Hans-Heinrich Dieter

“Staatsmann” Putin   (30.01.2015)

 

Zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz war Putin als Ehrengast geladen. Das war damals allerdings ein anderer Putin, der sich als Partner Europas verstand und "sein Wort immer gehalten" habe, wie Ex-US-Präsident Clinton einmal feststellte.

Zum 70. Jahrestag hatten die polnischen Gastgeber keine Einladungen verschickt, wohl aber die jeweiligen diplomatischen Vertretungen auf die Feier hingewiesen. Alle Interessierten verstanden das und nahmen an der Gedenkfeier teil, wie Bundespräsident Gauck. Putin fühlte sich nicht erwünscht und blieb verschnupft fern. Dieser Putin hat die Partnerschaft mit Europa aufgekündigt, betreibt mit Erfolg ein Stalinismus-Revival, verletzt das Völkerrecht, missachtet die Souveränität seines Nachbarn Ukraine und hat die Krim widerrechtlich annektiert. Außerdem bricht dieser Putin permanent Abmachungen sowie sein gegebenes Wort und lügt dabei geradezu notorisch. Irgendwie wirkt der Kremlchef dabei psychisch instabil.

Putin veranstaltete zum Gedenken an Auschwitz seine eigene Feier im jüdischen Museum von Moskau und nutzte die Gelegenheit zur Propaganda. Er forderte dreist eine Rückbesinnung auf internationale Zusammenarbeit. Bei einer Veranstaltung mahnte der Aggressor, der sich bewusst gegen die westliche Welt gestellt hat, mehr internationale Zusammenarbeit an. Er stellte fest: "Die Gefahr eines Strebens nach Weltherrschaft (...) zeigt sich mit voller Wucht in der Ostukraine, wo Zivilisten kaltblütig erschossen werden", wahrscheinlich unterstellt er dabei, dass "NATO-Legionen" dort im Einsatz sind, wie er neulich vor Studenten in Sankt Petersburg behauptet hat. Und er überbot sich als Propagandist selbst mit der aus seinem Mund skurril klingenden Forderung: "Wir sollten gemeinsam (...) das Recht von Staaten auf ihren eigenen Weg der Entwicklung verteidigen". Das sagt Putin, der am 4.März 2014 Journalisten gegenüber erklärte, eine Annexion der Krim würde "nicht erwogen" und der die uniformierten Profis auf der Krim als "lokale Selbstverteidigungskräfte" bezeichnet hat. Zwei Wochen später feierte er dann auf dem Roten Platz die Heimholung der Krim und räumte ein, natürlich habe er russisches Militär eingesetzt, denn ohne Soldaten habe man ja "die Volksabstimmung nicht durchführen können". Ein dreister Lügner, der die Stirn hat, der Welt seine Lügen stolz einzugestehen, wenn er damit Erfolg hatte! Kanzlerin Merkel hat das inzwischen erkannt und will nur noch verhandeln, wenn es erkennbare Aussicht auf Erfolg gibt, Steinmeier brechen langsam seine Illusionen zusammen, aber Gazprom-Schröder glaubt Putin immer noch und hält ihn für einen "lupenreinen Demokraten" - das ist halt eine echte Männerfreundschaft!

Der Ex-KGB-Agent Putin ist sein bester eigener Propagandist. Die Staatsmedien und der Propagandaapparat haben in ihm ein echtes Vorbild, dem sie freudig und erfolgreich nacheifern können. Und auch die Linksfraktion im Bundestag geht dem Kremlchef weiter auf den Leim, hält an Putin in alter sozialistischer Treue fest. Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke hat jetzt vorgeschlagen, Putin in den Bundestag einzuladen, um ihn am 8. Mai die Gedenkrede zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges halten zu lassen. Das wäre ein schlechter Treppenwitz, wenn man dem Neoimperialisten, der gerade dabei ist, den Kalten Krieg wiederzubeleben, eine Bühne für seine Propaganda bieten würde. 2014 mussten NATO-Kampfflugzeuge 400 mal aufsteigen, weil russische Jets dem Luftraum von NATO-Ländern gefährlich nahe gekommen waren, das sind schon Zahlen wie im Kalten Krieg. Über dem Baltikum hat sich die Zahl solcher Manöver vervierfacht. Als russische Kampfflugzeuge mit gefährlichen Manövern jüngst im Ärmelkanal Änderungen von Zivilflugrouten erzwangen, bestellte die britische Regierung konsequent den russischen Botschafter ein. Die Briten sind eben selbstbewusst.

Ähnlich skurril ist der Vorschlag von Links-Fraktions-Vize Gehrke, Bundespräsident Joachim Gauck könne im Gegenzug "vom russischen Parlament eingeladen werden, dort eine Rede zu halten, oder an den Feierlichkeiten am 9. Mai auf dem Roten Platz in Moskau teilnehmen". Warum sollte der deutsche Bundespräsident eine pseudodemokratische Institution aufwerten oder sich auf dem Roten Platz einer nationalistischen Bevölkerung aussetzen, die mehrheitlich die aggressive widerrechtliche Politik Putins gutheißt und inzwischen wieder mehrheitlich der Auffassung ist, dass der Kapitalverbrecher Stalin ein guter russischer Führer war? Diese Entwicklung in der russischen Gesellschaft ist neben dem Rückbau demokratischer Errungenschaften wohl das bedrückendste Ergebnis putinscher Politik.

Russland führt verdeckt Krieg in der Ostukraine und gibt nicht zu erkennen, dass es die permanente Destabilisierung der Ukraine beenden will. Solange Putin die Minsker Friedensvereinbarungen nicht einhält und umsetzt, ist er nur ein stark eingeschränkt vertrauenswürdiger Gesprächspartner. Solange sich Putin als Gegner Europas begreift, sollte er nicht hofiert und als Pseudo-Partner behandelt werden. Putin versteht nur Klartext und konsequentes Handeln. Lavierende Zugeständnisse wertet er als Schwäche des dekadenten Westens. Deswegen ist die gemeinsame konsequente Politik der EU so wichtig und da kann man nur hoffen, dass solche aus Moskauer Sicht "nützliche Idioten" wie Tsipras sich nicht als Spaltpilz erfolgreich auswirken.

(30.01.2015)

 

 

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