Hans-Heinrich Dieter

Neue Schwerpunkte der NATO   (30.08.2014)

 

Der NATO-Gipfel in Wales wird sich mit einer neuen Sicherheitsarchitektur in Europa befassen müssen und hat davon auszugehen, dass Russland sich nicht länger als Partner sondern als Gegner Europas und der NATO versteht. Es ist die Verantwortung der NATO, das Territorium der NATO-Mitglieder und deren Bevölkerungen zu schützen. Deswegen ist es angesichts der Aggressivität des „neuen“ Russlands im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt und der Bereitschaft Putins, in Verfolgung seiner neo-imperialistischen Ziele das Völkerrecht zu brechen, von ausschlaggebender Bedeutung, dass die NATO keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass sie auf der Grundlage des Artikels 5 des NATO-Vertrages die Souveränität und Integrität der Mitgliedstaaten jederzeit verteidigen und dafür die Planung und Organisation den neuen Erfordernissen anpassen wird. Die NATO wird mehr Präsenz und ein stärkeres militärisches Engagement in Polen, den baltischen Republiken und zum Beispiel in Rumänien veranlassen müssen. Das erfordert auch stärkere und leistungsfähigere Response Forces.

Auf Befindlichkeiten und Gefühle Russlands wird man bei der Wahrnehmung der zentralen Aufgabe des Bündnisses, der Verteidigung des Bündnisgebietes nur wenig Rücksicht nehmen können. Nicht Europa oder die NATO haben die Partnerschaft aufgekündigt sondern Russland! Deswegen wird auch über die zukünftige Sinnhaftigkeit und Bedeutung des NATO-Russland-Rates gesprochen werden müssen. Die gewachsene Bedeutung der Bündnisverteidigung wird auch die Diskussion darüber wiederbeleben, dass jedes NATO-Land sich verpflichtet hat, mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigungsaufgaben aufzuwenden. Und die USA werden möglicherweise eine beschleunigte Stationierung von US-Raketenabwehrsystemen in Europa und eine Beteiligung der europäischen NATO-Staaten mit eigenen Beiträgen thematisieren wollen. Um die Steigerung ihrer verteidigungspolitischen Leistungsfähigkeit kommt die NATO nicht herum und die gelingt nur bei einer stärkeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit.

Gleichwohl wird die NATO angesichts der Krisen in der muslimischen Welt ihren Schwerpunkt nicht auf Bündnisverteidigung allein legen können. Immerhin steht die Folgeoperation in Afghanistan „Resolute Support“ immer noch auf der Agenda. Bei Cyber-Defense hat auch die NATO Nachholbedarf. Und die NATO wird angesichts der Bedrohung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ im Irak, in Syrien und jetzt beginnend auch in Libyen konkrete Ãœberlegungen anstellen müssen, wie sie die USA gegebenenfalls unterstützen oder entlasten kann und die negativen Auswirkungen auf Europa begrenzt werden können. Immerhin bedroht der „Islamische Staat“ möglicherweise über kurz oder lang auch das NATO-Mitglied Türkei. Es wird ein schwieriger und hochinteressanter Gipfel in Wales, denn es geht um eine neue Sicherheitsarchitektur, die langfristig dem Erhalt des Friedens in Europa dient.

(30.08.2014)

 

 

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