Hans-Heinrich Dieter

Ein sehr sperriger NATO-Partner und “Freund”   (08.03.2013)

 

Die Türkei, damals ein säkulares, westlich orientiertes muslimisches Land, ist seit Februar 1952 Mitglied der NATO und bringt nach den USA die zweitgrößte Anzahl an aktiven Soldaten in das Bündnis ein. Die türkischen Streitkräfte waren an fast allen Auslandseinsätzen der westlichen Welt beteiligt und sie sind heute noch z.B. bei KFOR und ISAF engagiert. Die Türkei ist wichtig für die NATO und war über die Jahre ein zuverlässiger Partner.

Seit der Besetzung Nordzyperns durch die türkischen Streitkräfte im Juli 1974 kam es allerdings immer wieder zu Belastungen der NATO durch die Türkei.

Seit Erdogan an der Macht ist, ist eine starke Re-Islamisierung der Türkei zu beobachten. Die Türkei kooperiert mit dem Iran und unterstützt dessen Atomprogramm. Der türkische Nachbar hat Syrien noch als Freund und Partner gestützt, als schon lange offensichtlich war, dass Assad Truppen gegen die syrische Bevölkerung einsetzt. Und spätestens seit der israelischen GAZA-Blockade gebärdet sich die Türkei mit nahezu der Rhetorik totalitärer arabischer Staaten als erklärter Feind Israels.

Als Auswirkung dieser Politik legt die Türkei gegen die Teilnahme Israels am NATO-Gipfel im Mai 2012 in Chicago ihr Veto ein und begründet diese Aktion mit der noch ausstehenden Entschuldigung Israels für den Angriff auf den türkischen Gaza-Hilfskonvoi. Das führte zu Protestreaktionen einiger NATO-Mitglieder im Zusammenhang mit der Teilnahme von Ländern wie Ägypten, Mauretanien, Algerien und Marokko am Mediterranen-Dialog der NATO. Zum wiederholten Mal belastete die Türkei mit bilateralen Problemen das Bündnis.

Der Chauvinist Erdogan macht aggressive Außenpolitik und verknüpft das mit Machtansprüchen wie "Unsere Interessen reichen vom Suezkanal bis zum Indischen Ozean." Erdogan stilisiert sich zur Symbolfigur eines muslimischen Frühlings. Gleichzeitig macht er Kanonenboot-Politik gegenüber Israel. Diese Politik erzeugt nicht nur bei den unmittelbaren Nachbarn Unruhe und Besorgnis.

Inzwischen ist der syrische Bürgerkrieg eskaliert, es kam zu geringfügigen "Verletzungen" im Zuge der türkisch-syrischen Grenze und die  militärisch starke Regionalmacht Türkei, die sich durch Syrien kaum ernsthaft militärisch bedroht sehen kann, hat die NATO um Unterstützung für rein defensive Maßnahmen gegenüber Syrien gebeten.Außenminister Westerwelle betonte, "Wenn man selber in einem Bündnis ist, kann man nicht wegsehen, wenn ein anderer Partner um Hilfe bittet."Der Deutsche Bundestag beschloss mit großer Mehrheit die Entsendung von zwei Flugabwehrraketenstaffeln "Patriot" der Bundeswehr in den Süden der Türkei und rechtfertigte den Einsatz denn auch überwiegend als Ausdruck der Bündnissolidarität.

Inzwischen sind die Bundeswehrsoldaten im Auftrag des Parlamentes in der Türkei eingesetzt und der Wehrbeauftragte stellt erhebliche Missstände bei der Unterbringung der deutschen Soldaten fest.  Außerdem gibt es offenbar grundsätzliche Spannungen mit der Bevölkerung sowie mit dem türkischen Militär und ein nicht hinzunehmendes Verhalten des türkischen Lagerkommandeurs gegenüber einer deutschen Soldatin, bis hin zu Handgreiflichkeiten, und hinsichtlich der offiziellen Beflaggung des Lagers mit den Fahnen Deutschlands, der Türkei und der NATO. Der türkische Generalstab dementiert natürlich heftig.

Und anstatt den türkischen Botschafter in Deutschland einzubestellen und aufzufordern, sich mit der Lage der deutschen NATO-Soldaten in seinem Land vertraut zu machen und Lösungsmöglichkeiten für etwaige Probleme vorzutragen, schickt Deutschland den Stellvertreter des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, um die angespannte Lage durch Gespräche mit einem türkischen Divisionskommandeur zu deeskalieren. Trotz des Eklats vor einer Woche sei das Gespräch in einer freundlichen Atmosphäre geführt worden, man sei nun um rasche Lösungen bemüht, heißt es.

Abwiegeleien und Beschönigungen - Friede, Freude, Eierkuchen - mögen ja probate Mittel zur Problemverringerung auf nachgeordneter Ebene sein, das aktuelle Problem ist aber nur politisch zu lösen, denn immerhin hat der Wehrbeauftragte im Auftrag des Bundestages die Soldaten besucht, einen Bericht verfasst und dem Parlament vorgelegt. Ein schnödes und schroffes Dementi des türkischen Generalstabs, das den Wehrbeauftragten in ein Licht falscher Feststellungen und fehlerhafter Berichterstattung rückt, ist von deutscher Seite nicht hinzunehmen. Die Vorkommnisse sind vielmehr auf hoher politischer Ebene aufzuklären, zu bewerten und zu bereinigen.

In diesem Zusammenhang kann dann auch gleich die offensichtlich wenig solidarische Haltung des NATO-Partners Türkei im Zusammenhang mit dem geplanten Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan erörtert werden. Denn die Türkei will - jüngsten Meldungen zur Folge - offenbar nicht zulassen, dass Waffen der Bundeswehr im Hafen Trabzon in der Nordtürkei auf Schiffe umgeladen werden. Nur Container und unbewaffnete Fahrzeuge sollen umgeschlagen werden dürfen. Das würde bedeuten, dass Panzer und Kanonen nur auf dem Luftweg und mit erheblich höherem Kostenaufwand direkt nach Deutschland transportiert werden könnten.

Solidarität kann keine Einbahnstraße sein.  

Die NATO braucht die Türkei auch in Zukunft, allerdings nicht als vorwiegend muslimische Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten mit tendenziell nationalistischem Verhalten, sondern als den westlichen Werten aufgeschlossenes muslimisches Land, das sich als solidarischer Partner der Gemeinschaft versteht.

(08.03.2013)

 

 

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