Hans-Heinrich Dieter

IS unschädlich machen   (27.11.2015)

 

Die Politik in Deutschland wollte bisher mehrheitlich die Bedrohung der westlichen Welt durch radikale Ausprägungen des Islam nicht wahrhaben und hat lieber multi-kulti-naiv vor sich hin gegutmenschelt. Jetzt hat der IS den Terror verstärkt nach Europa getragen und beeinträchtigt auch unser Leben in Deutschland. Nach den islamistischen Verbrechen in Paris hat Kanzlerin Merkel Frankreich spontan „jedwede Unterstützung“ zugesagt.

Bei der Haushaltsdebatte hat Merkel in dieser Woche festgestellt, der „Islamische Staat“ (IS) müsse mit militärischen Mitteln bekämpft werden. Das ist eine neue Sicht der Dinge. Bei dem Treffen mit dem französischen Präsidenten Hollande deutete Kanzlerin Merkel sogar eine mögliche Ausweitung des Engagements in Syrien und im Irak an. Der Islamische Staat müsse mit militärischen Mitteln bekämpft werden, wiederholte Merkel in Paris.

Dem französischen Präsidenten reichen aber die geplante Ausweitung des deutschen Engagements zur Entlastung der Franzosen in Mali und die geringfügige Aufstockung des Ausbildungskontingentes für die Peschmerga im Irak als sehr indirekter Beitrag Deutschlands zum Kampf gegen den IS nicht. Er ist der Auffassung: „Deutschland könnte sich noch stärker im Kampf gegen die IS-Milizen in Syrien engagieren.“ Seine Forderung nach Solidarität im gemeinsamen Kampf gegen den Terror macht deutlich, dass Frankreich einen deutschen Schlachtruf: „Sieg oder Tod!“ hören möchte aber nicht den gewohnten deutschen Zusatz - „und wir fahren für Euch das Brot.“ Deutschland muss nun ernsthaft prüfen, wie es auch militärisch der von uns selbst verkündeten gestiegenen sicherheitspolitischen Verantwortung und den daraus erwachsenden, künftig steigenden Anforderungen gerecht werden will. Das wird nicht einfach werden.

Als schnelle Reaktion ist nun in Berlin der Einsatz von deutschen Aufklärungsflugzeugen vom Typ Tornado über Syrien und dem Irak auf der Grundlage eines entsprechenden robusten UN-Mandats in der Diskussion. Außerdem soll eine Fregatte den französischen Flugzeugträger im Mittelmeer schützen und es soll ein deutsches Flugzeug für Luftbetankungen bereitgestellt werden. Damit wären die ersten Ansprüche unserer Partner wohl zu befriedigen. Deutschland hätte aber damit noch nicht maßgeblich zu einem nachhaltigen Erfolg im Kampf gegen den IS beigetragen, denn es fehlt eine gemeinsame Strategie, um den IS - unterstützt und flankiert durch politische Maßnahmen - militärisch zu besiegen und da muss sich auch Deutschland einbringen.

Die politische Gemengelage ist äußerst schwierig aber die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches militärisches Vorgehen ist dadurch gegeben, dass die Vereinigten Staaten, Russland, Großbritannien und Frankreich alle den Willen geäußert haben, den „Islamischen Staat“ militärisch zu zerschlagen. Außerdem können mit dem Iran und der Türkei – trotz der Spannungen mit Russland – zwei starke Regionalmächte einbezogen werden, ferner kurdische Milizen und die schiitische Hizbollah sowie gegebenenfalls die Streitkräfte der Regierungen in Damaskus und Bagdad. Diese politische Konstellation mit erheblichen militärischen Wirkungs-Möglichkeiten arbeitet derzeit noch nicht zusammen, hier kann sich Deutschland zum Beispiel dadurch erfolgreich einbringen, dass es zwischen den USA und Russland und der Türkei und Russland vermittelt. Das Ergebnis muss eine gemeinsame politisch-militärische Strategie sein, die Grundlage ist für ein gemeinsames Konzept und einen gemeinsamen Plan zur nachhaltigen Vernichtung des IS.

Wer den IS allerdings besiegen will, muss ihn auch auf dem Boden in ihrem Herrschaftsgebiet massiv bekämpfen. Die Bodentruppen zur möglichst nachhaltigen Neutralisierung der Terroristen des Islamischen Staates müssen aber möglichst von den muslimischen, arabischen und persischen Ländern eingesetzt werden, denn westliche Truppen würden in der muslimischen Welt des Nahen und Mittleren Ostens - genau wie in Afghanistan - immer als Besatzer angesehen und von der einheimischen Bevölkerung nicht akzeptiert werden. Dazu müssen aber zunächst die politischen und religiösen Streitigkeiten und Widersprüche überwunden und die sozialen Rahmenbedingungen in den bedrohten Ländern verbessert werden.

Das wird nur mittelfristig möglich sein, denn noch führen die sunnitische und die schiitische Welt des Nahen und Mittleren Ostens in der Region mit gegenwärtigem Schwerpunkt Syrien einen Religionskrieg um die Deutungshoheit im Islam gegeneinander und die sunnitische Führungsmacht Saudi Arabien nutzt den Syrienkonflikt indirekt für den Kampf gegen den schiitischen Iran um die politische Vorherrschaft in der Region. Diese politisch-religiöse Gemengelage lässt gemeinsame Aktionen durch Bodentruppen auf längere Sicht nicht zu.

Deswegen müsste ein an der komplizierten Realität orientierter Phasenplan entwickelt werden. Zunächst muss eine Allianz aus den Vereinigten Staaten, Deutschland, Großbritannien und Frankreich unter Einbeziehung Russlands die Luftangriffe gegen Ziele des IS auf einer gemeinsamen nachrichtendienstlichen Grundlage konsequent koordinieren und die kurdischen Milizen sowie die Kräfte der moderaten Rebellen unterstützen. Dann muss der Streit zwischen Russland und der Türkei überwunden werden, um die Türkei in die Aktionen der Allianz einzubinden. Die sunnitische Türkei müsste außerdem dafür gewonnen werden, Bodentruppen gegen die IS-Terroristen einzusetzen, denn ohne Sunniten wird es in den IS-Gebieten ohnehin keinen Frieden geben. In dieser Phase muss außerdem an einer gemeinsamen Strategie gearbeitet werden, die festlegt, wie sich Syrien und die Region nach Zerschlagen des IS weiterentwickeln soll und mit welchen Mitteln und mit welchen Zeitvorstellungen diese Zielsetzung gemeinsam verwirklicht werden soll. Dabei ist unbedingt zu klären, wie die syrischen Streitkräfte als Bodentruppen im Kampf gegen den IS und das syrische Volk in die Entscheidungen über die Zukunft seines Landes einbezogen werden sollen.

Diese „Kernallianz“ muss so schnell wie möglich erkennbare militärische Erfolge gegen die Terrormiliz des IS erzielen. Politisch müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um diese Kernallianz zu erweitern - hauptsächlich um regionale Staaten, die bereit sind, sich mit Bodentruppen in die Zerschlagung des IS einzubringen. Außerdem muss eine UN-Resolution erwirkt werden als Grundlage für besser koordiniertes und gemeinsames militärisches Vorgehen.

(27.11.2015)

 

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