Hans-Heinrich Dieter

Kakophone Außenpolitik   (18.11.2023)

 

Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die vielfältig gespaltene Europäische Union zusammenwachsen lassen. Das heißt aber nicht, dass die EU außen- und sicherheitspolitisch inzwischen mit einer Sprache spricht und gemeinsam handelt. Der anfängliche Schreck, dass in Europa wieder Krieg herrscht, hat zunächst eine erstaunliche Geschlossenheit erzeugt, aber nun ist vielstimmige Außen- und Sicherheitspolitik wieder alltäglich. Und im aktuellen Gaza-Krieg Israels gegen die verbrecherischen Hamas-Terroristen können sich die EU-Mitgliedstaaten nicht einmal ansatzweise auf eine gemeinsame Linie verständigen. Das beste Beispiel für diese Misere war das Verhalten der EU-Mitglieder als es um eine UNO-Resolution ging, die den Hamas-Terror nur halbherzig verurteilte, da reichte die Bandbreite der europäischen Kakophonie von Zustimmung über Enthaltung bis zur Ablehnung.

Dieses peinliche Verhalten der europäischen Wertegemeinschaft wird dadurch möglich, dass es wohl seit 1993 den Begriff einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) gibt, aber keine real definierte und angewandte gemeinsame diesbezügliche Politik der EU. Dazu kommt ein zunehmend nationalistisches Verhalten einzelner Mitglieder und die Strukturschwäche der EU, die für gemeinsames Handeln in der Außen- und Sicherheitspolitik Einstimmigkeit voraussetzt.

Und so reiste Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Israel und vertrat einen proisraelischen Kurs - und erntete Kritik, Kanzler Scholz reiste nach Israel und modifizierte seine Aussagen moderater, Außenministerin Baerbock reiste natürlich auch nach Israel und hatte einen eher feministischen Zungenschlag, der deutlich machte, dass Deutschland nicht die gleiche Sprache spricht, bzw. nicht in der Lage ist, eine gemeinsame Sprachregelung zu finden, die dann auch vom Bundestag mitgetragen wird. Und Macron äußert sich natürlich auch zum Gaza-Krieg und verwirrte Europa, Israel und auch Teile der Franzosen mit wechselnden Positionen zum Kriegsgeschehen: Erst Solidarität mit Israel, dann harte Worte zum Vorgehen der israelischen Armee in Gaza bis hin zur Forderung nach einem Waffenstillstand, der von Israel nicht akzeptiert werden kann. Und so gibt die EU insgesamt kein wirklich positives Bild ab, weder im Ukraine-Krieg noch im Nahen Osten.

Dabei wird eine handlungsfähige EU mehr denn je gebraucht, weil die UNO im Weltsicherheitsrat durch die zerstrittenen Vetomächte blockiert ist und ihren globalen Auftrag zur Friedenserhaltung wohl auf längere Sicht nicht erfüllen kann. Der ehemalige Weltpolizist USA ist innenpolitisch tief gespalten und wird erkennbar in nächster Zeit weniger zur globalen Krisenbewältigung beitragen können und auch wollen. Außerdem sind die USA zunehmend im Pazifik engagiert und mit einem außen-, sicherheits- und handelspolitischen Konkurrenzkampf mit China stark ausgelastet. Und auch der Vorwahlkampf in den Vereinigten Staaten sowie der Zustand der Demokratie und die erkennbar stark eingeschränkte politische Bildung großer Teile der Bevölkerung bieten auch keinen Anlass zur Zuversicht.

In Zeiten in denen die blockierte UNO als weltpolitischer Akteur immer stärker an Gewicht und Einfluss verliert, muss die Europäische Union sich zu einem international anerkannten, wirksamen und glaubwürdigen Machtfaktor mit „Weltpolitikfähigkeit“ entwickeln. Dazu muss die EU reformiert und handlungsfähig werden, um außen- und sicherheitspolitisch global wirksam werden zu können. Nur eine handlungsfähige EU wird sich glaubwürdig in die Bemühungen um eine mögliche Friedensregelung in Nahost einbringen können. Und eine handlungsfähige EU muss die Ukraine so unterstützen, dass Russland nicht gewinnt, sowie Israel so unterstützen, dass der palästinensische Terror beendet wird.

Die EU muss dazu gemeinsame politische Ziele definieren und gemeinsam strategisch denken lernen, um außenpolitisch handlungsfähig zu werden. Um auch sicherheitspolitisch mitwirken zu können, sollte die EU mit der NATO sehr eng zusammenarbeiten, um für Europa eine Außen- und Sicherheitspolitik im Gleichklang gestalten zu können. Dadurch könnten die USA in Europa – mit Ausnahme des nuklearen Schutzschirms – entlastet werden, um sich mehr auf den Pazifik konzentrieren zu können.

Eine außenpolitisch handlungsfähige, sicherheitspolitisch eng mit der NATO kooperierende EU wird mehr denn je für die Erhaltung unseres Friedens in Freiheit gebraucht. Dazu brauchen wir weniger Sonntagsreden und mehr strategisch durchdachtes tatkräftiges Handeln!

(18.11.2023)

 

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