Hans-Heinrich Dieter

Engagement in Afghanistan   (03.02.2014)

 

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat die Zukunft Afghanistans nur eine nachgeordnete Rolle gespielt. Dabei sind die Entscheidungen für ein Engagement der internationalen Staatengemeinschaft nach 2014 für das afghanische Volk von lebenswichtiger Bedeutung.

Die amerikanischen Entscheidungen über Größenordnung und Qualität des US-Engagements ab 2015, auf die die westlichen Partner - auch Deutschland - dringend als Grundlage für ihre Planungen warten, sind abhängig von der Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens zwischen Afghanistan und den USA, das den Status der US-Truppen – einschließlich ihrer rechtlichen Immunität - und die Rahmenbedingungen ihres Einsatzes nach 2014 festlegt. Das Abkommen ist fertig verhandelt, die Loja Jirga hat dem Abkommen zugestimmt und seine Unterzeichnung bis Ende 2013 beschlossen. Der afghanische Präsident Hamid Karsai verweigert aber die Unterschrift mit dem Hinweis darauf, dass die amerikanischen Truppen das Leben und die Sicherheit des afghanischen Volkes aus seiner Sicht nicht respektieren.

Der afghanische Präsident geht noch weiter. Jetzt unterstellt er, dass der Terroranschlag der Taliban auf ein Restaurant in Kabul von den USA inszeniert worden sei, wie andere Attentate und Anschläge gegen Einrichtungen der afghanischen Sicherheitskräfte auch. Das ist ungeheuerlich und ein Höhepunkt im Zerwürfnis zwischen Karsai und der US-Administration. Die USA sind empört und entsetzt, wirksame politische Maßnahmen wurden bisher nicht ergriffen.

Dabei war angekündigt, dass die US-Truppen bei Nichtunterzeichnung des Abkommens bis Ende 2013 ihre Truppen möglicherweise bis Ende 2014 komplett abziehen werden, ohne Folgemission und ohne die ins Auge gefasste finanzielle Unterstützung. Und ohne ein Sicherheitsabkommen und ohne die USA wird es auch keine NATO-Folgemission geben. Die zivile Seite der internationalen Staatengemeinschaft wird aufgrund der dann nicht zu garantierenden Sicherheit für Hilfsorganisationen die ins Auge gefasste umfangreiche Unterstützung in der „Transitionsdekade“ bis 2024 nicht leisten können. Inzwischen haben wir Februar, wertvolle Planungs- und Organisationszeit für die Folgemission Resolut Support ist verstrichen und die USA lassen sich von Karsai weiter an der Nase herumführen.

Deutschland ist bisher bereit, ab 2015 für zwei Jahre im Norden Afghanistans weiterhin Führungsverantwortung für Beratung und Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte im Rahmen Resolut Support zu übernehmen und will dafür 600 bis 800 Soldaten bereitstellen. Ab 2017 will sich Deutschland mit 200 bis 300 Soldaten in der Region Kabul in die NATO-Operation einbringen. Voraussetzung für einen solchen Einsatz sind eine formelle Einladung der afghanischen Regierung an Deutschland, ein afghanisch-deutsches Truppenstatut und natürlich eine entsprechende UN-Resolution. Bedingung für den Einsatz deutscher Soldaten ist außerdem eine „ausreichende Sicherheitslage“. Auch Deutschland wartet bisher demütig und unterwürfig ab, um zu reagieren und mitzumachen, wenn die USA einen Vertragsabschluss erreichen. Dabei müsste der politische Geduldsfaden längst gerissen sein. Das alles passt überhaupt nicht zur neuen Rolle Deutschlands in der Außen- und Sicherheitspolitik und zu unserem angekündigten verstärkten internationalen Engagement.

Deutschland hat in Afghanistan ein besseres Ansehen als die USA und müsste - nach Rücksprache mit den USA - das direkte Gespräch mit Karsai suchen und dabei sehr deutlich machen, dass Deutschland in Kürze parlamentarisch über die Folgemission entscheiden muss und sich an Resolut Support, einschließlich der ins Auge gefassten Bereitstellung finanzieller Mittel sowie der Unterstützung durch deutsche Hilfsorganisationen, nicht beteiligen kann, wenn bis Ende Februar 2014 das Sicherheitsabkommen mit den USA, als Voraussetzung für ein umgehend auszuhandelndes afghanisch-deutsches Truppenstatut, nicht unterzeichnet ist. Deutschland sollte diese Forderung auf der Grundlage des neuesten Fortschrittsberichtes mit deutlicher Kritik an der Lage in Afghanistan verknüpfen.

Danach hat Kabul die Reformversprechen für bessere Regierungsführung, den Kampf gegen die grassierende Korruption oder für eine Verbesserung der Menschenrechtslage nicht erfüllt. Von einer „ausreichende Sicherheitslage“ kann nicht die Rede sein, die Entwicklung gestaltet sich vielmehr negativ. Die Bedingungen für die Gewährung der von der internationalen Staatengemeinschaft zugesagten 16 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern und weiteren 5 Milliarden pro Jahr für die Unterstützung der Sicherheitskräfte sind nicht erfüllt, weil die 17 Kernziele für effizientes Regierungshandeln nur zu einem Drittel annähernd erreicht sind. Deutschland gehört bei den Zahlungen an Afghanistan nach den USA zu den größeren Gebern. Berlin hat 430 Millionen Euro jährlich an Entwicklungshilfe versprochen, weitere 150 Millionen Euro sollen in den Topf für die Erhaltung der Armee fließen, vorausgesetzt Afghanistan erfüllt die Zusagen. Jetzt ist es an der Zeit, Karsai deutlich zu machen, in welchem Umfang er mit seiner korrupten und unfähigen Regierung versagt hat und um welche Beträge die Zahlungen reduziert werden, bis wirkliche Fortschritte nachweislich erzielt werden. Wenn Deutschland keine Bedingungen stellt und Worten keine Taten in Form von Sanktionen folgen lässt, dann wird das in der muslimischen Welt als Schwäche ausgelegt, die man unbedingt ausnutzen muss. Mit Drehungen am Geldhahn werden häufig - insbesondere in hoch-korrupten Staaten - die besten Ergebnisse erzielt, allerdings nicht von politischen Schwächlingen.

Wie sagte der Bundespräsident: „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substantieller einbringen.“ Hier ist eine wichtige Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen und Afghanistan zur Verantwortung zu ziehen.

Und in dieser Gemengelage verlangt der neue Bundesentwicklungsminister Müller in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur für die deutschen Hilfsorganisationen in Afghanistan auch nach dem Abzug der Kampftruppen einen Schutz durch die Bundeswehr. Die Sicherheit der insgesamt mehr als 2.000 Helfer müsse Priorität haben, sagte Müller. Der CSU-Politiker hat sich mit seinen Kollegen noch nicht intensiv austauschen können und kennt offenbar die Rahmenbedingungen und die Planungen für Resolut Support noch nicht. Müller weiß noch nicht, dass Bedingung für den Einsatz deutscher Soldaten und für Hilfsorganisationen eine „ausreichende Sicherheitslage“ ist, die durch die afghanischen Kräfte garantiert werden muss.

 

Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie dringend "vernetzte Außen- und Sicherheitspolitik" in reales Handeln umgesetzt werden muss, bevor wir "politische Zukunftsmusik" so richtig ernst nehmen können.  

(03.02.2014)

 

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