Hans-Heinrich Dieter

 

Effektive Bekämpfung somalischer Piraten II   (18.04.2012)

 

Seit 2008 versucht die Europäische Union, Handelsschiffe am Horn von Afrika mit Kriegsschiffen auf hoher See vor Piratenangriffen zu schützen. Die Operation Atalanta , an der auch Deutschland beteiligt ist, war bisher allerdings sehr wenig erfolgreich. Die somalischen Piraten wurden weder abgeschreckt noch wurde die Piraterie eingedämmt. Die Seegebiete vor Somalia sind vielmehr weiter das gefährlichste Piraten-Revier der Welt. 2011 griffen die somalischen Verbrecher 230 Schiffe an, 26 davon konnten gekapert und entführt werden.

Die somalischen Piraten lassen sich mit ihren kleinen Booten und ihrer leichten Bewaffnung von den auf hoher See kreuzenden, waffenstarrenden Fregatten der internationalen Marinen nicht einschüchtern. Denn Piraterie vor Somalia ist aus Sicht der cleveren und mutigen Piraten wenig risikobehaftet und überaus chancenreich. Sie operieren meist von Strandabschnitten oder von Piraten-Mutterschiffen aus. So sind sie logistisch gut organisiert und flexibel in ihrer Taktik. Die Piratenführer sitzen an Land in Küstenstreifen, die der staatlichen Kontrolle entzogen sind. So fällt es den Piraten relativ leicht, die Großmächte zu blamieren und Piraterie relativ unbehelligt als lukratives Geschäft zu betreiben.

Es war deswegen sehr gut, dass die EU zumindest planerisch die Initiative ergriffen hat, um das Ãœbel „Piraterie vor Somalia“ effizienter zu bekämpfen. Nachdem 2010 bereits beschlossen worden war, aktiver gegen Piraten-Mutterschiffe auf hoher See vorzugehen, wurden nun von der EU Pläne zur "Zerstörung von Piratenlogistik am Strand" erarbeitet. Nun müssen die Einsatzrahmenbedingungen der Teilnehmerstaaten abgestimmt und die rechtlichen Grundlagen für die Anwendung von militärischer Gewalt auf somalischem Boden geschaffen werden. Nach den EU-Plänen sollen die Teilnehmerstaaten ihren Kampf gegen die Piraten auch am "Strand" führen dürfen. Unter Strand versteht die EU hier Küstenabschnitte mit einer Tiefe bis zu 2.000 Meter ins Land hinein. Geplant sind demnach vorwiegend Lufteinsätze gegen die Logistik und Stützpunkte der Piraten an Land oder auch Beschuss von Booten, Waffenlagern, Treibstofftanks und anderen Einrichtungen der Seeräuber in Strandabschnitten von Kriegsschiffen aus. Dazu will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Bundes-Kabinett heute das dafür erforderliche neue Mandat für die Bundeswehr beschließen, um es zur Abstimmung an den Bundestag weiterzuleiten.

In der Vergangenheit wurden die Mandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr erfreulicherweise im Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen. Danach sieht es im Falle der Erweiterung des Atalanta-Mandates nicht aus, denn die Opposition lehnt das Vorhaben offenbar mehr oder weniger geschlossen ab, weil sie - sehr allgemein und schwammig - die Risiken einer Ausweitung der Piraterie-Bekämpfung auf Küstenabschnitte für vielfältig und für zu groß hält. Dabei zeigt allein die Begrenzung auf nur zwei Kilometer tiefe Strandabschnitte, und die Bekämpfung von definierten Zielen ausschließlich aus der Luft oder durch Beschuss von Schiffen aus, dass die EU bereits um deutliche Risikobeschränkungen bemüht war. Effektive Piratenbekämpfung ist allerdings ohne gewisse Risiken nicht vorstellbar.

Um Piraten wirklich effektiv zu bekämpfen, müssten alle legitimen Mittel genutzt werden. Die offensive Piratenjagd auf See müsste verstärkt, Piratenmutterschiffe als logistische und Kommando-Basis müssten erfolgreicher unbrauchbar gemacht, Piraten-Material an von Piraten kontrollierten Küstenabschnitten sowie Piratenstützpunkte an Land müssten nicht nur aus der Luft und von See aus, sondern z. B. auch mit einer multinationalen Task-Force aus Spezialkräften, in unbegrenzter Tiefe angegriffen und Piraten am Auslaufen aus den bekannten Seeräuberhäfen sowie von Strandabschnitten gehindert werden. Hier wird deutlich, dass sich die EU nur zu einem Minimalansatz durchringen konnte.

Effektive Operationen zur nachhaltigen Bekämpfung der Piraterie sind natürlich nur sinnvoll, vertretbar und erfolgversprechend, wenn die erforderliche Anwendung von militärischer oder polizeilicher Gewalt an Land im Zusammenwirken mit somalischen Verantwortungsträgern geschieht und diese Maßnahmen begleitet werden von einer massiven politischen und finanziellen Aufbauhilfe für Somalia durch die internationale Staatengemeinschaft.

Piraterie darf nicht nur defensiv verhütet, sondern Piraterie muss aktiv und offensiv verhindert werden! Bevor die Opposition die Atalanta-Mandatserweiterung pauschal ablehnt, sollte sie intensiv darüber nachdenken und diskutieren. Hoffentlich kommen die Volksvertreter nach an Inhalten orientierten Debatten mit großer Mehrheit zu dem Schluss, dass Steuergelder sinnvoller und effizienter eingesetzt werden können, als für sehr wenig erfolgreiches Kreuzen auf hoher See mit Minimalstmandat. Die auch relativ geringfügige Erweiterung der Bekämpfungsmöglichkeiten durch die Europäischen Union ist da ein guter und verantwortbarer Anfang.

(18.04.2012)

 

 

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