Hans-Heinrich Dieter

Peinlich laienhaft!   (10.07.2014)

 

Diesmal ist es nicht die schon charakteristische deutsche Angst die wächst, sondern es ist deutsche Wut. Politiker überbieten sich - getrieben, gelockt, verführt durch den linksorientierten Journalismus - in naiver, populistischer und propagandistischer Empörung über mutmaßliche deutsche Kriminelle in nicht nachgewiesenen amerikanischen Diensten und keinen außerhalb unserer Republik interessiert das. In den internationalen und US-Medien findet die Ausspähung des Partners Deutschland durch den gefühlten „Freund USA“ keine oder marginale Erwähnung, weil unsere an der Realität orientierten Partnerstaaten es mit Hillary Clinton für normal halten, dass sich Nachrichtendienste gegenseitig ausspähen, um über den partnerschaftlichen Informationsaustausch und diplomatische Aussagen hinaus an für wichtig gehaltene Nachrichten zu kommen. Deswegen wird es auch kein No-Spy-Abkommen der USA mit Deutschland geben und deswegen spähen sich selbst die Mitglieder des exklusiven Five-Eyes-Clubs gelegentlich gegenseitig aus.

Die US-Regierung schweigt zu den Spionagevorwürfen, man wolle Ermittlungen deutscher Justizbehörden oder Behauptungen über Geheimdienstangelegenheiten nicht kommentieren. Die USA nutzen die Gelegenheit, um die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Sicherheitspartnerschaft hervorzuheben, denn diese Zusammenarbeit stärke die nationale Sicherheit sowohl in Deutschland als auch in den USA. Man sei auf den geeigneten Kanälen im Gespräch. Talkshows sind da ungeeignet.

Das ist ein professioneller Umgang mit nachrichtendienstlichen Angelegenheiten, die der Geheimhaltung unterliegen und die bei Gesetzesverstößen zunächst durch die Justiz wahrzunehmen sind. Peinlich laienhaft sind dagegen öffentlich zur Schau gestellte beleidigte Verstocktheit, oder gar öffentlich angedrohte Gegenspionage auf dem Niveau eines Sandkastenkrieges um die schönsten Förmchen, oder in Talkshows zelebrierte Gefühlsausbrüche, bei denen dem Partner, dem man die Abwehr vieler Terrorbedrohungen zu verdanken hat, so eklatante „Dummheit“ vorgeworfen wird, dass ein kühler erfahrener Finanzverantwortlicher sich offenbar zu Weinkrämpfen gereizt fühlt. Und es gibt sogar so "charaktervolle" rachsüchtige deutsche Politiker, die den Daten-Dieb und Putin-Schoßhund Edward Snowden als Zeugen nach Deutschland holen und just am 11.September durch den NSA-Untersuchungsausschuß anhören lassen wollen, gefolgt von politischem Asyl. Von solchen und ähnlichen Politikern wird immer wieder die Beeinträchtigung der deutsch-amerikanischen Freundschaft durch die USA und ihre Geheimdienste beklagt, ohne zu bedenken und zu berücksichtigen, wie sehr das Misstrauen unseres leistungsfähigsten Verbündeten angesichts solch laienhaften und wenig partnerschaftlichen deutschen Verhaltens verstärkt und die zukünftige Zusammenarbeit beim Kampf gegen den globalen Terrorismus sowie Islamismus und gegen das organisierte Verbrechen negativ beeinflusst werden muss. Deutschland ist auf eine vertrauensvolle nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit den USA weitaus stärker angewiesen als umgekehrt.

Warum sollten die USA einem deutschen Partner besonders trauen, bei dem der von den USA steckbrieflich gesuchte Verräter Snowden als moderner Held und größter Offenbarer des Jahrhunderts gefeiert wird? Den USA fällt sicher auch auf, wie sich ein Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages von einem im Zusammenhang mit dem Bader-Meinhoff-Terror als RAF-Unterstützer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilten ehemaligen Straftäter wie Ströbele dominieren lässt. Die USA haben sicher auch ein berechtigtes Interesse, mehr über den Einfluss und die Wirkungsweise der Angehörigen der "Putin-Kolonne" in der deutschen Politik zu erfahren. Den USA wird nicht entgangen sein, dass in Deutschland die Zahl der Putinfreunde und -versteher besonders groß ist, während die Bereitschaft, auf die aggressive, völkerrechtswidrige und neoimperialistische russische Politik angemessen zu reagieren, nur verbal schwach erkennbar ist. Die USA realisieren auch, dass Deutschland von der Übernahme größerer Verantwortung in der globalen Sicherheitspolitik redet, aber die nachrichtendienstlichen und militärischen Fähigkeiten dafür nicht aufbaut und derzeit noch auf massive Unterstützung durch die US-Truppen in Afghanistan angewiesen ist. Für die USA ist Deutschland also schon wegen seiner Wirtschaftskraft und seiner europäischen Bedeutung ein wichtiger Partner - bleibt aber ein unsicherer Kantonist, dem man durchaus ein wenig trauen kann - ohne aber die Kontrolle zu vernachlässigen. Die USA müssen allerdings ihre verselbständigte Geheimdienstbürokratie wieder der Kontrolle des amerikanischen Kongresses und des Senates unterwerfen und dafür sorgen, dass Recht und Gesetze nicht gebeugt werden. Die Aufforderung der Bundesregierung an den obersten US-Geheimdienstler in Berlin, wegen der jüngsten Spionageaffäre das Land zu verlassen, ist da eine politische Maßnahme, deren Wirkung abzuwarten bleibt.

Deutschland muss Gesetzesverstöße des Partners USA nicht hinnehmen. Die deutsche Justiz muss solchen Rechtsbrüchen und Verbrechen nachgehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Vermeintliche oder tatsächliche Vertrauensbrüche in der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit müssen aber sachgerecht und auf den zuständigen Ebenen nichtöffentlich behandelt und überwunden werden. Vermeintlich starke hauptsächlich nach innen orientierte Politik, die sich verbal bis ins Pöbeln hineinsteigert, ist da schädlich. Deutschland sollte in intensiven Gesprächen auch dazu beitragen, dass die USA zum richtigen Maß nachrichtendienstlicher Tätigkeit zurückfinden und dass die Partner ihr Verständnis von Geheimdienstarbeit angleichen. Dazu muss man die Gesprächbereitschaft des Partners fördern, nicht behindern. Schließlich muss Deutschland seine nachrichtendienstlichen Fähigkeiten und die Spionageabwehr verstärken, auch in Richtung der Partner, um unabhängiger zu werden. Dabei dürfen aber Politik und Öffentlichkeit nicht verdrängen, dass die größte Gefahr nicht von den Amerikanern sondern von Russen und Chinesen ausgeht.

Die USA und Deutschland haben, gemeinsam mit unseren Partnern, in einer unsicheren und zunehmend instabilen Welt große gemeinsame Aufgaben zu bewältigen. Da ist es angebracht, dass man nichtöffentlich unter Partnern und Freunden offene Worte findet, die Probleme und Missverständnisse überwinden helfen. Bei Fehlern sollte der politische Schaden für beide Seiten gering gehalten werden, um die zwingend erforderliche zukünftige Zusammenarbeit nicht über Gebühr zu belasten. Das hat nichts mit Wegducken und mangelndem Stolz zu tun, sondern ist ein Erfordernis kluger am positiven Ergebnis orientierter Politik.

(10.07.2014)

 

 

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