Hans-Heinrich Dieter

Schuldenunion   (20.05.2020)

 

Das französisch-deutsche Modell eines 500 Milliarden schweren EU-Recovery Fonds ist ein Versuch, die Funktionsfähigkeit des deutsch-französischen EU-Motors zu demonstrieren und sich als europäisches Führungsduo bei der Bewältigung der Corona-Krise zu präsentieren. Da scheuen Macron und Merkel nicht davor zurück ein „Schuldenmodell“ aus dem Hut zu zaubern.

Die 500 Milliarden Euro sollen im Merkel-Macron-Modell vor allem aus Krediten kommen, die von der EU-Kommission sozusagen gemeinsam für die gesamte Europäische Union aufgenommen werden. Die EU-Kommission wäre damit ein Schuldner und das ist nach den EU-Verträgen nicht zulässig. Der EU-Haushalt, der von der Europäischen Kommission geführt wird, muss ausgeglichen sein. Und mit einer Vergemeinschaftung der Schulden über den EU-Haushalt wird die EU zur Transferunion und die Haushalts-Hoheit der nationalen Parlamente wäre ausgehebelt. Wenn man eine gemeinsame EU-Kreditfinanzierung in größerem Stil will, dann muss man die Struktur der EU ändern und Finanzsouveränität von den Nationalstaaten auf die EU übertragen. Und da hilft es auch nicht, wenn das vorgeschlagene Recovery-Fund-Modell zweckgebunden und ausschließlich dazu vorgesehen ist, die ökonomischen Folgen der Corona-Krise abzufedern. Die EU ist nun einmal ein europäischer Staatenbund mit stark eingeschränkten Befugnissen.

So solidarisch der Vorschlag auch klingt, er ist unausgegoren und vor allen Dingen in Deutschland nicht abgesprochen. Merkel hat das Parlament nicht einbezogen, das ja letztendlich zustimmen muss. Aus der Unionsfraktion kommen kritische Stimmen. Merkel hat wie so häufig selbstherrlich und anmaßend gehandelt und sich dabei auch noch von Macron über den Tisch ziehen lassen. Nicht umsonst heißt es in der Pariser Zeitung LIBERATION: „Der von dem französischen Staatspräsidenten Macron und Bundeskanzlerin Merkel initiierte Hilfsfonds greift im Wesentlichen Vorschläge des Elysée-Palastes auf.“ Macron arbeitet schon lange – gegen den Widerstand Deutschlands - in Richtung einer gemeinsamen EU-Finanzpolitik mit dem Ziel einer Transferunion, die auch dem überschuldeten und wirtschaftlich stark geschwächten Frankreich auf die Füße helfen soll. Deswegen hatte Frankreich ein deutlich größeres Volumen des Rettungsfonds gefordert, weil er ja nicht nur Italien und Spanien zu Gute kommen soll – darüber redet Macron aus nachvollziehbaren Gründen nicht! LA REPUBBLICA aus Rom jubelt natürlich: „Deutschland und Frankreich senden für Europa und die Märkte endlich das starke und lang ersehnte Signal: Italien erhält Geld ohne neue Schulden machen zu müssen, um die Wirtschaft zu reformieren. Wir stehen damit vor einer Umkehr von bisher diskutierten Regeln und vor der Geburt einer 'Transfer-Union', die von Teilen der nordeuropäischen Öffentlichkeit bislang wie eine Geißel abgelehnt wurde.“ Da sieht man schon, wie der EU-Recovery-Fonds missverstanden werden kann!

 Die FAZ schreibt deswegen kritisch dazu: „Vielleicht ist es nur ehrlich, Staaten wie Italien oder Spanien Zuschüsse zu zahlen, weil sie Kredite ohnehin nicht zurückzahlen könnten. Vielleicht ist es im eigenen Interesse Deutschlands, den politischen wie wirtschaftlichen Zusammenhalt der EU mit allen denkbaren Mitteln zu stützen. Zu schnell sollte die EU ihre Regeln und Prinzipien aber nicht über Bord werfen. Darauf zu achten bleibt nun den Nordeuropäern um die Niederlande überlassen - damit die EU nicht nur einen außergewöhnlichen, sondern den richtigen Weg beschreitet.“

Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark stellen sich gegen den Merkel-Macron-Plan und fordern, dass die EU nur rückzahlbare Kredite und keine Zuschüsse ausgibt. Und Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigt einen Gegenentwurf zu Merkel-Macron an. Ein Glück, dass es in der EU Realpolitiker mit gesundem Menschenverstand wie Kurz gibt!

Der „deutsch-französische EU-Motor“ fällt in letzter Zeit durch Fehlzündungen auf. Und das „europäische Führungsduo“ ist weniger anerkannt, weil der Präsident der überschuldeten und wirtschaftsschwachen Grande Nation den Eindruck einer lame duck macht und Merkel ein Auslaufmodell ist. Statt ein „Schuldenmodell“ aus dem Hut zu zaubern, sollten Deutschland und Frankreich die Arbeit der EU-Kommission nach Kräften unterstützen und sich nicht anmaßend in den Vordergrund drängen. Die EU hat 27 Mitgliedstaaten!

Wenn die EU eine gute Zukunft haben will, muss sie strukturell reformiert sowie handlungsfähig gemacht werden – darf sich aber nicht zu einer Schuldenunion entwickeln!

(20.05.2020)

 

Bei Interesse lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/euundcorona.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Kommentare