Hans-Heinrich Dieter

Unangemessener Maulkorb  (05.11.2011)

 

Soldaten, insbesondere Vorgesetzte,  haben in Demokratien bei ihren die Politik betreffenden Äußerungen in und außer Dienst Zurückhaltung zu wahren. Das verlangt der Primat der Politik. Und für die deutschen Staatsbürger in Uniform gilt, dass ihr Verhalten dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die der Dienst als Soldat erfordert.

Generalmajor der US-Army Peter Fuller, stellvertretender Befehlshaber für die Ausbildung der afghanischen Armee, wurde nun durch den US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, John Allen, entlassen, weil er in einem Interview Kritik an Präsident Karsai geäußert hat. Die Aussage Karsais, dass Afghanistan im Zweifel Pakistan bei einem Krieg mit den USA unterstützen würde, hat Fuller offenbar so geärgert, dass er der afghanischen Staatsführung Realitätsferne vorgeworfen hat, weil sie sich offensichtlich nicht über den hohen finanziellen und menschlichen Einsatz der USA in ihrem Land im Klaren sei.

General Allen bezeichnete die Äußerungen als "unglücklich" und unangemessen, denn sie spiegelten weder die „solide Beziehung“ der USA mit der Regierung Karsais wider noch den gemeinsamen Erfolgswillen, Afghanistan zu einem „stabilen, friedlich und blühenden“ Land zu machen.

Nun weiß man nicht so genau, in wessen Auftrag General Allen so fragwürdig gehandelt hat. "Unglücklich" ist nicht wirklich eine juristische Kategorie. Und wenn man sich das Verhalten Karsais und seiner teilweise korrupten Regierung anschaut und wenn man die feige, rückversichernde Aussage Karsais zur Unterstützung Pakistans ernst nimmt und in Rechnung stellt, dass er bei dem jüngsten Anschlag der Taliban auf die US-Streitkräfte mit keinem Wort sein Bedauern zum Ausdruck gebracht hat, dann ist die Stellungnahme von Generalmajor Fuller sehr angemessen. Die Verlautbarung General Allens hingegen ist stark beschönigend, denn Karsai handelt öffentlich gegen den Geist "solider Beziehung" mit den USA und lässt starken Willen zum Machterhalt, aber keinen mit den USA gemeinsamen Erfolgswillen zum Wohl des afghanischen Volkes erkennen.

Die USA kennen den "Staatsbürger in Uniform" nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass auch das Verhalten amerikanischer Vorgesetzter der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die der Dienst als Soldat erfordert. Soldaten sind zur Wahrheit verpflichtet. Vorgesetzte haben in Haltung und Pflichterfüllung ihren Soldaten ein Vorbild zu sein. Generalmajor Fuller hat ehrlich seine Meinung als amerikanischer Bürger über einen wenig fähigen und nicht vertrauenswürdigen afghanischen Präsidenten geäußert. Wenn schon die US -Regierung  nicht den Mut hat, Karsais Äußerungen zu kommentieren und zurechtzurücken, dann sollte sie an sich einem mutigen General dankbar sein, der auch in Richtung der ihm anvertrauten Soldaten die Wahrheit sagt. Gerade in demokratischen Gesellschaften wünscht man sich mehr Offiziere mit ausgeprägtem Rückgrat, die - bei aller gebotenen Zurückhaltung - immer dann öffentlich angemessene Kritik äußern, wenn es erforderlich ist.

Das Verhalten Karsais erfordert kritische Stellungnahmen von allen, die Verantwortung für Soldaten tragen, die in Afghanistan ihr Leben einsetzen. Das verlangt nicht zuletzt auch die Selbstachtung.

 

 (05.11.2011)

 

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