Hans-Heinrich Dieter

Netanjahu gegen Frieden in Nahost   (15.01.2017)

 

Frankreich bemüht sich seit Monaten um neue Impulse für eine Lösung des festgefahrenen Nahostkonfliktes. Auf einer ersten Nahost-Konferenz in Paris mit rund 30 Ländern und Organisationen im Juni 2016 hatten sich die Teilnehmer deshalb verständigt, Anreize zu erarbeiten, um Israelis und Palästinenser zu neuen Gesprächen zu bewegen. Israel hat eine Teilnahme verweigert, die Palästinenser haben daraufhin auch nicht teilgenommen.

Ende Dezember 2016 hat der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2334 einstimmig beschlossen, die Israel einen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten im Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalems, vorschreibt. Die USA hatten bei der Abstimmung überraschend kein Veto eingelegt. Direkt nach dem Resolutionsbeschluss hat die israelische Regierung angekündigt, dass sie sich der beschlossenen Resolution nicht verpflichtet sehe und diese nicht umsetzen werde. Israel will sich außerdem für den „Verrat“ revanchieren und seine Beiträge für die UN drastisch kürzen.

Nun hat ein Lastwagen-Anschlag eines Palästinensers vier israelische Soldaten getötet. Israels stellvertretende Außenministerin Zipi Chotoveli griff daraufhin die internationale Gemeinschaft scharf an. Die Attacke, bei der vier israelische Soldaten getötet wurden, sei ein Beweis, dass die Palästinenser kein echtes Interesse an Frieden hätten: „Die Welt hat eine klare Antwort der Palästinenser auf die (letzte) Pariser Friedenskonferenz erhalten: mehr Terror“. Mit Schuldzuweisungen ist immer Israel schnell und selbstsicher bei der Hand. So sieht die israelische Regierung nicht etwa den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau und die 50-jährige Besatzung der Palästinensergebiete mit ihren alltäglichen Folgen sowie der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit als Ursache für die Angriffe von meist minderjährigen Palästinensern auf Israelis, sondern die sozialen Netzwerke wie Facebook. Einzeltäter würden dort radikalisiert und zur Gewalt angestachelt. Ein neues Gesetz soll deswegen der Regierung nun ermöglichen, hetzerische Posts löschen zu lassen. Justizministerin Ayelet Shaket meint dazu: „Das Gesetz hilft bei Extremfällen, wenn wir denken, der Inhalt müsse entfernt werden, aber Facebook oder andere Unternehmen sich weigern, dies zu tun. Dann können wir uns einen Gerichtsbeschluss holen und den Inhalt entfernen lassen.“ Die Ministerin kennt sich mit Aufstachelung zur Gewalt in sozialen Netzwerken gut aus. Im Sommer 2014 tauchte bei Facebook ein Post auf, in dem es hieß, nicht nur palästinensische Terroristen, sondern auch deren Mütter sollten getötet werden, damit sie nicht noch weitere Schlangen großziehen. Die Seite, auf der sich dieser Text fand, war die Facebook-Seite der heutigen Justizministerin Ayelet Schaked.

Bei der Nahost-Konferenz in Paris am 15.01.2017 mit Vertretern von etwa 70 Staaten und Organisationen sollen nun Vorschläge aufgrund der Juni-Konferenz diskutiert werden. Die Konfliktparteien werden wiederum nicht teilnehmen. Ohne Ergebnisse zu kennen hat Netanjahu Frankreich beschimpft und die bevorstehende Konferenz als „einen von den Franzosen gesponserten Betrug der Palästinenser“ bezeichnet. Israel diffamiert die internationalen Bemühungen als „international diktierte Friedensbedingungen“ und ist angeblich nur zu direkten Verhandlungen mit den Palästinensern bereit. Solche Diffamierungen reichen Netanjahu aber nicht, denn er sagte in Jerusalem, Terroranschläge zerstörten jegliche Hoffnung auf einen Frieden. Aber es gebe auch noch andere Anstrengungen, um die Hoffnung auf Frieden zu zerstören. Eine davon sei die Konferenz in Paris. Damit setzt Netanjahu die Bemühungen von über 70 Vertretern der internationalen Gemeinschaft - darunter auch Außenminister Steinmeier - mit den Auswirkungen von Terroranschlägen gleich. Das ist dreist und nicht entschuldbar! Aber Israel wird ja mit anderen Maßstäben gemessen als der größte Teil der übrigen Weltgemeinschaft. Ganz offensichtlich will dieser Netanjahu die Konferenz mit laufenden innenpolitisch motivierten Diffamierungen aussitzen und auf den Polit-Lehrling Trump warten, der das Thema Palästinenserstaat dann von der Tagesordnung nehmen soll. Dann bräuchte Netanjahu auch nicht mehr ständig vorzugeben, dass er für eine Zweistaatenlösung eintritt, wo er sich doch tagtäglich mit seiner radikalen Siedlungspolitik, durch die die Zahl der jüdischen Siedler im Westjordanland so schnell angestiegen ist wie nie zuvor, selbst Lügen straft. Israels Politik ist unter der derzeitigen rechtsradikalen Regierung nur schwer zu ertragen!

Bei der heutigen Konferenz in Paris setzten sich alle Teilnehmer für ein friedliches Nebeneinander eines israelischen und eines palästinensischen Staates ein. In dem Zusammenhang wurde natürlich die friedensfeindliche Absicht Trumps, die amerikanische Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, heftig diskutiert und kritisiert. Denn der Status von Jerusalem ist ein Hauptstreitpunkt der Konfliktparteien. Israel betrachtet Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt, die Palästinenser wollen den Osten Jerusalems, das für sie ein heiliger muslimischer Ort ist, zur Hauptstadt ihres zukünftigen Staates machen. Die Vereinigten Staaten und die meisten UN-Staaten erkennen Jerusalem als Ganzes derzeit nicht als Israels Hauptstadt an. Die Haltung Israels ist ein Friedenshindernis und die Verlegung der US-Botschaft wäre ein stark friedenshinderndes Signal. Dementsprechend stellte Bundesaußenminister Steinmeier fest, schon Trumps „Überlegungen“ einer Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem führten dazu, dass von palästinensischer Seite „Maßnahmen, Reaktionen angedroht werden“, und er betonte erneut, dass eine Zwei-Staaten-Lösung die einzige Möglichkeit für einen dauerhaften Frieden zwischen Israel und Palästinensern sei.

Israels stellvertretende Außenministerin Zipi Chotoveli hingegen sagte schon vor der Tagung: „Der einzige Weg, um Frieden in unserer Region zu erreichen, führt über den Kampf gegen den Terror“. Den Abzug der Siedler aus dem Westjordanland zu fordern sei deshalb unmoralisch. Ebenso unmoralisch sei es, einen Zusammenhang zwischen der Besatzung und den Anschlägen junger Palästinenser herzustellen.

Die Positionen sind unversöhnlich. Wenn den USA durch die mehr als 70 vertretenen Staaten bei der Konferenz in Paris klar gemacht werden kann, dass der einzige Weg zum Frieden über eine Zweistaatenlösung führt und daher auf der Grundlage der letzten UN-Resolution durch die internationale Staatengemeinschaft weiter um Frieden gerungen werden muss, dann hätte die Konferenz einen kleinen Erfolg zu verzeichnen.

Israel sollte den Terror nicht nur bekämpfen, sondern sich auch bemühen, die Ursachen für palästinensischen Terror, die teilweise auch in der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik liegen, zu überwinden. Israel vermittelt derzeit nicht den Eindruck, dass es Frieden mit den Palästinensern wirklich will. Israel schafft mit seiner Siedlungspolitik tagtäglich Fakten zur Verhinderung einer Zweistaatenlösung - und damit eines möglichen Friedens. Das sollte die Weltgemeinschaft nicht länger hinnehmen. Die UN-Resolution 2334 war auf diesem Weg ein erster wichtiger Schritt.

(15.01.2017)

 

 

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