Hans-Heinrich Dieter

Worte, Worte, Worte...   (17.05.2013)

 

Verteidigungsminister de Maizière hat nun vor dem Bundestag im Rahmen seiner Regierungserklärung das Aus für „Euro-Hawk“ erneut verteidigt. Es sei richtig gewesen, „die Reißleine zu ziehen“. Eine Reißleine zieht man normalerweise, wenn man sich im freien Fall befindet und ein Fallschirm aktiviert werden muss. In der Rüstungspolitik und bei Beschaffungsvorhaben müssen von Beginn an die Verträge stimmen, muss Problemen vorgebeugt werden und ist eine ständige politische „Begleitung“ großer Vorhaben unerlässlich. Wenn im Verteidigungsministerium, angefangen unter einer rot/grünen Regierung, Rüstungsvorhaben so unzureichend vorangebracht werden, dass wir in einen freien Fall gezwungen werden und das Ergebnis nicht eine sanfte Landung am Fallschirm, sondern ein für den Steuerzahler sehr teures „Ende mit Schrecken“ ist, kann man durchaus von Versagen sprechen und dann sind politische Konsequenzen angebracht, wenn die Bürger nicht noch mehr Vertrauen verlieren sollen.

Thomas de Maizière zog natürlich auch eine positive Zwischenbilanz der vor drei Jahren eingeleiteten Neuausrichtung der Bundeswehr. Man setze damit nun endlich einen  „verteidigungspolitischen Schlussstrich unter den Kalten Krieg“. Das klingt ganz gut, lenkt von lästigen Details ab und ist ganz griffig für die Medien. Der Kalte Krieg ist verteidigungspolitisch für Deutschland aber seit 23 Jahren beendet und die Strukturreformen der Bundeswehr seit 1990 haben dem stückweise Rechnung getragen, weil die Streitkräfte seit Jahren für Einsätze im internationalen Rahmen optimiert werden. Der Verteidigungsminister verteilt daher nun vorwiegend kräftige rüstungspolitische Ohrfeigen an seine Vorgänger Scharping, Struck, Jung und zu Guttenberg, denen es zusammen mit den Generalinspekteuren – und gleichzeitig Vorsitzenden des Rüstungsrates – Kujat und Schneiderhan rüstungspolitisch, zum Nachteil der Bürger und der Staatsbürger in Uniform, offenbar nicht gelungen ist, zeitgerecht die Konsequenzen aus den gravierenden politischen Veränderungen zu ziehen und die großen Beschaffungsvorhaben der Entwicklung anzupassen.

Der Minister „muss“, trotz aller Schwierigkeiten und berechtigter Kritik auch aus den Reihen der Bundeswehr, politisch natürlich eine positive Zwischenbilanz der „Neuausrichtung“ ziehen. Da stimmt es allerdings skeptisch, wenn de Maizière gleichzeitig noch sehr vage und vorbeugend „Änderungen“ in Aussicht stellt und zum Ausdruck bringt, dass es in den nächsten Jahren zu „Nachbesserungen“ beim „zentralen Instrument deutscher Sicherheitspolitik“ kommen könnte. Das wundert nicht, denn einsatzorientierte Streitkräfte brauchen einsatztaugliche und zukunftsfähige Einsatzmittel und Bewaffnung, sie brauchen besonders gut ausgebildete Soldaten in der erforderlichen Anzahl und einsatzorientierte Streitkräfte müssen nachhaltig finanziert werden. Und an allem fehlt es der Bundeswehr bisher. Die Bundeswehr hat vielmehr Defizite in der technischen Führungsfähigkeit und bei der Aufklärungskapazität, die Bundeswehr ist unzureichend luftbeweglich und verfügt nicht über Kampfdrohnen, die Bundeswehr hat massive Nachwuchsprobleme und ist stark unterfinanziert. Bei realistischen Haushaltserwartungen und mit Festhalten an der Reformidee des Ministers „Breite vor Tiefe“ sowie angesichts der unzureichenden Attraktivität der Bundeswehr zum Beispiel im Hinblick auf das wichtige Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wird sich an diesen Defiziten kaum etwas ändern. An solchen Tatsachen sollte sich eine Bundestagsdebatte nicht vorbeimogeln und die verantwortliche Regierung schon überhaupt nicht.

Statt Tatsachen ins Auge zu schauen, finden wir lieber – besonders im Bundestagswahljahr – hehre Worte. Der Minister spricht lieber über unsere „Mitverantwortung für Stabilität und Sicherheit in der Welt“ und meint, dass Deutschland, das sich lange an „die starken Schultern“ unserer alliierten Freunde habe anlehnen können, nun „selbst zu den starken Schultern“ gehöre. Da stockt einem fast der Atem. Richtig ist, dass sich Deutschland über Gebühr auch nach 1990 an die starken Schultern der USA angelehnt hat und seine Rolle als souveräner Staat und Mittelmacht in Europa nur sehr langsam gefunden hat. Deswegen sind wir wirtschaftspolitisch eine über Europa hinaus bedeutende Macht, sicherheitspolitisch sind wir ein wenig zuverlässiger Zwerg mit sehr schwachen Schultern geblieben. Daran wird die Neuausrichtung unter den gegebenen Rahmenbedingungen nichts ändern.

Die Bundeswehr braucht weniger „Worte“ – außer erklärenden, verständlichen und zutreffenden Aussagen zur Neuausrichtung – die Bundeswehr braucht Taten. Die Bundeswehr braucht trotz Verkleinerung eine Anschubfinanzierung, die Bundeswehr muss tatsächlich als Arbeitgeber attraktiv gemacht werden und die Bundeswehr braucht finanzielle Planungssicherheit für das Erreichen und Erhalten ihrer Einsatzbereitschaft und die wird nur gewährleistet sein, wenn es dem Minister gelingt, bei den sündhaft teuren und noch am Kalten Krieg orientierten Rüstungsprojekten, wie Eurofighter, Airbus A400M und  Kampfhubschrauber Tiger einen sinnvollen „Schlussstrich“ zu ziehen, denn die bisher verhandelten Stückzahlreduzierungen haben gemessen am Gesamtvolumen nur minimale Einsparungen gebracht.

Bisher klappt hauptsächlich der Personalabbau bei den Streitkräften und die Ausrüstung wurde teilweise auf Afghanistan orientiert verbessert, das ist für eine positive Zwischenbilanz der Neuausrichtung zu wenig und eine zu dünne Grundlage für hehre Worte. Und etwas großspurig klingende Worte sind so lange wenig glaubwürdig, solange sich Deutschland weigert politisch zu definieren, was genau gemeint ist mit unserer „Mitverantwortung für Stabilität und Sicherheit in der Welt“ und welche Rolle die Bundeswehr als „zentrales Instrument deutscher Sicherheitspolitik“ konkret spielen soll. Solange wir diesbezüglich nicht souverän und „erwachsen“ sind, wirken Worte über deutsche „starke Schultern“ irgendwie lächerlich.

(17.05.2013)

 

 

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