Hans-Heinrich Dieter

Jüdischer Nationalstaat Israel   (12.08.2018)

 

Im Juli 2018 wurde ein Gesetz verabschiedet, das Israels Status als jüdischen Nationalstaat verankert. Hebräisch wird zur offiziellen Landessprache erklärt, während Arabisch - bisher zweite Amtssprache - nur noch einen Sonderstatus erhält. Jerusalem wird als Hauptstadt Israels bestimmt und außerdem soll der Bau jüdischer Gemeinden besonders gefördert werden.

In der vergangenen Woche haben drusische Armeeangehörige in Tel Aviv zu einer Demonstration gegen das Gesetz aufgerufen und zehntausende israelische Bürger gegen Diskriminierung, Rassismus und zunehmenden Nationalismus mobilisiert. Die Drusen sind eine islamische Minderheit in Israel, sie sind sehr patriotisch eingestellt, dienen traditionell besonders häufig in den israelischen Streitkräften und fühlen sich durch das Gesetz herabgewürdigt. Es ist erfreulich, dass auch so viele jüdische Israelis öffentlich für ein demokratisches Israel eintreten.

Nun sind am Wochenende erneut zehntausende arabische Israelis, unterstützt durch sehr zahlreiche jüdische israelische Bürger, in Tel Aviv gegen das Nationalitätsgesetz auf die Straßen gegangen, um gegen den Niedergang der Demokratie und die Spaltung des Landes zu demonstrieren. Denn die arabischstämmigen Israelis fühlen sich mit Recht diskriminiert und als Bürger 2. Klasse. Auch wenn der ursprüngliche Entwurf des „Nationalitätsgesetzes“ deutlich entschärft wurde, müssen sich die nichtjüdischen Minderheiten in einem regelrechten „jüdischen Apartheidsstaat“ diskriminiert fühlen.

Ein besonders umstrittener Paragraph sollte ursprünglich sogar die Errichtung ausschließlich jüdischer Wohnorte ermöglichen. Gemeinden hätten dann Menschen etwa wegen ihrer Religion oder Nationalität ausschließen können. Israels Generalstaatsanwalt hatte allerdings vor internationalen Konsequenzen gewarnt, wenn das Gesetz in der zunächst diskutierten Form verabschiedet werden sollte. Und auch Präsident Rivlin hatte sich deutlich gegen den ursprünglichen Entwurf des Gesetzes positioniert. Es spricht gegen die vorwiegend rechtsradikale israelische Regierung, dass ein rassistischer Entwurf verfasst wurde, aber es spricht durchaus für Israels Demokratie, dass offen rassistische Passagen in solchen Entwürfen, die ethnisch und religiös getrennte Ortschaften erlaubten, zumindest abgemildert wurden. Allerdings hat Israel, offensichtlich der Idee „Israel den Juden“ folgend, und anders als in den Verträgen von Oslo vereinbart, im besetzten Westjordanland nicht sukzessive Macht an die Palästinenser auf dem Weg zu einer wirklichen Autonomie abgegeben, sondern an die jüdischen Siedler. Das Nationalstaatsgesetz soll also auch die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik Israels unterstützen.

Und wenn durch das neue Gesetz quasi nur dem jüdischen Volk das Recht auf nationale Selbstbestimmung zugestanden wird und der Rest der israelischen Bevölkerung unberücksichtigt bleibt, dann werden doch etwa 20 Prozent israelischer und steuerzahlender Bürger durch die Verfassung missachtet. Wenn die Verfassung darüber hinaus jüdische Besiedlung zu einem nationalen Wert erklärt und die besetzten Gebiete des Westjordanlandes davon nicht ausnimmt, dann lässt das eine Auslegung zu, nach der Juden im Bau- und im Wohnrecht Vorrang vor israelischen Bürgern anderer Religionszugehörigkeit und vor Palästinensern genießen. Israel entfernt sich so von rechtsstaatlichen Werten und schafft weitere Voraussetzungen für fortdauernde und friedensfeindliche Völkerrechtsverletzungen.

Die israelische Unabhängigkeitserklärung von 1948 spricht der arabischen, muslimischen und christlichen Minderheit das Recht auf Gleichheit ausdrücklich zu und sucht gute Beziehungen zu allen benachbarten Völkern. Sie ist Ausdruck des ursprünglich sehr guten Geistes, in dem Israel gegründet wurde. Diese Unabhängigkeitserklärung sollte auch weiterhin die Grundlage für die Weiterentwicklung eines demokratischen Staates Israel sein! Israel ist allerdings auf einem anderen und schlechten Weg!

So wichtig es einerseits ist, bei uns in Deutschland antisemitische Tendenzen und Aktivitäten klar zu verurteilen, so wichtig ist es andererseits, den Staat Israel zu kritisieren bei antipalästinensischen, antiarabischen und diskriminierenden Systemveränderungen. Im Zusammenhang mit dem „Nationalitätsgesetz“ wird der links-grüne Mainstream berechtigte deutsche Kritik allerdings kaum – wie üblich - als antisemitisch verunglimpfen können, wenn selbst Präsident Rivlin gegen ein solches Gesetz ist!

(12.08.2018)

 

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http://www.md-office-compact.de/Israel.htm

 

 

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