Hans-Heinrich Dieter

United Nations   (26.06.2015)

 

Am 26. Juni 1945 verabschiedeten die Vertreter von 51 Staaten in San Francisco das Gründungsdokument der Vereinten Nationen. Mit dieser Charta wurde eine Weltorganisation aus der Taufe gehoben, die die Welt verbessern und den Frieden sichern sollte. Mitten in der heutigen Krisenwelt mit der Selbstblockade des UN-Sicherheitsrates durch die fünf Vetomächte und die daraus erwachsende Ohnmacht der UN zu einer Zeit, wo sie dringend gebraucht würde, lässt am Erfolg und zunehmend auch am Sinn der Weltorganisation zweifeln. Der deutsche UN-Botschafter Braun sagte trotzdem an diesem Jahrestag, dass man die UN auch heute unbedingt erfinden müsste, wenn die Charta nicht vor 70 Jahren verabschiedet worden wäre. Da möchte man ihm sicher grundsätzlich zustimmen.

Wenn die Vereinten Nationen aber ihr Ziel weiter anstreben, die Welt zu verbessern und den Frieden zu sichern, dann müssen die schweren Geburtsfehler korrigiert und die UN grundlegend reformiert werden. Der "Völkerbund" nach dem Ersten Weltkrieg ist gescheitert, die "Vereinten Nationen", die die politische Lage nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch widerspiegeln, sollte nicht als "Schwatzbude" an unserer heutigen, krisengeschüttelten globalisierten Welt scheitern. Dazu muss aber die Organisation den Realitäten unserer Zeit gerecht werden. Das ist nicht einfach zu gewährleisten.

Um die Charta wurde seit 1943 von den 26 gegen Hitler-Deutschland kämpfenden Staaten heftig gerungen. Ab 1945 wurde dann in San Francisco das Dokument von 51 Gründungsmitgliedern endverhandelt. Dominierendes Thema war die Stellung der fünf Großmächte innerhalb der Organisation. Die kleineren Staaten versuchten daher damals, die Ungleichgewichte zwischen den Mächten möglichst gering zu halten. Das gelang ihnen nicht. Die großen Fragen, also Entscheidungen über Krieg und Frieden, innerhalb der Vereinten Nationen blieben dem Sicherheitsrat der Organisation vorbehalten. Und in diesem reservierten sich die fünf großen Mächte, die USA, die Sowjetunion, China, Großbritannien und Frankreich, ständige Sitze in dem 15-köpfigen Gremium. Außerdem stellten sie durch die Einrichtung des Vetorechts sicher, dass das Gremium keine ihre Kerninteressen verletzenden Beschlüsse fassen kann. Die weniger wichtigen Fragen sollten in der Vollversammlung der gleichberechtigten Staaten diskutiert und entschieden werden.

Die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkrieges haben sich nach 1945 mit der Welt verändert. Die USA sind Supermacht geblieben, haben aber durch den verlorenen Vietnamkrieg und den ungerechtfertigten zweiten Irakkrieg moralischen Anspruch stark eingebüßt und an Glaubwürdigkeit verloren. Die Sowjetunion wurde lange von dem Massenmörder Stalin beherrscht, ist inzwischen zusammengebrochen und Russland ist keine Supermacht mehr. Russland will aber wieder eine Supermacht werden - auf Kosten souveräner Staaten und Nachbarn – kündigt die Partnerschaft mit dem Westen auf, stellt sich der zivilisierten Welt entgegen und scheint dabei auch vor einem neuen Kalten Krieg nicht zurückzuschrecken. Mit der Annexion der Krim hat Russland das Völkerrecht gebrochen und mit dem verdeckten Krieg gegen die Ukraine hat Russland das Vertrauen der westlichen Welt in seine Berechenbarkeit als Partner verloren. Als eine Reaktion blockiert Russland permanent Resolutionen des UN-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit der Syrienkrise durch sein Veto. Das kommunistische China wurde nach dem zweiten Weltkrieg durch den Massenmörder Mao beherrscht. China hat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung geleistet und strebt aggressiv die Vorherrschaft im pazifischen Raum an, das hat eine gleichsam natürliche Gegnerschaft mit den USA zur Folge und begründet eine stark eingeschränkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit im UN-Sicherheitsrat. Großbritannien repräsentiert nicht mehr das British Empire, hat an Bedeutung in der Weltpolitik und auch in Europa stark eingebüßt und deswegen ist auch eine privilegierte Stellung mit ständigem Sitz im Weltsicherheitsrat und Vetorecht nicht mehr gerechtfertigt. Und Frankreich versteht sich unverändert selbst als Grande Nation, ist aber politisch und wirtschaftlich weit davon entfernt, dem selbstgesetzten Anspruch nur annähernd gerecht zu werden. Deswegen ist eine privilegierte Stellung Frankreichs in den Vereinten Nationen nicht mehr gerechtfertigt. Die fünf ehemaligen Siegermächte haben heute hauptsächlich eines gemeinsam, alle betreiben mehr oder weniger egoistisch Machtpolitik, die die Belange der Weltbevölkerung nicht in den Vordergrund stellen. Deutschland ist weit davon entfernt, Machtpolitik zu betreiben und ist heute nach den USA und Japan der drittgrößte Beitragszahler der UN, ohne dass diese volkswirtschaftliche Leistung in irgendeiner Form gewürdigt wird.

Die derzeitige Lage mit einer Vielzahl von Krisen, mit starken Bedrohungen durch islamistischen Terror und mit der stärksten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg schreit geradezu nach friedensfördernder Aktivität der UN und deswegen muss die Selbstblockade und Paralyse der Weltgemeinschaft endlich überwunden werden. Die erforderlichen Reformen wurden schon vor langer Zeit angestoßen und konnten bisher nicht mit den erforderlichen Mehrheiten umgesetzt werden.

Jetzt könnten die Vereinten Nationen deutlich machen, dass sie nicht länger gewillt sind, sich durch fortgesetzten und kaltschnäuzigen Bruch internationalen Rechtes durch die Vetomacht Russland verhöhnen zu lassen. Und die UN könnten zeigen, dass sie es nicht länger hinnehmen wollen, dass Vetomächte wie Russland an Frieden, demokratischen Werten und an humanitären Zielen orientierte Politik der internationalen Staatengemeinschaft blockieren und eine nicht mehr gerechtfertigte herausgehobene Rolle spielen. Jetzt müssen die USA und Europa ihr Verhältnis zu Russland von Grund auf neu definieren. In dieser neuen politischen Gemengelage und angesichts der damit verbundenen neuen sowie gravierenden sicherheitspolitischen Herausforderungen scheint es gute Chancen zu geben, die für eine grundlegende Reform des Weltsicherheitsrates erforderliche Zweidrittelmehrheit der UN-Vollversammlung zu gewinnen. Eine solche Reform würde die Legitimität, die Glaubwürdigkeit sowie die Handlungsfähigkeit der UN deutlich stärken und dabei Russland einen Preis seiner für die internationale Staatengemeinschaft inakzeptablen Politik aufzeigen.

Die Probleme der globalisierten Welt können nicht durch Formate wie G7- oder G20-Gipfel gelöst werden, sondern nur durch eine reformierte handlungsfähige Weltorganisation, die den heutigen politischen Realitäten gerecht wird.

(26.06.2015)

 

 

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