Hans-Heinrich Dieter

Vertiefte militärische Zusammenarbeit  (11.11.2012)

 

Minister de Maizière sagte auf der Bundeswehrtagung in Strausberg: „Am Ende der Neuausrichtung soll eine leistungsfähige Bundeswehr stehen…“.Dabei soll  „die Bundeswehr … der Politik ein breites Spektrum an Fähigkeiten und damit Handlungsoptionen bieten.“

Das geht natürlich nur, wenn die Bundeswehr tatsächlich nachhaltig finanziert ist. Die Bundeswehr allerdings war, ist und bleibt absehbar unterfinanziert.

Das Aufgabenspektrum der zukünftigen Bundeswehr umfasst, den sicherheitspolitischen Herausforderungen entsprechend, neben der - eher unwahrscheinlichen - Landes- und Bündnisverteidigung - „heute auch Einsätze zur Krisenbewältigung und Konfliktverhütung – über Grenzen von Nationalstaaten hinweg und nahezu überall auf der Welt“.

Dieses breite Spektrum möglicher Einsatzszenarien führt deshalb zu dem geplanten und kritikwürdigen Fähigkeitsspektrum der Bundeswehr nach dem Grundsatz „Breite vor Tiefe“. Wenn bei chronischer Unterfinanzierung die ganze „Breite“ des Fähigkeitsspektrums abgedeckt werden soll, dann bleibt für „Tiefe“, gleich substanzielle nachhaltige Fähigkeiten, nicht mehr viel übrig, insbesondere wenn man auf absehbare Zeit riesige Kalter-Krieg-Altlasten mit sich schleppen muss.

Vertiefte Rüstungskooperation in der NATO und EU ist da sicherlich ein Ausweg, allerdings ist die Länge des Weges unbekannt und die Zielerreichung ungewiss. Der Minister sagt denn auch: „Deutschland befürwortet das Konzept der „smart defence“ innerhalb der NATO und des „pooling and sharing“ im EU-Rahmen. Aber ein Verzicht im Bündnis oder in der EU auf große Fähigkeiten, davon sind wir weit entfernt.“ Wie wahr!

Bei der letzten NATO-Tagung in Chicago wurden dankenswerterweise Projekte wie „Smart Defense” nicht nur thematisiert und diskutiert sowie eine enge Kooperation bei mehr als 20 Rüstungsprojekten vereinbart, weil angemessene „state of technology“-Rüstung auf Dauer nur durch vertiefte Kooperation und task-sharing der NATO-Mitglieder gewährleistet werden kann. Allerdings stecken alle diese Rüstungsprojekte noch in den Kinderschuhen und mit der möglichen Realisierung der ersten Projekte ist erst in 20 Jahren zu rechnen. Bis dahin kostet Breite mit hinreichender Tiefe die NATO-Mitglieder sehr viel Steuergeld, das ja auch nicht unerheblich in den Schuldenabbau fließen soll.

In dem Zusammenhang ist es außerdem weniger erfreulich, dass die NATO und auch die EU wegen unzureichender Solidarität ihrer Mitglieder untereinander bisher zur effektiven und effizienten militärischen Zusammenarbeit nur unzureichend  befähigt und gewillt sind. Die Eigensucht einiger Mitgliedstaaten, die nationalen Egoismen in der Rüstungs- und Sicherheitspolitik und der verbreitete Missbrauch sicherheitspolitischer Probleme in den ständigen Wahlkämpfen in den Mitgliedstaaten der NATO behindern die zukunftsorientierte Entwicklung der NATO zu einem Sicherheitsbündnis der westlichen Welt im 21. Jahrhundert. Und die EU ist tatsächlich, trotz GASP, von einer wirklich gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik noch sehr weit entfernt. Dabei sind die finanziellen Zwänge, die eine enge Zusammenarbeit erfordern, ja offensichtlich und die absehbar zunehmende Bedeutungslosigkeit Europas, als loser Bund der unterschiedlichen Staaten mit starken Eigeninteressen, steht als Menetekel an der Wand. Es ist also hohe Zeit zu handeln.

Wenn es in absehbarer Zeit schon nicht gelingt, wichtige Fähigkeiten auf der Grundlage eines Task-Sharing-Konzeptes der NATO und der EU bei einzelnen Mitgliedstaaten schwerpunktmäßig – im Sinne von jeweiliger „Tiefe“ -verfügbar zu halten und dementsprechend die Rüstungszusammenarbeit mit dem Fernziel Europäische Streitkräfte zu organisieren, dann sollte man möglichst schnell im kostenintensiven Bereich militärischer Unterstützung eine vertiefte Zusammenarbeit anstreben. Wenn von den Mitgliedstaaten jeweils bis zu neun unterstützende Soldaten gebraucht werden, bis ein Soldat mit der Waffe gegen militärische Ziele eingesetzt werden kann, dann zeigt das einerseits ein Missverhältnis und andererseits gravierenden Kooperationsbedarf auf.

Die Logistik im NATO-Einsatz ist jeweils nationale Aufgabe der Teilnehmerstaaten. Jeder Teilnehmerstaat organisiert, transportiert, repariert, verpflegt und versorgt sanitätsdienstlich mit enormem Aufwand zunächst einmal alles in eigener Zuständigkeit mit jeweils hohen Kosten. Das sollte so nicht bleiben.

Afghanistan ist da ein interessantes Beispiel. Der Rückzug der Kontingente der NATO-Partner bis 2014 ist eine große logistische Herausforderung. Es ist bisher nicht erkennbar, dass es einen ISAF-Masterplan für das Redeployment gibt. Und weil Logistik nationale Zuständigkeit ist, beginnt jeder für sich und zunächst nur unzureichend koordiniert mit den Planungen, schließt Verträge, organisiert die Transporte und hoffentlich auch deren nachhaltige Sicherung mit immer weniger verfügbarem eigenem Personal und höchst unsicheren afghanischen Partnern an der Seite oder auch im Rücken. Auf der Grundlage eines Masterplans, der frühzeitig die logistischen Maßnahmen der Teilnehmerstaaten und deren Sicherung koordiniert, Zuständigkeiten in der logistischen Unterstützung regelt und Schwerpunkte im Task-Sharing festlegt, könnten erheblich Kräfte und Mittel gespart, zumindest aber geschont werden. Eigentlich ist es für einen solchen Masterplan schon zu spät, aber man sollte zumindest eine vertiefte militärische Zusammenarbeit versuchen und gemeinsame Erfahrungen sammeln – für die nächsten gemeinsamen Einsätze unter zunehmend schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen.

(11.11.2012)

 

 

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