Hans-Heinrich Dieter

Unintelligente Politiker   (13.03.2022)

 

Tatsache ist, dass sich die deutsche Gesellschaft nach 1945 zu einer naiv-pazifistischen Gesellschaft entwickelte, die sich nie wirklich um die Gewährleistung der äußeren Sicherheit gekümmert hat. Deutschland hat sich als NATO-Mitglied unter dem Schutzschirm der USA zum sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer entwickelt, der nie sicherheitspolitische Interessen und Ziele definiert und sich nach der Wiedervereinigung der naiven Illusion hingegeben hat, Deutschland sei nur noch „von Freunden umzingelt“. Da wollte man natürlich eine saftige „Friedensdividende“ einstreichen und hat die Bundeswehr zum “Sanierungsfall”  heruntergewirtschaftet. Die Bundeswehr ist also keine geachtete und geschätzte, sondern eine in Deutschland von einer naiv-pazifistischen, antimilitärisch eingestellten und sicherheitspolitisch ungebildeten Gesellschaft eher „geduldete Armee“ – die derzeit nach NATO-Kriterien nicht einsatzfähig ist!

Und nun fordert der CSU-Vorsitzende Söder in der „Bild am Sonntag“ eine schnelle Aufrüstung der Bundeswehr. Er meint, die Ampel-Koalition müsse ein Sofortprogramm vorlegen, mit dem die Bundeswehr in einem Jahr voll einsatzfähig sei. Bis März 2023 müssten alle Waffengattungen komplett funktionsfähig sein. Das umfasse ausreichende Munition, alle Ersatzteile und Nachschub sowie die persönliche Ausrüstung der Soldaten, betonte der bayerische Ministerpräsident. Außerdem brauche es neue Waffensysteme zur Luftverteidigung, bewaffnete Drohnen, moderne Hubschrauber und neue Kampfjets. Da müsse die Bundesverteidigungsministerin sofort handeln!

Kanzler Scholz hatte sich anlässlich der Russland-Krise in der Sondersitzung des Bundestages zur Bedeutung der Bundeswehr für unsere Sicherheit und für uns als Mitglied der NATO bekannt. Er hat zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der jahrelang unterfinanzierten Streitkräfte der Bundeswehr ein „Sondervermögen“ in Höhe von 100 Milliarden Euro zugesagt, den Willen bekundet, bis 2024 die „Zwei-Prozent-NATO-Vereinbarung“ realisieren und nach 2024 jährlich mehr als 2% vom BIP in Verteidigungsfähigkeit investieren zu wollen. Da will das politische „Großmaul“ nicht zurückstehen und sich mit forschen Forderungen einbringen, um der „Ampel“ Beine zu machen. Da hat er sich aber eher ins eigene Bein geschossen!

Wenn ein in hoher Verantwortung stehender Politiker, der sogar mal Kanzler werden wollte, sich außen- und sicherheitspolitisch einbringt, dann muss er sich mit der Thematik intensiv befassen, recherchieren, sich beraten lassen, um sich sachkundig äußern zu können – und keinen „geistigen Dünnpfiff“ zu verbreiten! Denn es ist ja mehr als offenkundig, dass Söder keinerlei Ahnung vom tatsächlichen Zustand der Bundeswehr und von den erforderlichen Anstrengungen zur Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der kaputtgesparten Streitkräfte hat. Und darum geht es und nicht um „Aufrüstung“!

Nach der Annexion der Krim hat die Bundeswehr ein neues „Weißbuch“ geschrieben und 2016 herausgebracht. Dieses vom Bundeskabinett gebilligte und vom Bundestag zur Kenntnis genommene Weißbuch war dann Grundlage für Konzeptionen und Konzeptpapiere der Teilstreitkräfte und militärischen Organisationbereiche, die eine Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit bis 2031 vorsehen. Und dazu hat Ministerin Kramp-Karrenbauer noch Eckpunkte zur „Bundeswehr der Zukunft“ herausgebracht. Die Streitkräfte haben für das Wiederherstellen ihrer Einsatzfähigkeit nach NATO-Kriterien bis 2031 ein gebilligtes Konzept. Der Verteidigungshaushalt 2021 sowie die dazugehörige mittelfristige Finanzplanung 2022-24 machen das Erreichen dieses Zieles aber bisher finanziell erneut unmöglich. Denn es fehlt die für das Gewährleisten einer Vollausstattung erforderliche, finanziell abgesicherte Planbarkeit!

Und für eine finanziell abgesicherte Planbarkeit sind das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro sowie der verkündete Willen, bis 2024 die „Zwei-Prozent-NATO-Vereinbarung“ realisieren und nach 2024 jährlich mehr als 2% vom BIP in Verteidigungsfähigkeit investieren zu wollen, so wichtig!

Die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit braucht aufgrund der gravierenden Defizite Zeit und da dürfen „verantwortungsbewusste“ Politiker durch unintelligente Aussagen keine falschen Vorstellungen und Erwartungen wecken, die dann vom teilweise links/rot/grünen Medienmainstream wohlfeil für die gewohnt hämische Kritik an der zu lahmen, zu bürokratischen etc. Bundeswehr ausgeschlachtet werden.

Die Bundeswehr erfüllte auch in den unsäglich nachteiligen 16 „Merkeljahren“ in einem Dutzend Auslandseinsätzen erfolgreich und wertgeschätzt militärische Aufträge und trägt bei Großübungen der NATO teilweise maßgeblich zum Erfolg bei. Außerdem zeigte die Führung der „Very High Readiness Joint Task Force”, VJTF, zuletzt in 2019, dass die Bundeswehr Landes- und Bündnisverteidigung noch kann – allerdings nicht aus homogenen Strukturen heraus. Die Soldaten erfüllen ihre Aufträge professionell aber unter meist erschwerten Bedingungen – mit zusammengeliehenem Material und personell zusammengestellten Kontingenten. Doch das ist nicht Schuld der Streitkräfte, sondern das Ergebnis jahrelanger Unterfinanzierung, des unorganisierten Aussetzens der Wehrpflicht sowie der Personalreduzierung der Streitkräfte im Rahmen der unsäglichen „Friedensdividende“. Politiker und Parlamentarier pochen immer wieder auf den Primat der Politik vor dem Militär aber der Zustand der Bundeswehr zeigt, dass eine ganze Reihe von Politikern der Verantwortung, die mit diesem Primat verbunden ist, nicht gerecht werden können oder wollen. Sie tragen deswegen die Hauptverantwortung für die teilweise desolate Lage der Bundeswehr und sollten angesichts der Zeitenwende endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und konkrete Voraussetzungen für die Realisierung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte schaffen. Absichten sind angekündigt, Vorstellungen beginnen zu reifen und werden diskutiert – das für die Realisierung verantwortliche politische Personal ist aber sehr weitgehend unverändert. Da muss viel Vertrauen aufgebaut werden.

Söder kann dazu offensichtlich noch nicht beitragen!

(13.03.2022)

 

 

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