Hans-Heinrich Dieter

Kampfpanzer für die Ukraine?  (12.01.2023)

 

Die Debatte um eine Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine nimmt Fahrt auf. Die polnische Regierung hat eine breite Koalition mehrerer Länder zur Ãœbergabe moderner Panzer wie etwa deutsche Leoparden angeregt – allerdings ohne das mit Deutschland, das ja für die Genehmigung solcher Waffenlieferungen zuständig ist, abzusprechen.

Nach der amerikanisch-deutschen Entscheidung für die Lieferung von Schützenpanzern war von Politikern der Grünen und der FDP sowie der oppositionellen Union gefordert worden, der Ukraine auch den Kampfpanzer Leopard zu überlassen. Sogar der grüne Habeck ließ am Sonntagabend erkennen, dass eine Lieferung von Leopard-1- oder Leopard-2-Panzern nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Bundesregierung hat sich bisher bereiterklärt, der Ukraine 40 Schützenpanzer Marder zu überlassen.

Im Gefecht verbundener Waffen arbeiten Kampf- und Schützenpanzer eng zusammen und ergänzen sich mit ihrer unterschiedlichen Feuerkraft. Dabei sind Kampfpanzer deutlich schwerer bewaffnet und schlagkräftiger als Schützenpanzer. Vom Kampfpanzer Leopard 2 wurden insgesamt mehr als 3600 Stück gebaut, darunter mehr als 2000 in der nun älteren Version Leopard 2A4. Sie werden in zahlreichen Ländern genutzt. Mögliche europäische Partner in einer gemeinsamen Lieferung könnten neben Polen auch Finnland und Spanien sein. Die Bundeswehr selbst hat für das Jahr 2025 einen Zielbestand von 320 Kampfpanzern Leopard 2A7V, aber selbst alle älteren Modelle wie die Version 2A4 abgegeben. Die Bundeswehr braucht ihren verfügbaren Bestand an Leopard 2 für die Gewährleistung der Einsatzfähigkeit ihrer aktiven Bataillone im Rahmen der NATO-Bündnisverteidigung. Jede Abgabe würde die Einsatzfähigkeit deutscher Truppenteile wie zum Beispiel der Panzergrenadierbrigade 37 als Leitverband für die multinationalen Landanteile der NATO Very High Readiness Force schwächen. Das kann nicht unser Ziel sein.

Daher ist die Haltung der NATO unverändert richtig, sich nicht in den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hineinziehen zu lassen. Die NATO und die EU müssen gemeinsam handeln und Deutschland muss das gemeinsame Handeln auch im Zusammenhang mit der Unterstützung der Ukraine nach Kräften und Möglichkeiten unterstützen. In diesem Zusammenhang handelt Kanzler Scholz vernünftig, wenn er jegliche Alleingänge ablehnt und zum Ausdruck bringt, dass Deutschland gerade eine sehr weitreichende Entscheidung getroffen hat, in enger Absprache mit unseren amerikanischen und französischen Freunden jetzt Schützenpanzer zu liefern. Weitergehende Entscheidungen müssten besprochen werden. Und auch Verteidigungsministerin Lambrecht schließt die Lieferung deutscher Kampfpanzer vom Typ Leopard an die Ukraine nun nicht mehr aus. Alleingänge Deutschlands werde es aber nicht geben, bekräftigt sie.

Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Lage in Europa grundlegend verändert. Russland ist Feind der Ukraine und aggressiver Gegner Europas, der sich zum Feind Europas entwickeln kann. Russland hat sein Ziel einer schnellen Eroberung und Unterjochung der Ukraine nicht erreicht. Die russischen Streitkräfte haben sich als sehr viel weniger kriegstüchtig erwiesen als vermutet und wurden teilweise durch die patriotisch sehr tapfer und mutig kämpfenden ukrainischen Truppen zurückgedrängt. Beide Seiten haben jeweils aber nur Teilerfolge erzielt.

Wenn die Ukraine als souveräne Nation überleben will, muss sie daher alles dafür Notwendige tun. Die Ukraine muss jede nur erdenkliche Unterstützung fordern, um im Kampf gegen Russland weiterhin bestehen zu können. Tut sie dies nicht, hört sie als Staat auf zu existieren. Die Ukraine kämpft um ihr Ãœberleben. Die russische Seite geht hingegen noch massiver – vor allem auch gegen zivile Infrastruktur – vor und da braucht die Ukraine die Unterstützung des Westens dringend. Ohne diese kann die Ukraine nicht weiterkämpfen oder den Konflikt zu eigenen Gunsten wenden. Daher müssen wir nach Kräften vernünftig unterstützen, denn ohne nachhaltige Erfolge der Ukraine wird Putin nicht zu Friedensverhandlungen zu bewegen sein. Dieser Krieg wird wahrscheinlich nur auf dem Gefechtsfeld entschieden und beendet werden können.

Deswegen muss der Westen seine Ängste überwinden: die Angst vor einem wirtschaftlichen Niedergang in Europa, die Angst vor einer nuklearen Katastrophe und die Angst vor einer Migrationswelle als Folge einer globalen Hungersnot. Weil der Krieg um die Ukraine auch nachhaltige Folgen für unsere europäischen Gesellschaften haben wird, müssen wir uns als EU und NATO zusammen trauen, die Ukraine nach Kräften und mit strategischem Weitblick zu unterstützen: Wir müssen gemeinsam Kampfpanzer liefern ohne unsere eigene Einsatzfähigkeit nachhaltig einzuschränken. Für Deutschland heißt das so viele Leopard 1 liefern wie möglich aber keine Leopard 2. Wir müssen die Flugabwehr und die Fliegerabwehr der Ukraine so weitgehend wie möglich unterstützen, um die weitere Zerstörung der zivilen Infrastruktur im erträglichen Rahmen zu halten. Wir müssen große Ausbildungsanstrengungen unternehmen, um die ukrainischen Streitkräfte schnellstmöglich mit den neuen Waffen gefechtstüchtig zu machen. Und wir müssen Russland durch konsequente Anwendung der EU-Sanktionen und durch erkennbare Steigerung der Einsatzfähigkeit der NATO deutlich machen, dass er den EURO-Atlantischen Raum nicht mit Erfolg angreifen kann - auch nicht mit hybriden Maßnahmen oder Cyber-Attacken. EU und NATO müssen sich Seite an Seite unerschütterlich und stark zeigen!

Putin muss wissen, dass wir ihn als verachtungswürdigen Gegner sehen und seine Feindschaft nicht fürchten. Und er muss wissen, dass wir die Ukraine gemeinsam weiter nach Kräften unterstützen, um ihre Souveränität und staatliche Integrität zu erhalten.

(12.01.2023)

 

Bei Interesse lesen sie auch den Text, der deutlich macht, wie sich die Lage seit März 2022 verändert hat: https://www.hansheinrichdieter.de/html/emotionen.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte