Hans-Heinrich Dieter

Schwieriges Israel   (02.02.2013)

 

Einer der vielen Kommentatoren zur Lage im Nahen Osten hat kürzlich festgestellt, dass Israel den Nahost-Konflikt entpolitisiert hat. Wenn Politik den Frieden zum Gegenstand und Ziel hat, dann ist dem Kommentator sicher zuzustimmen.

Israel, unter der Führung von Netanjahu/Lieberman, hat in jüngster Zeit mit seiner Siedlungspolitik der Weltöffentlichkeit gezeigt, dass es an der Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen nicht interessiert ist. Israel hat damit dokumentiert, dass es bereit ist, die Rechte der Palästinenser weiterhin auch mit Füßen zu treten, wenn es vermeintlich den eigenen Interessen dient. Israel hat dadurch den gemäßigten Palästinensern signalisiert, dass es kein friedensorientierter Verhandlungspartner ist. Netanjahu/Lieberman haben so leider die fatale Auffassung der Hamas, dass Terror die einzige wirkungsvolle Antwort auf israelische Politik zu sein scheint, bestärkt, und tragen durchaus einen Teil Schuld an der Popularität der Terroristen, auch bei der palästinensischen Jugend.

Als UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und fast der gesamte Weltsicherheitsrat - außer den USA - den israelischen Siedlungsbau, insgesamt 3.000 Wohnungen, in palästinensischen Gebieten scharf kritisiert und einen sofortigen Stopp verlangt haben, weil solche Baumaßnahmen eine friedensförderliche Zwei-Staaten-Lösung gefährden und auch Rechte der Palästinenser verletzen, tat Netanjahu solche Kritik schnodderig ab: "Was die UNO sagt, ist mir egal." Israel - regiert von Netanjahu – machte damit sehr deutlich, dass es Mehrheitsentscheidungen der Vereinten Nationen nicht wirklich respektiert.

Nun hat Israel als erstes UN-Mitglied eine Ãœberprüfung der Menschenrechtssituation auf seinem Staatsgebiet durch das zuständige Gremium der Vereinten Nationen boykottiert. Letzte Woche in Genf erschienen Vertreter Israels nicht zu einer dafür seit langem turnusmäßig angesetzten Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Der Ratspräsident sprach von einer "beispiellosen Situation" in der Geschichte des UN-Gremiums. In einer Resolution wird nun das israelische Verhalten "bedauert" und die Regierung in Tel Aviv gebeten, ihre ablehnende Haltung zu überdenken und noch in diesem Jahr dem Gremium Rede und Antwort zu stehen. Bezeichnend ist, dass der Boykott durch Außenminister Lieberman mit den Worten angekündigt war, der UN-Menschenrechtsrat sei "parteiisch und nicht objektiv", und die Sitzungen des jeweils 47 UN-Staaten umfassenden Gremiums – darunter für drei Jahre auch Deutschland - sei ein "absurdes Theater". Mit diesem Boykott drückt Israel seine Geringschätzung für die internationale Staatengemeinschaft sowie Menschenrechte aus und stellt sich außerhalb der Gemeinschaft.

Im Oktober 2012 hat Israel völkerrechtswidrige Angriffe auf eine Waffenfabrik im Sudan geflogen, jetzt meinte Israel, einen Luftschlag auf einen angeblichen Transport von Hisbollah-Waffen mitten im Bürgerkriegsland Syrien führen und damit souveränes Territorium verletzen zu müssen. Seit 1967 herrscht zwischen Syrien und Israel zwar lediglich ein Waffenstillstand, deswegen verletzt ein solcher Angriff internationales Recht – und das war nicht der erste Luftangriff auf syrisches Territorium. Israel versäumt kaum eine Gelegenheit, im arabischen Raum zu zündeln. Darüber hinaus macht Netanjahu deutlich, dass ihm nicht nur die UNO sondern auch Völkerrecht und territoriale Grenzen egal sind. Israel schürt mit solchen Maßnahmen die Wut in der arabischen Welt und stabilisiert dadurch gleichzeitig das Regime Assad. Solche militärischen Maßnahmen werden von großen Teilen der Weltgemeinschaft als aggressiver Akt angesehen werden und die Isolation Israels verstärken. 

Israel fühlt sich zunehmend isoliert, von einigen Freunden vernachlässigt oder verlassen, von Arabern gehasst und umzingelt, vom Iran nuklear bedroht und von Hamas und Hisbollah terrorisiert. Israel hat sich in der geschichtlich begründeten Opferrolle eingerichtet und erkennt nicht, dass es inzwischen auf dem gefährlichen Weg ist, sich teilweise zum Täter zu entwickeln. 

Mehr als die Hälfte der israelischen Öffentlichkeit hat leider noch nicht erkannt, dass die derzeitige israelische Politik das Land immer weiter isoliert, dem Frieden im Nahen Osten zunehmend schadet und somit auch Antisemitismus fördert, sonst hätte sie sich bei der letzten Knesset-Wahl für eine gemäßigte und friedensorientierte parlamentarische Mehrheit entschieden. Netanjahu muss mit den moderaten und liberalen Politikern Kompromisse schließen und da liegt es nahe, dass er sowohl der Welt demonstrieren wollte, dass Israel gegen jegliche Bedrohung von außen gewappnet ist, als auch den Gemäßigten in Israel deutlich machen wollte, dass nicht Friedensbemühungen sondern Waffengewalt das Gebot der Stunde, Tage und Monate sind. Gleichzeitig provoziert Israel nicht nur Assad sondern auch Drohgebärden des Iran. Sollte sich der Iran zu Militäraktionen hinreißen lassen, dann wäre das für Netanjahu ein Anlass, den Iran anzugreifen und die USA an seine Seite zu zwingen. Das wäre dann auch das Ende der Nahost-Politik der USA mit unabsehbaren Folgen für die ganze Region des Nahen und Mittleren Osten.

Israel verweigert sich einer am Frieden im Nahen Osten orientierten Politik und legt mit eigenmächtigen, teilweise völkerrechtswidrigen, militärischen Maßnahmen die Lunte an das arabische Pulverfass. Das macht die Politik Israels so gefährlich.

(02.02.2013)

 

 

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