Hans-Heinrich Dieter

Rechtsstaat Israel?   (15.11.2014)

 

Israel hat in diesem Sommer 50 Tage lang Krieg im Gaza-Streifen geführt. Mehr als 2000 Palästinenser und 72 Israelis starben in diesem Krieg, 67 davon Soldaten. Beiden Seiten werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Nun hat Israel einer Kommission des UN-Menschenrechtsrats (UNHRC), die den jüngsten Gaza-Krieg im Hinblick auf mögliche Kriegsverbrechen beider Seiten untersuchen will, die Einreise mit der Begründung verweigert, die Kommission des UNO-Menschenrechtsrats sei Israel gegenüber feindlich eingestellt und formuliere ihre Schlussfolgerungen bereits im Voraus. Das ist eine verleumderische Unterstellung, der die internationale Gemeinschaft hoffentlich sehr eindeutig begegnen wird.

Dabei ist es Fakt, dass Israel sich möglicherweise Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat, denn die israelische Justiz hat die Arbeit zur Aufklärung möglicher Verbrechen schon aufgenommen und die israelische Armee hat eigens einen Untersuchungsausschuss geschaffen, der fragwürdige Ereignisse des Krieges untersuchen soll. Dem Ausschuss liegen 99 Fälle vor. Sechs Fälle wurden wegen mangelnder Schuld geschlossen. In acht Fällen empfahl der Ausschuss, die Akten der Militärpolizei zu übermitteln, um eventuell Anklage zu erheben. Zu etwa 30 Vorkommnissen wird weiter ermittelt und eine Entscheidung steht daher noch aus. Zu diesen offenen Fällen gehört der Beschuss von UN-Einrichtungen in Gaza, der Tod von vier palästinensischen Kindern durch einen israelischen Angriff am Strand von Gaza, aber auch vermeintlicher Diebstahl durch Soldaten oder die Misshandlung palästinensischer Gefangener. Auch wenn es positiv zu werten ist, dass Israel selbst mögliches Fehlverhalten von Soldaten der IDF untersucht, so ersetzen solche Maßnahmen nicht eine unabhängige Untersuchung durch eine UN-Kommission, zumal Israel verkündet hat, dass man mit dem UNHCR nicht kooperieren und der Kommission lediglich inoffiziell Beweismaterial aus dem Krieg zukommen lassen will. Die Auswahl solchen Beweismaterials wäre sehr subjektiv. Wer nichts zu verbergen hat, von dem kann die internationale Gemeinschaft die Bereitschaft eines zivilisierten Staates zur Kooperation erwarten.

Eine objektive, professionelle und unabhängige Überprüfung wird allerdings nur möglich sein, wenn die UN-Kommission den Gaza-Streifen besuchen kann und selbst vor Ort prüft. Deswegen müssen die UN eine unabhängige Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen beider Seiten durchsetzen. Außerdem haben die UN ein Recht auf eine Untersuchung weil UN-Infrastruktur zerstört und internationales Recht nachweislich gebrochen wurde.

Unzählige Beschuldigungen Israels sind inzwischen öffentlich. Alfred Grosser stellte fest, dass Israel „zurzeit große Kriegsverbrechen“ begeht. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat einen Angriff der IDF auf eine UN-Schule scharf verurteilt: "Dies ist ein Skandal in moralischer Hinsicht und ein Verbrechen." Der Beschuss der Schule stelle einen "erneuten flagranten Verstoß gegen das internationale humanitäre Recht" dar. Das sind zwei Stimmen von vielen, die den Staat Israel wegen mehrfachen Beschusses von UN-Schulen, die als Flüchtlingsunterkunft dienten, vielfach berechtigt an den internationalen Pranger stellen. An Israel prallte internationale Kritik zu Verletzungen des internationalen Rechtes und des Völkerrechtes sowie Vorwürfe im Hinblick auf Kriegsverbrechen der israelischen Streitkräfte im Zusammenhang mit der Gaza-Offensive bisher ab. Durch die Verweigerung einer Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen verstärkt Israel seine selbstverschuldete Isolierung in der internationalen Gemeinschaft und vertut die Chance, dass das bisher sehr negative Bild objektiviert wird.

Auch die israelische NGO „Breaking the Silence“ sieht das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen im Zuge der Bodenoffensive sehr kritisch. Yehuda Shaul sagte im Interview mit dem Deutschlandfunk: "Ich erwarte von meinem Land, dass es mich verteidigt. Die Frage lautet nur: wie und zu welchem Preis. Häuser in die Luft zu sprengen, in denen sich ganze Familien aufhalten, ist vollkommen inakzeptabel.“ Vielleicht kann diese kritische Gruppe ehemaliger israelischer Soldaten dazu beitragen, dass sich der Rechtsstaat Israel einer unabhängigen Untersuchung seines jüngsten Kriegseinsatzes nicht nur unterzieht, sondern in eigenem Interesse eine solche Prüfung begleitet und unterstützt.

(15.11.2014)

 

Lesen Sie zum Thema auch:

http://www.md-office-compact.de/Israel.htm

http://www.hansheinrichdieter.de/html/antisemitismus-vorwurf.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/enttaeuschendesisrael.html

 

 

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