Hans-Heinrich Dieter

Streit um Südchinesisches Meer   (15.07.2016)

 

Am Anfang der Woche hat das UN-Schiedsgericht in Den Haag einen lange andauernden Streit zwischen Japan, den Philippinen, Vietnam und China entschieden - fragt sich mit welchem Erfolg!

Das UN-Schiedsgericht stellt fest, dass es für die chinesischen Gebietsansprüche - 80 Prozent des 3,5 Millionen Quadratkilometer großen Gebietes, darunter Inseln und Riffe, die teils mehr als 800 Kilometer von der chinesischen, aber nur etwa 220 Kilometer von der philippinischen Küste entfernt liegen - keine Grundlage gibt und wirft China vor, dass es mit seinen besitzergreifenden Aktionendie Souveränitätsrechte der Philippinen in deren exklusiver Wirtschaftszone verletzt. Außerdem heißt es in dem Richterspruch, China habe dem Korallenriff-Ökosystem der Spratly-Inseln irreparablen Schaden zugefügt und Chinas Ansprüche widersprächen der UN-Konvention. Das Urteil ist rechtlich bindend, doch gibt es keine konkreten Mittel, seine Umsetzung zu erzwingen.

Und wie agiert das kommunistische, ständige Mitglied des UN-Sicherheitsrates? China hatte dem Gericht vorab bereits die Zuständigkeit abgesprochen und erkennt daher das Urteil nicht an. Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bezeichnete den Gerichtshof als „gesetze-missbrauchendes Tribunal“ und den Richterspruch als „krankhaft“. Das Urteil bestehe aus „verdrehten Tatsachen, fehlinterpretierten Gesetzen und einem Bündel Lügen.“ Darüber hinaus hat Peking - wie schon 2013 im Insel-Streit mit Japan -  mit der Einrichtung einer Flugüberwachungszone gedroht, denn China hat ja auch Fakten geschaffen und an einigen Riffen schon massiv Land aufgeschüttet und Militäranlagen gebaut.

Die USA, Japan, die Philippinen und Vietnam begrüßen das Urteil und halten es für rechtlich bindend. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini rief alle Parteien auf, das Urteil des Gerichts zu respektieren. Aber die EU ist wie eigentlich immer uneinig.

Bis zum Beginn des ASEM Gipfels ist es der „Wertegemeinschaft“ EU nicht gelungen, eine geschlossene Position zu der Entscheidung des Haager Schiedsgerichts zu formulieren. Kroatien, Ungarn und Griechenland haben sich aus nationalistischen Interessen gegen eine gemeinsame Erklärung gesperrt. Die EU-Staaten haben sich aber jetzt nach tagelangem Ringen auf eine gemeinsame Erklärung zum Streit um das Südchinesische Meer einigen können: Die Europäische Union erkennt die Entscheidung des internationalen Schiedsgerichts in Den Haag an. Alle Parteien sollen sich nun um eine friedliche Lösung der Gebietsstreitigkeiten bemühen.

Der Schiedsspruch des Ständigen Schiedsgerichtshofes in Den Haag, der ja die friedliche Beilegung internationaler Streitfälle erleichtern soll und dem 121 Staaten beigetreten sind, und das Verhalten der betroffenen Staaten sowie politisch verantwortlicher Institutionen wirft Fragen auf.

Warum akzeptiert man Staaten als ständige Mitglieder des wichtigen UN-Sicherheitsrates, die nicht bereit sind, einem wichtigen UN-Schiedsgericht beizutreten und dessen Entscheidungen als verbindlich zu akzeptieren, sondern vielmehr in beleidigender Weise gegen das Gericht polemisieren, gegen das Völkerrecht handeln und internationale Abkommen nicht einhalten? Warum schaffen die Vereinten Nationen kein Sanktionsregime, das es ermöglicht, rechtlich bindende Urteile auch durchzusetzen? Warum akzeptieren die UN ihre andauernde Handlungsunfähigkeit aufgrund der oft nicht zu vereinbarenden nationalen Interessen der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates? Warum versuchen die UN nicht ernsthaft, die längst überfälligen Reformen des Weltsicherheitsrates in Angriff zu nehmen?

Ein Blick auf die fünf ständigen Mitglieder macht die Dringlichkeit der Reformen deutlich. Die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkrieges haben sich nach 1945 mit der Welt verändert. Die USA sind Supermacht geblieben, haben aber durch den verlorenen Vietnamkrieg und den ungerechtfertigten zweiten Irakkrieg moralischen Anspruch stark eingebüßt und an Glaubwürdigkeit verloren. Die Sowjetunion wurde lange von dem Massenmörder Stalin beherrscht, ist inzwischen zusammengebrochen und Russland ist keine Supermacht mehr. Russland will aber wieder eine Supermacht werden - auf Kosten souveräner Staaten und Nachbarn – kündigt die Partnerschaft mit dem Westen auf, stellt sich der zivilisierten Welt entgegen und scheint dabei auch vor einem neuen Kalten Krieg nicht zurückzuschrecken. Mit der Annexion der Krim hat Russland das Völkerrecht gebrochen und mit dem verdeckten Krieg gegen die Ukraine hat Russland das Vertrauen der westlichen Welt in seine Berechenbarkeit als Partner verloren. Als eine Reaktion blockiert Russland permanent Resolutionen des UN-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit der Syrienkrise durch sein Veto. Das kommunistische China wurde nach dem zweiten Weltkrieg durch den Massenmörder Mao beherrscht. China hat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung geleistet und strebt aggressiv die Vorherrschaft im pazifischen Raum an, das hat eine gleichsam natürliche Gegnerschaft mit den USA zur Folge und begründet eine stark eingeschränkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit im UN-Sicherheitsrat. Großbritannien repräsentiert nicht mehr das British Empire, hat an Bedeutung in der Weltpolitik und auch in Europa stark eingebüßt und deswegen ist auch eine privilegierte Stellung mit ständigem Sitz im Weltsicherheitsrat und Vetorecht nicht mehr gerechtfertigt. Und Frankreich versteht sich unverändert selbst als Grande Nation, ist aber politisch und wirtschaftlich weit davon entfernt, dem selbstgesetzten Anspruch nur annähernd gerecht zu werden. Deswegen ist eine privilegierte Stellung Frankreichs in den Vereinten Nationen nicht mehr gerechtfertigt. Die fünf ehemaligen Siegermächte haben heute hauptsächlich eines gemeinsam, alle betreiben mehr oder weniger egoistisch Machtpolitik, die die Belange der Weltbevölkerung nicht in den Vordergrund stellen.

Aufgrund der globalen politischen Herausforderungen werden handlungsfähige und durchsetzungsfähige Vereinte Nationen dringender gebraucht denn je. Die Welt fällt auseinander und die Kriegsgefahr erhöht sich, wenn das Völkerrecht nicht akzeptiert wird, internationale Abkommen sowie UN-Konventionen nicht eingehalten werden und wenn die Vereinten Nationen dem Völkerrechtsbruch der ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates Russland und China nur macht- und tatenlos zusehen können.

(15.07.2016)

 

 

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