Hans-Heinrich Dieter

Schutzmacht USA   (04.06.2014)

 

In seiner ersten Grundsatzrede Anfang 2013 hat US-Außenminister John Kerry den globalen Führungsanspruch der Vereinigten Staaten unterstrichen: "Amerikas nationales Interesse zu führen bleibt in der Welt weiter bestehen." Und er fügte hinzu, dass Außenpolitik heute auch die globale Wirtschaft und damit das Wohlergehen Millionen Amerikaner zu Hause stark beeinflusse.

Eine Supermacht zeichnet sich dadurch aus, dass sie solchem Führungsanspruch auch gerecht werden kann. Dazu gehört das Vertrauen zumindest der westlichen Welt in die politische, militärische und ökonomische Macht der USA und deren Fähigkeit, hauptsächlich die militärische Macht schnell und effektiv weltweit zur Wirkung zu bringen. An solchem Vertrauen hat es in letzter Zeit mehr und mehr gefehlt.

Nun bekräftigte US-Präsident Obama in einer außen- und sicherheitspolitischen Grundsatzrede vor der Militärakademie West Point solchen Führungsanspruch. Dieser Führungsanspruch müsse allerdings neu definiert werden zwischen der Wahrnehmung der Rolle eines allgegenwärtigen Weltpolizisten und einer selbstgewählten Isolation, die die Welt einem Machtvakuum überlässt. Amerika müsse auf der Weltbühne immer den Ton angeben fordert Obama.

Und der US-Präsident wird auch konkret, als er eine neue Anti-Terrorstrategie ankündigt. In enger Kooperation mit den Alliierten soll das weltweite und dezentralisierte Al-Kaida-Terror-Netzwerk nachhaltig bekämpft werden. Dazu will Obama einen "Antiterror-Partnerschafts-Fonds" gründen, den die USA zunächst mit fünf Milliarden Dollar befüllen. Mit diesem Fonds soll auch die Ausbildung jeweils einheimischer Spezialkräfte in Krisenstaaten finanziert werden. Darüber hinaus will der US-Präsident zukünftig die gemäßigte syrische Opposition unterstützen und er äußerte sich auch klar zur Zukunft amerikanischer Truppen in Afghanistan. Obama will 2015 noch 9.800 US-Soldaten im Rahmen der internationalen Ausbildungsmission "Resolute Support" am Hindukusch belassen und bis Ende 2016 alle Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Damit zieht er deutlich früher als erwartet einen Schlussstrich unter das weitgehend erfolglose, dann 15-jährige Engagement der USA. Diese Festlegungen zu Afghanistan haben die NATO-Partner kurz vor dem Treffen der NATO-Verteidigungsminister überrascht, denn zumindest Deutschland war von einer längeren Laufzeit von "Resolute Support" ausgegangen. Die wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung Afghanistans wird sich mit Sicherheit länger hinziehen.

Präsident Obama nutzte außerdem seine Europareise zum G7-Gipfel und zu den Feierlichkeiten in der Normandie für deutliche außen- und sicherheitspolitische Signale. Der erste Besuch mit herausgehobener Signalwirkung galt Polen. Diese Signalwirkung hat weniger mit der Teilnahme am Festakt zum 25. Jahrestag der ersten weitgehend freien Wahlen in Polen zu tun als mit der Ankündigung eines Militärprogramms für Osteuropa.

Angesichts des Konflikts in der Ukraine wollen die USA ihre Truppen in Osteuropa aufstocken und dafür eine Milliarde US-Dollar bereitstellen, weil die Sicherheit Polens und der anderen Verbündeten in Osteuropa ein Eckpfeiler der amerikanischen Außenpolitik sei. Die NATO-Mitglieder forderte Obama in diesem Zusammenhang auf, sich an dem Militärprogramm für Osteuropa zu beteiligen und jeweils mehr Geld für die Verteidigung auszugeben.

Die USA sind sich ihrer Verantwortung als Schutzmacht für die osteuropäischen Staaten bewusst und handeln entsprechend. Ohne die USA wären die Reaktionen auf den Bruch des Völkerrechtes und die Verletzung der Souveränität und Integrität der Ukraine durch Russland sicher weniger eindeutig und möglicherweise schwächer ausgefallen. Die USA sind viel eindeutiger bereit, Russland Grenzen seiner neoimperialistischen Politik aufzuzeigen als die Europäische Union. Die USA sind offenbar auch bereit, das deutliche Signal an Russland zu setzen, dass das NATO-Territorium sakrosankt ist und ein Angriff auf solches Territorium ein Angriff auf die NATO-Mitglieder darstellt. Dem soll auch die ins Auge gefasste dauerhafte oder rotierende Stationierung von NATO-Truppen in Polen und in den baltischen Staaten unter Ausschöpfung des Vertrages von 1997 dienen. Mit diesem doppelten Signal, Warnung und Abschreckung Russlands, sowie Zeichen der Solidarität mit unseren osteuropäischen Partnern, stellt Präsident Obama die Weichen für die richtige und angemessene Politik gegenüber dem derzeit unberechenbaren, nicht vertrauenswürdigen und aggressiven Russland.

Während Europa sich noch lange nicht einig ist und hauptsächlich von Solidarität redet, werden die USA Geld in die Hand nehmen und konkrete militärische Maßnahmen in Osteuropa ergreifen und die Ukraine bei der Stabilisierung ihrer Sicherheitslage unterstützen. Das schafft das dringend erforderliche Vertrauen in die westliche Führungsmacht und Schutzmacht der NATO. Die europäischen NATO-Mitglieder werden es angesichts der neuen Sicherheitslage in Europa nicht länger bei vollmundigen Reden belassen können, wenn sie nicht an Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten verlieren und von den USA als gleichberechtigter Partner eingeschätzt und respektiert werden wollen. Immerhin geht es um die Erhaltung des Friedens in Freiheit unserer Wertegemeinschaft und dazu müssen die EU und die europäischen NATO-Partner verteidigungspolitisch wieder handlungsfähiger werden.

Die USA bleiben für Deutschland und die EU der wichtigste Partner. Da kann man durchaus dankbar sein, dass die sicherheitspolitische Garantiemacht für den pazifischen Raum sich so eindeutig auch als Schutzmacht der NATO präsentiert und die Führung übernimmt.

(04.06.2014)

 

 

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