ziel einer strategischen Autonomie Europas konsequent weiterzuverfolgen. Und er hat in dem Zusammenhang die deutsche Verteidigungsministerin scharf kritisiert, weil sie in einem Beitrag fĂŒr „Politico“ festgestellt hat: „Illusionen ĂŒber eine europĂ€ische strategische Autonomie mĂŒssen enden.“ Macron hĂ€lt das fĂŒr eine „historische Fehlinterpretation“! Da fragt man sich, von welcher „Historie“ Macron spricht, wo es doch bei der „strategischen Autonomie Europas“ nur um die mittel- bis langfristige Zukunft gehen kann.

Und was treibt Macron, wenn er die NATO fĂŒr „hirntod“ erklĂ€rt, wenn er sich liebedienerisch und ohne Absprache mit EU-Partnern Putin an den Hals wirft und der Abkopplung der EuropĂ€er von den USA das Wort redet? Kramp-Karrenbauer hat recht, wenn sie die großspurige Rederei ĂŒber „europĂ€ische strategische Autonomie“ fĂŒr eine Illusion hĂ€lt!

FĂŒr europĂ€ische strategische Autonomie braucht es eine handlungsfĂ€hige EU mit der BefĂ€higung zur MachtausĂŒbung. Die EuropĂ€ische Union, und damit auch Europa, ist aber in einem bedauernswerten, ja geradezu mitleiderregenden Zustand. Die Finanzkrise ist immer noch nicht vollstĂ€ndig ĂŒberwunden, die Staatsverschuldung ist in den meisten Mitgliedstaaten nicht im Griff, die massiven Strukturprobleme der meisten EU-Staaten sind nicht oder nur unzureichend behoben und die FlĂŒchtlingsproblematik spaltet Europa mehrfach und nachhaltig. In der Pandemie hat die EU erst sehr spĂ€t zu einigermaßen gemeinsamem Handeln gefunden. Mit einem massiven Schuldenprogramm hat sich die EU von ihren Prinzipien verabschiedet und entwickelt sich zu einer Schulden-, Fiskal- und Transferunion. Bei der KrisenbewĂ€ltigung in Syrien und in Libyen ist die EU nicht erfolgreich. Der Streit zwischen der TĂŒrkei und Griechenland um Seegebiete im östlichen Mittelmeer ist noch nicht beigelegt und insgesamt findet die EU nicht zu einer politisch angemessenen und wĂŒrdevollen Haltung gegenĂŒber der TĂŒrkei – in RealitĂ€t zeigt sich die EU immer wieder anfĂ€llig fĂŒr die politischen Erpressungen Erdogans. Bei der UnterstĂŒtzung der Opposition in Belarus war die EU sehr zögerlich und hat nun endlich einen Sanktionskompromiss gefunden. Die EU hat noch keinen bis 2027 gĂŒltigen Haushalt beschließen können und bis jetzt hat sich die deutsche RatsprĂ€sidentschaft - fĂŒr viele EU-BĂŒrger enttĂ€uschend – geringfĂŒgig ausgewirkt. Die EuropĂ€ische Union hat so massiv an Ansehen verloren und wird als Partner in der Weltpolitik sehr wenig ernst genommen. Das muss sich Ă€ndern, denn die EU wird in unserer „aus den Fugen geratenen Welt“ mehr denn je als handlungsfĂ€higer geopolitischer Akteur gebraucht – davon ist die EU noch weit entfernt.

Und zur europĂ€ischen strategischen Autonomie – auch in der Sicherheitspolitik - braucht die EU eine gemeinsame Außenpolitik und Mitgliedstaaten mit einsatzbereiten StreitkrĂ€ften. Deutschland hat sich als wirtschaftsstĂ€rkste Mittelmacht zu einem sicherheitspolitischen Zwerg zurĂŒckentwickelt, der seine „Parlamentsarmee“ nach der Wiedervereinigung derart kaputtgespart hat, dass es bei entsprechender mittelfristiger Finanzplanung mindestens bis 2031 dauern wird, bis die StreitkrĂ€fte wieder eine EinsatzfĂ€higkeit haben werden, die im Hinblick auf die BĂŒndnisverteidigung wieder dem Artikel 5 des NATO-Vertrages entspricht. Da muss ein Beitrag zu einer einsatzfĂ€higen – oder gar interventionsfĂ€higen - EuropĂ€ischen Armee zurĂŒckstehen. Deutschland muss vielmehr alles daran setzen, um in der EU und in der NATO wieder ein glaubhafter und verlĂ€sslicher Partner zu werden, der seine Vereinbarungen erfĂŒllt, sich bei schwierigen MilitĂ€reinsĂ€tzen nicht verweigert, seine Energiepolitik mit der EU besser abstimmt und sich insgesamt stĂ€rker in eine gemeinsame EU-Politik einbringt. Deutschland fehlt es aber leider derzeit noch an militĂ€rischen FĂ€higkeiten und bei vielen BĂŒrgern und Politikern auch am politischen Willen zu einem verantwortungsbewussten sicherheitspolitischen Engagement in der EU und mit der NATO!

Als einziges EU-Mitglied verfĂŒgt Frankreich ĂŒber vergleichsweise marginale NuklearfĂ€higkeiten und mit einem FlugzeugtrĂ€ger ĂŒber stark eingeschrĂ€nkte InterventionsfĂ€higkeiten. Der Wille der Grande Nation zur Intervention hauptsĂ€chlich in den ehemaligen französischen Kolonien ist grundsĂ€tzlich vorhanden, die FĂ€higkeiten der Grande ArmĂ©e sind aber auch sehr begrenzt. Die anderen EU-Mitglieder verfĂŒgen ebenfalls nur ĂŒber stark eingeschrĂ€nkte militĂ€rische FĂ€higkeiten, die eventuelle europĂ€ische InterventionsaktivitĂ€ten nur sehr unzureichend unterstĂŒtzen könnten.

Die NATO hat daher fĂŒr die Sicherheit Europas weiterhin die grĂ¶ĂŸte Bedeutung. Die USA - nach Trump - werden sehr wahrscheinlich Mitglied der NATO bleiben und weiterhin – schon durch die Gegnerschaft zu Russland begrĂŒndet - ihren nuklearen Schirm ĂŒber die transatlantische Allianz spannen, aber europĂ€ische Interessen dabei möglicherweise nicht mehr so berĂŒcksichtigen wie bisher. Deswegen muss die NATO unbedingt als militĂ€risches BĂŒndnis mit einem verstĂ€rkten europĂ€ischen Einfluss erhalten werden, das gesamtpolitisch agiert und den Dialog sowie die Zusammenarbeit der Demokratien beiderseits des Atlantiks aktiv hĂ€lt und zur Koordinierung der Politik im Sinne unserer westlichen Wertordnung beitrĂ€gt. Die europĂ€ischen NATO-Mitgliedstaaten mĂŒssen aber fĂŒr ihre Selbstbehauptung und Ă€ußeren Sicherheit deutlich mehr tun, sich so vom militĂ€rischen Schutz der Amerikaner unabhĂ€ngiger machen und sie mĂŒssen berechtigte Bedingungen der USA fĂŒr die weitere Zusammenarbeit in der NATO mittelfristig anerkennen. Eine europĂ€ische InterventionsfĂ€higkeit als Grundlage fĂŒr eine europĂ€ische strategische SouverĂ€nitĂ€t wird sich allenfalls nur sehr langfristig entwickeln lassen!

Solange die Grande Nation militĂ€risch so eingeschrĂ€nkt interventionsfĂ€hig ist und im Vergleich zu Russland nur sehr marginale NuklearfĂ€higkeiten besitzt, sollte Macron sich bei Äußerungen im Zusammenhang mit der NATO und der sicherheitspolitischen Zukunft der EU zurĂŒckhalten und sich mit der EU und ihren Mitgliedern besser abstimmen. In der EU gibt es Spalter genug, da muss sich Macron nicht zusĂ€tzlich als sicherheitspolitischer Spalter zu profilieren suchen!

(17.11.2020)

 

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