Hans-Heinrich Dieter

Stellvertreter-Krieg im Jemen   (29.03.2015)

 

Das sunnitische Saudi-Arabien hat mit 9 weiteren arabischen Staaten begonnen, die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen zu bombardieren, um mit dieser Intervention die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. Zuvor hat der schiitische Iran die Huthis im Jemen finanziell und mit Waffenlieferungen unterstützt, um seinen Einfluss auf der Arabischen Halbinsel auszubauen und möglichst einen der strategisch günstigsten Punkte der Region zu kontrollieren. Hier setzt sich die Serie von Stellvertreter-Kriegen der rivalisierenden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien fort, die im syrischen Bürgerkrieg und im Irak begonnen hat. Der schiitische Iran unterstützt schiitische Verbündete – egal ob Bevölkerungsgruppen oder Terrororganisationen – und Saudi-Arabien unterstützt zusammen mit anderen sunnitischen Staaten in lokalen und regionalen Bürgerkriegen finanziell, ideologisch, mit Waffen und mit Kämpfern. Statt das hochbrisante Pulverfass Naher Osten zu entschärfen, zündeln die religiös und ethnisch verfeindeten Regionalmächte, schüren den gegenseitigen Hass und vertiefen die ohnehin starken Ressentiments. Die Gefahr eines Flächenbrandes wächst.

Auf dem Gipfel-Treffen der Arabischen Liga in Sharm El-Sheikh hat eine Allianz von zehn arabischen Staaten unter Führung des saudi-arabischen Königs Salman die Luftschläge gegen die jemenitischen Rebellen als Reaktion auf bestehende Bedrohungen der arabischen Welt durch eine persische Regionalmacht gerechtfertigt. Es ist aber zu befürchten, dass die Luftangriffe jedoch vielmehr zur Ausweitung als zur Lösung des Konflikts im Jemen und in der Region beitragen. Das nehmen Saudi-Arabien und die arabische Allianz offenbar billigend in Kauf, um den Einfluss des Irans im Jemen zu stoppen und auch die Verbesserung der Beziehungen der USA zum Iran zu torpedieren. Ihnen ist es offenbar vordringlich wichtig, ein eindeutiges Signal an Teheran und eine klare Botschaft an Rebellen in allen arabischen Gebieten zu senden, dass die Arabische Liga - oder zumindest ein Teil von ihr - bereit ist, Solidarität zu üben und mit gemeinsamem arabischem Engagement gegen Instabilität in der arabischen Welt vorzugehen. Die ursprünglich ägyptische Idee eines arabischen Militärbündnisses nimmt Gestalt an und ist im Jemen schon im Einsatz.

Dieses gemeinsame arabische Engagement wird Teheran nicht ganz unbeeindruckt lassen, denn der Iran wird wenig Interesse haben, selbst direkt in den Konflikt mit hineingezogen zu werden. Deswegen wird es vom Erfolg der schiitischen Rebellen abhängen, wie lange und wie intensiv Teheran bereit sein wird, die Huthis finanziell, logistisch und militärisch zu unterstützen. Aber selbst ein Erfolg oder ein Misserfolg der Huthis im Jemen sind keine Grundlage für eine Stabilisierung des zerfallenden Staates, denn es gibt mehrere große, rivalisierende Stammeskonföderationen, die hauptsächlich die Vorteile ihres Stammes im Auge haben. Während Al Kaida in der Vergangenheit wohl bemüht war, mit den Stämmen zusammenzuarbeiten und Gewalt zu vermeiden, hat der „Islamische Staat“ mit seinen jüngsten brutalen Anschlägen die Gewalt potenziert und die Instabilität deutlich verstärkt.

Und wie immer in solchen Konfliktlagen stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten der USA und der internationalen Staatengemeinschaft zur Konfliktlösung beizutragen. Die USA sind in einer ganz verzwickten Situation. Sie haben kürzlich ihr Personal und ihre letzten Truppen aus dem Jemen überstürzt evakuiert. Die Huthi-Rebellen kämpfen heute mit Waffen gegen die Zentralregierung, die die USA in der Vergangenheit massenweise in den Jemen geliefert haben. Im Atomkonflikt mit dem Iran suchen sie den Ausgleich mit Teheran, im Jemen unterstützen sie aber die Sunniten – ausgenommen IS -  gegen die vom Iran geförderten schiitischen Huthi. Außerdem unterstützen die USA im Irak schiitische Milizen, die von iranischen Kommandeuren befehligt, beim Kampf gegen die sunnitische Terror-Organisation „Islamischer Staat“, um die problematische Gemengelage nur in großen Zügen und vereinfacht darzustellen. In dieser vertrackten Lage werden die USA, zusammen mit der westlichen Welt, keine klare geopolitische Richtung fahren können. Im Nahen Osten vertraut man der Weltmacht USA auch nicht mehr.

Die Arabische Liga nimmt die Entwicklung selbst in die Hand mit der Idee des arabischen Militärbündnisses, mit der arabischen Allianz im Jemen-Konflikt und mit der Entscheidung zur Gründung einer gemeinsamen arabischen Eingreiftruppe von etwa 40.000 Elitesoldaten gegen den Terror in der arabischen Welt. Das ist gut, weil die Probleme in der arabischen Welt nur von Arabern gelöst werden können. Andererseits vertiefen die Aktivitäten der Arabischen Liga die Rivalität zwischen den um die Vormacht im Nahen Osten ringenden Regionalmächten Iran und Saudi-Arabien. Deswegen werden die Appelle der Vereinten Nationen zunächst wirkungslos bleiben und auf Anzeichen für die dringend benötigte Waffenruhe wird die Welt noch lange warten müssen.

Das Engagement der Arabischen Liga ist diesmal stärker und realer als die bisherigen vollmundigen aber wirkungslosen Erklärungen in den sieben Jahrzehnten ihres Bestehens. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass der Liga unter anderem auch der Irak, der Jemen, Libyen, Somalia, der Sudan und Syrien angehören, die allesamt mit radikalislamischen Rebellengruppen zu kämpfen haben, dann ist Skepsis im Hinblick auf eine Problemlösung in naher Zukunft berechtigt. Die westliche Welt sitzt zusammen mit den im Sicherheitsrat paralysierten Vereinten Nationen hauptsächlich auf der Zuschauertribüne.

Der Jemen wird als Staat also scheitern, der Flächenbrand im Nahen Osten wird sich ausbreiten und der „Islamische Staat“ wird erneut Grund zum Triumph haben.

(29.03.2015)

Lesen Sie zum Thema auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/eingreiftruppegegenis.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte