Hans-Heinrich Dieter

Treffen NATO-Russland-Rat   (23.04.2016)

 

Der NATO-Russland-Rat hat auf Betreiben von Außenminister Steinmeier erstmals seit 2014 getagt. Das hat der SPD-EuropahinterbĂ€nkler Knut Fleckenstein als "sehr kluge Entscheidung" begrĂŒĂŸt. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG gibt die PlattitĂŒde von sich: „Es ist immer besser, miteinander zu reden als ĂŒbereinander.“ Und das STRAUBINGER TAGBLATT meint: „Es hat nur zwei Jahre gedauert, um die einigermaßen vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Moskau und der NATO zu zerschlagen. Dass es sehr viel mehr Zeit brauchen wird, diese NĂ€he wieder zu erreichen, erscheint absehbar.“ Überwiegend zeigt man sich in der Politik und in den Medien erleichtert, es schwingt aber auch immer Kritik - allerdings nicht an Russland - mit: „Die NATO ist in diesem Fall ein bisschen das Problem gewesen, weil sie den Dialog abgebrochen hat. Es ist ja nicht besser geworden dadurch, dass man nicht miteinander geredet hat.“ sagt zum Beispiel Fleckenstein. Besonders bei der Umsetzung des Minsk-Abkommens sei bei Weitem nicht das erreicht worden, was man vereinbart habe. Das liegt aber nicht an der Aussetzung des NATO-Russland-Rates.

Es wird viel zu wenig diskutiert, dass es Russland war, das sich mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, als „Partner“ nachhaltig disqualifiziert hat. Inzwischen nehmen viele Politiker es offensichtlich als natĂŒrlich an, dass Russland gegen seinen Nachbarn Ukraine einen hybriden Krieg fĂŒhrt und die baltischen Staaten und Polen durch aggressive Politik bedroht. Die Putin-Versteher und Putin-JĂŒnger erwecken den Eindruck, dass sie bereit sind, die Annexion der Krim und eine Abspaltung der Ost-Ukraine hinzunehmen und anzuerkennen, um Putin gewogen zu stimmen und irgendwie wieder freundlich einzubinden. Das ist eine politisch unwĂŒrdige und wertevergessene Haltung!

DarĂŒber hinaus vergessen solche Politiker, dass Putin an einer Partnerschaft nicht aufrichtig interessiert ist. Putin blockiert Minsk II. In Syrien hat Russland gezeigt, dass es ohne Abstimmung mit der westlichen Allianz, wĂ€hrend laufender militĂ€rischer Operationen zur Zerschlagung des Islamischen Staates seine ganz eigenen geopolitischen Ziele verfolgt, nur vorgibt den IS zu bekĂ€mpfen aber real das Assad-Regime unterstĂŒtzt sowie stabilisiert und dabei zusĂ€tzliche FlĂŒchtlinge „produziert“, die zur Destabilisierung Europas beitragen sollen. Wenn Putin an einer Partnerschaft mit der westlichen Welt interessiert wĂ€re, dann wĂŒrde er nicht durch Luftraumverletzungen der TĂŒrkei und der baltischen Staaten stĂ€ndig provozieren. Und der russische NATO-Botschafter Gruschko machte schon vor dem Treffen deutlich, dass Russland zwar an dem GesprĂ€ch teilnimmt aber diesen Dialog genauso wenig braucht wie eine RĂŒckkehr zum G8-Format, weil Russland ja gute andere Möglichkeiten habe, seinen Einfluss geltend zu machen. Und nach den Beratungen in BrĂŒssel sagte Gruschko, es könne keine Verbesserung der Beziehungen geben, solange die NATO ihre militĂ€rischen AktivitĂ€ten an der russischen Grenze nicht zurĂŒckfahre. Russland werde auf Versuche militĂ€rischer Gewalt entsprechend reagieren. Das sind geradezu perverse Verdrehungen politischer RealitĂ€ten.

Bisher sind die Positionen also unversöhnlich und sie werden es im Fall der von Russland widerrechtlich besetzten Krim auf lĂ€ngere Sicht auch bleiben. Denn die Halbinsel gibt Moskau freiwillig wohl nicht wieder her. Trotzdem ist es richtig, GesprĂ€che zu fĂŒhren. Der Dialog auf Botschafterebene ist ein wichtiger erster Schritt. Dabei muss die NATO aber auch unmissverstĂ€ndlich Position beziehen. NATO-GeneralsekretĂ€r Stoltenberg tut das.Er warf Russland vor, fĂŒr die Destabilisierung der Ostukraine verantwortlich zu sein und die Separatisten mit Munition, AusrĂŒstung und Finanzmitteln zu unterstĂŒtzen. Die NATO erkenne die Annexion der Krim durch Russland weiter nicht an und fordere die Regierung in Moskau auf, zur Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk beizutragen.

Und das Treffen in BrĂŒssel ist auch Teil einer diplomatischen Taktik, vor allem von Seiten der NATO. Das transatlantische BĂŒndnis wird sich bei seinem Gipfel Anfang Juli in Warschau mit der VerstĂ€rkung seines Abschreckungspotenzials im Osten Europas beschĂ€ftigen. Auch deshalb war es vielen MitgliedslĂ€ndern wohl wichtig, vor dem Treffen zu zeigen, dass man zumindest versucht, mit Russland zu reden. Insofern geht es jetzt weder um Tauwetter noch um Normalisierung, sondern es geht um den Versuch einer Stabilisierung der Lage. Und wenn durch GesprĂ€che mit Russland das Risiko bei militĂ€rischen ZwischenfĂ€llen ĂŒber der Ostsee minimiert werden kann, wĂ€re auch das ein Erfolg. Die grundlegenden Differenzen und Spannungen bestehen aber weiter solange Russland seine völkerrechtswidrige und aggressive Politik nicht korrigiert.

PrĂ€sident Obama ordnet das richtig ein und reagiert konsequent auf die zunehmende AggressivitĂ€t Russlands unter Putin indem er ankĂŒndigt, eine komplette Panzerbrigade mit 4200 Soldaten, 250 Panzern, außerdem Haubitzen, Kampffahrzeuge und weiteren 1700 zusĂ€tzlichen Fahrzeugen an die Ostflanke der NATO zu verlegen. Das ist wichtig fĂŒr das BĂŒndnis und unsere osteuropĂ€ischen Partner. Die NATO orientiert sich konsequent an der politischen RealitĂ€t und hat zur ProfessionalitĂ€t der Zeiten vor den Friedensdividenden-TrĂ€umen zurĂŒckgefunden. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass die USA die NATO bei dieser konsequenten Politik unterstĂŒtzen und im Hinblick auf verstĂ€rkte Verteidigungsanstrengungen in Europa mit gutem Beispiel vorangehen. Das wird nicht ohne Auswirkungen auch auf Deutschland bleiben. Im Vorfeld des Obama-Besuches in Deutschland wird die US-Forderung deutlich, dass sich die Bundeswehr signifikant an der geplanten Stationierung von NATO-Einheiten in Osteuropa beteiligen soll. Erwartet werden wohl Truppen und KriegsgerĂ€t fĂŒr die NATO-PrĂ€senz in den baltischen Staaten, Polen und RumĂ€nien. Und US-PrĂ€sident Obama soll dies bereits im Nationalen Sicherheitsrat thematisiert haben.

Aggressive und neoimperialistisch eingestellte Autokraten wie Putin missverstehen ZugestÀndnisse, Beliebigkeit und Nachgiebigkeit als SchwÀche. Wenn GesprÀchsformate auch dazu dienen die gegenseitigen Positionen zu verdeutlichen, dann sollten sie intensiv genutzt werden.

(23.04.2016)

 

 

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