Hans-Heinrich Dieter

Europäische Verteidigungsunion-2   (01.07.2023)

 

Die Zusammenarbeit der NATO mit der Europäischen Union wurde angesichts der Erfahrungen mit der zunehmenden vielfältigen Aggressivität Russlands aktiviert. Im Kontext der Krisenlage 2014 und der russischen Annexion der Krim-Halbinsel kam es zu einer strategischen Neuorientierung und Intensivierung der Beziehungen zwischen EU und NATO auf der Basis komplementärer und sich ergänzender Fähigkeitsprofile. Das führte zur ersten Gemeinsamen EU-NATO-Erklärung „Joint Declaration (PDF, 95,6 KB)“ 2016 in Warschau. Mit der zweiten Vereinbarung beim NATO-Gipfel 2018 in Brüssel wurden die komplementären und sich ergänzenden Fähigkeitsprofile aktualisiert und zum Beispiel durch gemeinsame Militärübungen sowie die Zusammenarbeit im Bereich von Cybersicherheit ergänzt.

Die Arbeiten an der dritten gemeinsamen Erklärung der EU und der NATO begannen bereits 2021 und hätten eigentlich noch im selben Jahr abgeschlossen werden sollen. Abstimmungsprobleme auf beiden Seiten führten allerdings immer wieder zu Verzögerungen aufgrund des renitenten Verhaltens des Problem-NATO-Mitgliedes und untauglichen EU-Beitrittskandidaten Türkei, die bislang Vereinbarungen verhindert, die einen umfassenden und unkomplizierten Austausch von vertraulichen NATO-Informationen mit der EU ermöglichen würden. Die dritte Erklärung ist noch nicht endgefertigt, aber der völkerrechtswidrige und teilweise verbrecherisch geführte Angriffskrieg Russlands hat die Zusammenarbeit deutlich intensiviert – zum Wohle der Ukraine und der Sicherheit Europas und der Transatlantischen Verteidigungsgemeinschaft. Um diese erfreuliche Zusammenarbeit auch in Krisenzeiten erfolgreich gestalten zu können, müssen sowohl die NATO als auch die EU außen- und sicherheitspolitisch entscheidungs- und handlungsfähig sein!

Im Gegensatz zur Europäischen Union haben die NATO-Mitglieder ihrem Bündnis keinerlei Hoheitsrechte abgetreten, und Einstimmigkeit ist das grundlegende Entscheidungsprinzip. Das macht die Beratungs- und Entscheidungsprozesse innerhalb der Allianz zum Teil sehr schwierig und die NATO – wie am Beispiel der Nord-Erweiterung durch den Beitritt Finnlands und Schwedens – durch unsolidarische und untaugliche Mitglieder wie die Türkei erpressbar und handlungsunfähig.

In der EU ist Einstimmigkeit im Europäischen Rat bei einigen Angelegenheiten erforderlich, die die Mitgliedstaaten als sensibel betrachten, so zum Beispiel: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Bürgerrechte (Gewährung neuer Rechte für EU-Bürger) und EU-Mitgliedschaft. Das gibt unsolidarischen und somit untauglichen EU-Mitgliedern wie Ungarn und Polen die Möglichkeit, die EU-Kommission zu erpressen und die 25 übrigen EU-Mitglieder durch ein Veto in „Geiselhaft“ zu nehmen, wie beim letzten Gipfeltreffen im Zusammenhang mit dem Asyl-Kompromiss demonstriert. Das macht die EU teilweise entscheidungs- und handlungsunfähig. Unter diesen Rahmenbedingungen kann eine Europäische Verteidigungsunion zukünftige Krisen, die sich ggf. zum Krieg entwickeln, außen- und sicherheitspolitisch nicht mit Erfolg bewältigen. In Europa herrscht auf nicht absehbare Zeit Krieg und sollte der Krieg gegen die Ukraine beendet werden wird sich ein Kalter Krieg mit dem neo-stalinistischen Russland fortsetzen. Deswegen sind die Strukturschwächen der NATO und der EU im Sinne der Wiederherstellung und Erhaltung von Frieden in Freiheit und Sicherheit nicht länger hinzunehmen. Das ist umso wichtiger, weil auch die UNO strukturell handlungseingeschränkt ist und ihrer Aufgabe gemäß der UN-Charta, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, alle Streitigkeiten friedlich zu schlichten und freundschaftliche Zusammenarbeit zur Friedenssicherung zu fördern, nur stark eingeschränkt nachkommen kann.

Der Grund für diese fatale Unfähigkeit, die sich zu einer politischen Ohnmacht zu steigern scheint, liegt in der Selbstblockade des UN-Sicherheitsrates durch die fünf zerstrittenen Vetomächte. Russland hatte den Vorsitz im Februar 2022 im Weltsicherheitsrat inne, als es völkerrechtswidrig und unter Verletzung der UN-Charta die Ukraine überfiel. Und am 01.04.2023 hat Russland erneut den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates, dem wichtigsten UN-Entscheidungsgremium, turnusmäßig für einen Monat übernommen. Das Kriegsopfer Ukraine hat das zurecht als Schande und als einen weiteren Schlag für das regelbasierte System der internationalen Beziehungen bezeichnet. Die Vereinten Nationen werden aber mehr denn je als handlungsfähige Welt-Organisation zur Lösung globaler Probleme gebraucht. Deshalb darf eine durch die Selbstblockade des Sicherheitsrates erzeugte Handlungsunfähigkeit nicht länger hingenommen werden. Daher ist eine Reorganisation des UN-Sicherheitsrates durch Abschaffung des Vetorechtes der fünf ständigen Mitglieder und Einführung demokratischer, verbindlicher Mehrheitsentscheidungen zwingend geboten.

Die NATO und die EU müssen insbesondere zur Unterstützung der Ukraine weiter eng zusammenarbeiten. Sie müssen aber auch ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit durch Strukturreformen steigern und dazu gehört, dass endlich auch im Hauptaufgabengebiet demokratische Mehrheitsentscheidungen Grundlage werden. Und über die Mitgliedschaft in beiden Organisationen sollte ebenfalls mehrheitlich entschieden werden können, um untaugliche und unsolidarische Mitglieder aus der Wertegemeinschaft ausschließen zu können. Das wird ein schwieriger und ggf. auch langwieriger Prozess werden. Deswegen müssen untaugliche Mitglieder in NATO und EU mit deutlich spürbaren Sanktionen belegt werden.

(01.07.2023)

 

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