Hans-Heinrich Dieter

Politik-Skandal   (13.05.2017)

 

Es haben Einzelne versagt, und der Verteidigungsausschuss hört Verteidigungsministerin von der Leyen zu „Bundeswehr-Skandalen“ „Misshandlungsskandalen“, „sexuellen Belästigungsskandalen“ und zu ganzen mutmaßlichen „Terrornetzwerken in der Bundeswehr“ an - mit dürftigem Erfolg. Denn es liegen ja bisher nur wenige bewiesene Fakten zu kriminellem Verhalten von Einzeltätern vor und trotzdem spekulieren, pauschalisieren, diffamieren, beleidigen Politiker und Medien aller Couleur die Soldaten der Bundeswehr allgemein.

Ursachen für dieses höchst kritikwürdige Verhalten, hauptsächlich der SPD-Politiker und der linken Opposition sowie vieler - der Bundeswehr  traditionell übel gesonnenen - Medien sind die Haltung, das Verhalten und die öffentlichen Aussagen der Ministerin selbst.

„Die Bundeswehr darf nicht wie ein verstaubter Klub Gestriger auftreten“ meint die Ministerin sagen zu müssen. Von der Leyen hat öffentlich vermeintliche strukturelle Probleme in den Streitkräften eingeräumt: Die Bundeswehr habe ein Haltungsproblem, offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen und auch einen falsch verstandenen Korpsgeist, durch den Informationen nicht weitergegeben worden seien. Den Skandal um den terrorverdächtigen Bundeswehroffizier Franco A. und seine zwei bis drei Komplizen sieht die Ministerin nicht als Einzelfall, denn er weise ja das gleiche Muster auf wie die Vorfälle sexualisierter Herabwürdigung in Pfullendorf sowie übelster Schikane in Sondershausen. Also ist für vdL der jüngste „Skandal“ ein weiterer Beweis für schlechte Führung in den Streitkräften allgemein.

Dadurch dass die Verteidigungsministerin die Soldaten der Bundeswehr pauschal, massiv und ungerecht kritisiert und auch diffamiert hat, ist ein schwerwiegender Vertrauensverlust entstanden. Von der Leyen ist dabei, „ihre“ Soldaten zu verlieren. Die Ministerin kann sich offenbar nicht vorstellen, dass Soldaten ein Ehrgefühl haben und war offensichtlich überrascht durch das Unverständnis, das die Staatsbürger in Uniform für solch miserables Führungsverhalten der „gesamtverantwortlichen“ Politikerin an den Tag legten. Daraufhin hat sie in einem offenen Brief fadenscheinig beteuert, dass viele Soldaten einen tadellosen Dienst leisten - aber ihre beleidigenden Feststellungen hat sie natürlich nicht zurückgenommen. Sie versteht sich als „Macherin“ und da ist Selbstkritik wohl hinderlich. Sie ist aktiv und enthebt den für die Ausbildung im Heer zuständigen Generalmajor seines Amtes. Der erfährt davon aus den Medien. Hier wird erbärmliches Führungsverhalten der politischen Leitung deutlich. Ganz offensichtlich hat von der Leyen selbst Grundwerte der Inneren Führung noch nicht verinnerlichen können. Das verstärkt den Vertrauensverlust.

Dann hat die Ministerin 100 Generale/Admirale nach Berlin zu einer Aussprache beordert. Das sind ja wohl aus ihrer Sicht diese wenig vertrauenswürdigen Leute mit den „Haltungsproblemen“ und der „Führungsschwäche“, die falschverstandenen Korpsgeist zulassen. Also werden diese wenig vertrauenswürdigen Führungsversager durch Bedienstete des MAD im Hinblick auf Smartphones, Diktiergeräte und anderes verdächtiges Material entwürdigend gefilzt. Da wird sicher eine vertrauensvolle Gesprächs-Atmosphäre geherrscht haben, als die Ministerin sich halbherzig für ihre allgemeinen Aussagen zu „entschuldigen“ versucht hat, indem sie zum Ausdruck brachte, dass sie es bedauert, nicht den Hinweis auf tadelloses Verhalten vieler Soldaten ihrer Pauschal-Kritik vorangestellt zu haben. An der pauschalen und diffamierenden Kritik hält sie weiterhin fest und von der Leyen muss wohl auch noch lernen, dass es arrogant ist, sich für Fehlverhalten selbst entschuldigen zu wollen. Sie hätte Haltung beweisen können, wenn sie öffentlich um Entschuldigung gebeten hätte - und das hätte keiner verweigert. Verlorenes Vertrauen kann man aber nur zurückgewinnen, wenn man ehrlich Vertrauen schenkt. Gegen den Amtschef des Streitkräfteamtes, der für Bildungseinrichtungen, und damit auch für die Masterarbeit des Oberleutnants Franco A. zuständig ist, hat von der Leyen Ermittlungen angeordnet, ohne dass sie oder der Generalinspekteur mit dem Generalmajor über den Fall gesprochen und z.B. zur Kenntnis genommen haben, dass es die französischen damals Verantwortlichen von Saint-Cyr waren, die empfohlen haben, Franco A. mit einer neuen Masterarbeit eine zweite Chance zu geben. Der Amtschef des Streitkräfteamtes war zur Generalstagung geladen und wurde kurz vorher ohne Angabe von Gründen ausgeladen. Die Ministerin muss ziemlich schlechte Berater um sich haben oder auf ihre Berater und Beraterinnen nicht hören wollen - ein Führungsfehler mit nachhaltigem Vertrauensverlust!

Für die Ministerin werden aus Einzelfällen, Mutmaßungen, Spekulationen und aus einer Gruppe von kriminellen Komplizen ein Sumpf, den sie mutig austrocknen wird und eine Großbaustelle, für die sie nun nachträglich die richtige Statik berechnen muss.

Deshalb werde nun auch der Traditionserlass der Bundeswehr überarbeitet. Das Regelwerk aus dem Jahr 1982 legt fest, dass die Wehrmacht keine Tradition für die Bundeswehr begründet, lässt aber museale Ausstellung von Wehrmachtsgegenständen zu. Nach meiner Erfahrung ist der Erlass eine vernünftige Grundlage für Traditionspflege, wenn er konsequent angewandt wird. Nun wird aufgrund der durch die Ministerin veranlassten Hexenjagd und Durchsuchung aller Liegenschaften der Bundeswehr in der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr ein Bild des Namensgebers Helmut Schmidt abgehängt, das den damaligen Leutnant in Wehrmachtsuniform zeigt. Der Grund mag sein, dass Helmut Schmidt ja am deutschen „Rasse- und Vernichtungskrieg“ teilgenommen hat und so Teil der „Exekutions-Gemeinschaft des Nationalsozialismus“ und einer braunen „Erlebnisgeneration“ war. Also ist der Ex-Wehrmachtsoffizier und spätere Verteidigungsminister und Bundeskanzler wohl auch nicht besser als die Gründergeneration der Bundeswehr: „In den ersten zwei Jahrzehnten wurde bei der Erlebnisgeneration braunes Vorleben, anschließend bei den Nur-Bundeswehr-Gedienten braune Gesinnung immer einmal wieder (und auch öfter) verharmlost.“ (Alle Zitate aus einem Kommentar von R. Blasius, FAZ, vom 08.05.2017) Solche Machwerke in einem Leitmedium und solche wenig selbstbewussten Handlungsweisen zeigen, wie krank wir als deutsche Gesellschaft in großen Teilen sind.

Auch das Wehrdisziplinarwesen soll nun geändert (warum wurde bisher nicht deutlich) und die „innere Verfasstheit der Streitkräfte“ verbessert werden. Die Ministerin plant Maßnahmen, um die Innere Führung stärker „in jede Verästelung der Bundeswehr zu bringen, damit es auch in der Breite gelebt wird.“ Und bei diesem „Kulturwandel“ in den Streitkräften ist sie sich im Klaren, „dass wir einen breiten Prozess innerhalb der Bundeswehr selber haben, den wir gemeinsam gehen müssen - vom Rekruten bis zum General und vom Referenten bis zur Ministerin.“ Wenn die Ministerin zu Beginn dieses Prozesses bei sich in Selbstversuchen lernt, dann wird schon viel Positives zu erreichen sein. Wir erinnern uns, dass die Ministerin der Bundeswehr vor nicht allzu langer Zeit noch einen „Maulkorb-Erlass aufdrücken wollte, weil die Staatsbürger in Uniform sich ohne hinreichende Ãœberwachung durch das Ministerium mit Parlamentariern und Medien austauschen könnten.

Und auch die politische Bildung in den Streitkräften soll verbessert werden. In den vergangenen Jahren sollen staatsbürgerliche Lehrstunden oft der militärischen Vorbereitung von Einsätzen zum Opfer gefallen sein. Festzustellen ist, dass die Bundeswehr als einzige Institution staatsbürgerlichen Unterricht als Teil des normalen Dienstes anbietet, schon um die zum großen Teil wenig gebildeten und wenig mündigen Bürger, die als Soldaten in die Streitkräfte kommen, zu besser befähigten und mündigeren Staatsbürgern in Uniform zu machen. Wenn Missstände zu beseitigen sind, dann muss mehr Zeit für politische Bildung eingeräumt werden und vor allem muss die vollkommen unzureichende Ausbildung unserer Schüler grundlegend und weitreichend verbessert werden. Denn die Bundeswehr alleine wird auch in Zukunft die gravierenden Defizite nicht ausbügeln können.

Und nun betont der Generalinspekteur in einem SPIEGEL-Interview, in der Bundeswehr habe sich gegenüber rechtsextremen Soldaten ein „Muster des Wegsehens“ etabliert. Nun müssten die Selbstreinigungskräfte der Bundeswehr auf allen Ebenen wieder gestärkt werden. Diese allgemeine und pauschalisierende Feststellung ist durch Fakten bisher nicht belegt. Der Generalinspekteur übersieht dabei, dass er bei der Pauschalkritik der Ministerin hinsichtlich „Haltungsproblemen“ und einer „Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“ in den Streitkräften der „Hauptbeschuldigte“ ist. Schließlich ist der Generalinspekteur nicht nur Berater der politischen Leitung sondern er ist Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte und damit der höchste militärische Verantwortliche. Zu dieser Verantwortung gehören auch das Durchsetzen von Befehlen und die Gewährleistung des Dienstes nach den Vorschriften und Erlassen sowie die Gestaltung des militärischen Dienstes auf der Grundlage unserer Führungsphilosophie „Innere Führung“. Und zur Verantwortung des Oberbefehlshabers der Streitkräfte gehört auch Fürsorge für die anvertrauten Soldaten und deren Schutz vor ungerechtfertigter Kritik und Diffamierungen. Da verbietet es sich geradezu, in die vielen falschen Kerben der Ministerin zu hauen!

Kriminelle müssen bestraft und aus der Bundeswehr entfernt werden, nationalistische Spinner und Rechtsradikale müssen entlarvt und des Dienstes enthoben werden, Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften müssen aufgeklärt und geahndet werden und sexuell fehlgeleitete Vorgesetzte und Soldaten haben in der Bundeswehr keinen Platz. Das ist auch Realität beim größten Arbeitgeber in Deutschland. Die schlimmen und bedauerlichen Einzelfälle müssen durch rechtsstaatliches Handeln aufgearbeitet werden. Öffentliche Skandalisierungen, Spekulationen, Beleidigungen und Diffamierungen sind der Sache abträglich.

Verteidigungsministerin von der Leyen hat sich nicht nur der Truppe gegenüber falsch verhalten, sie hat auch mit ihrer Pauschalisierung und ständigen Ãœbertreibungen (Nur die Spitze des Eisberges, da wird noch viel zutage kommen, das wird ein langer Prozess) der Skandalisierung durch die Medien Vorschub geleistet und der Bundeswehr nachhaltig geschadet. Wenn die Ministerin die Bundeswehr öffentlich als quasi "Sumpf" charakterisiert, den sie nun unerschrocken trockenlegen muss, dann ist das eine Steilvorlage für "Generalverdacht" durch die Medien und Diffamierung durch Bundeswehrgegner in der Opposition und der SPD. Deswegen kann man durchaus mit Berechtigung von einem Politik-Skandal sprechen, der die politische Aufarbeitung des „Bundeswehr-Skandals“ geradezu behindert. Wenn es der Ministerin gelänge deutlich zu machen, dass es ihr hauptsächlich um Sachaufklärung und nicht um Selbstverteidigung und Show-Effekte ginge, wäre der Sache und der Bundeswehr schon sehr gedient.

Die Überarbeitung des Bundeswehr-Liederbuches sollte nicht erste Priorität gewinnen. Es geht um die Aufklärung von bedauerlichen Verfehlungen in der Bundeswehr nach Recht und Gesetz sowie orientiert an Zahlen, Daten und bewiesenen Fakten - nicht orientiert an öffentlicher Vorverurteilung auf der Grundlage von Spekulationen und Generalverdacht.

(13.05.2017)

 

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