Hans-Heinrich Dieter

Schulmeisterei   (24.10.2012)

 

Bundeskanzlerin Merkel bat während der Bundeswehrtagung in Strausberg die Führungskräfte der Bundeswehr, bei der Neuausrichtung voranzugehen: "Wenn Sie als Vorgesetzte über die Neuausrichtung überzeugend argumentieren, dann fällt es auch den Soldaten und Mitarbeitern zumindest etwas leichter, die Folgen zu tragen." Da die Kanzlerin nicht allzu viel über die Bundeswehr weiß, bemüht sie einen Vergleich aus ihrem Studienfach und vergleicht die Generale etwas gequält mit „Katalysatoren“: Wenn die Offiziere fröhlich sprächen, überzeugt seien, erklärten, könnten sie diese Bundeswehrreform zu einem wirklichen Erfolg machen – "mit Herz und Verstand, mit dem Willen zum Effizienzgewinn ebenso wie mit kameradschaftlicher Zuwendung". Das klingt wie „Führen auf dem Ponyhof“. Aber vielleicht hatte die Kanzlerin dabei auch sich selbst ein wenig im Hinterkopf im Hinblick auf fröhliches und überzeugtes Sprechen beim Erklären ihrer teilweise durch waghalsige und schwer verständliche Wendungen gekennzeichneten Politik mit Herz und Zuwendung an die Bürger.

Der Verteidigungsminister sieht die Bundeswehr nun überhaupt nicht als eine Art Ponyhof und richtete eher strenge Appelle an das in Strausberg versammelte Führungspersonal der Bundeswehr, an der grundlegenden Reform der Streitkräfte aktiv mitzuwirken. Da fragt man sich, ob der Minister und seine Staatssekretäre wirklich glauben, dass das Führungspersonal möglicherweise in einer Art inneren Emigration ist und es solcher „Aufmunterung“ bedarf, oder ob die Appelle eher dazu dienen sollen, vom politischen Versagen in der Kommunikation der Neuausrichtung und beim Schaffen von politischen und finanziellen Rahmenbedingungen für das Gelingen der Reform abzulenken.

Immerhin hat Minister de Maizière Mängel und Defizite auch in seiner Kommunikation erkannt, sonst hätte er zwei Jahre nach Beginn der Neuausrichtung den Reformprozess von der Zielsetzung bis zur detaillierten Umsetzung nicht so eindringlich und teilweise entschuldigend vorgetragen. Die Ziele der Neuausrichtung dürften nun für jeden militärischen Führer nachlesbar und kommunizierbar sein. Das garantiert aber noch nicht den Erfolg der Umsetzung, denn kritische Geister zweifeln nicht ohne Grund an den gesetzlichen, finanziellen, personellen und demographischen Rahmenbedingungen der Reform. Und die Zweifel konnte der Minister mit seiner Rede bei der Bundeswehrtagung höchstens abmildern, nicht aber ausräumen.

Appelle sind gut für Soldaten, wenn es dafür einen Anlass gibt und durch den Appell ein Ziel gemeinsam besser erreicht werden kann. Wenn es der Neuausrichtung dient, dann war das sicher keine vergebliche Liebesmüh. Aber damit nicht genug, der Minister hat eine Art Sendungsbewusstsein.

Aus seiner Sicht verlangt ein tiefgreifender Veränderungsprozess wie die Neuausrichtung gute Führung. Daran hat es bisher offensichtlich nach Ansicht des Ministers eklatant gefehlt. Deswegen wiederholt er die fünf Punkte aus seiner Rede zum Dresdner Erlass: Führen durch Vorbild, Führen durch Führung, Führen durch Handeln, Führen durch Vertrauen sowie Führen durch Lob und erläutert wortreich und sehr detailliert, was er diesbezüglich von dem Führungspersonal der Bundeswehr erwartet. Der Minister weiß, dass es den §10 des Soldatengesetzes gibt, der die Pflichten des Vorgesetzten regelt, dass solche Grundsätze in der Zentralen Dienstvorschrift 10/1 niedergelegt sind, dass das Prinzip Führen mit Auftrag in zahllosen Schriften erläutert ist. Der Minister, auch „Die Büroklammer“ genannt, hat weitaus weniger Erfahrung mit militärischem Führen als die in Strausberg versammelten Militärs. Die nehmen das Sendungsbewusstsein des Ministers zur Kenntnis. Wenn der Minister bei der Vorbereitung auf seine Rede durch die Befassung mit der Führungsproblematik im Allgemeinen sowie beim Militär sein eigenes Führungsverständnis festigen konnte, dann hat sich auch diese Mühe gelohnt.

(24.10.2012)

 

 

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