Hans-Heinrich Dieter

Neuer Kalter Krieg   (24.02.2016)

 

Der russische Regierungschef Medwedew ist Putins Sprachrohr und nutzte im Verein mit dem außenpolitischen Wadenbeißer Lawrow bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Chance, um scharfe Angriffe gegen die westliche Welt zu formulieren. Er machte die USA für ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Russland und der westlichen Welt verantwortlich und warf der NATO Abschreckungspolitik vor.

Wenn Medwedew dabei von einem neuen Kalten Krieg spricht, dann sendet er eine doppelte Botschaft: Das wirtschaftlich angeschlagene Russland will seine Isolation aufbrechen sowie als Großmacht wahrgenommen werden und das neoimperialistische, chauvinistische und aggressive Russland will die westliche Welt warnen und möglichst einschüchtern.

Ein „neuer Kalter Krieg“ kann dabei in unserer multipolaren Welt, die zwar immer noch durch Ost-West-Gegensätze gekennzeichnet aber heute maßgeblich durch global agierenden Terror bestimmt ist, inhaltlich sicher nicht mit dem „Kalten Krieg“ vor 1989 gleichgesetzt werden. Allein die Thematisierung durch Russland macht aber schon deutlich, dass die ehemaligen Partner „westliche Welt“ und „Russland“ sich erkennbar auseinanderentwickelt haben und durch die völkerrechtswidrige russische Annexion der Krim zu politischen Gegnern geworden sind. Dabei wird der „neue Kalte Krieg“ durch Medwedew nicht herbeigeredet, denn er hat - von Russland initiiert - bereits begonnen, auf der Grundlage des nuklearen Gleichgewichtes zwischen den USA und Russland und mit „heißen“ Anteilen russischer verdeckter und hybrider Kriegsführung.

Denn in den letzten Jahren hat Präsident Putin der Welt deutlich gezeigt, wozu das heutige aggressive Russland fähig ist. Putin hat die Krim völkerrechtswidrig mit verdeckt agierenden russischen Soldaten für den russischen Staat erobert, handstreichartig und ohne unmittelbare Verluste. Er kann jetzt nach der Annexion dieser Halbinsel, auf der einst sowjetische Atom-U-Boote stationiert waren, die russische Schwarzmeerflotte freizügiger nutzen und das gesamte Schwarze Meer bis hin zur türkischen Küste kontrollieren.

Damit nicht genug, denn unser ehemaliger "Partner" hat im Ukrainekonflikt mit einer Gemengelage von Waffenlieferungen und Unterstützungsmaßnahmen für Aufständische sowie Terroristen, mit verdeckt eingesetzten eigenen Spezialkräften, unter Nutzung prorussischer ethnischer Milizen, mit umfangreichen Geheimdienstoperationen und unterstützt durch großangelegte Propagandakampagnen permanent internationales Recht gebrochen, verletzt weiterhin die territoriale Integrität eines Nachbarstaates und destabilisiert souveräne Staaten bewusst politisch und wirtschaftlich.

Der Aggressor Putin führt einen verdeckten Krieg in der Ukraine, weil er den „dekadenten Westen“ für schwach, von pazifistischen Grundstimmungen geprägt und für nur eingeschränkt gemeinsam handlungsfähig hält. Auch deswegen geht der verdeckte russische Krieg in der Ostukraine weit über diese Region hinaus und betrifft uns sehr direkt und intensiv. Die europäische Sicherheitsarchitektur ist gestört und unsere Wertvorstellungen sind massiv verletzt. Deswegen darf die westliche Welt diese „Kriegserklärung“ Putins durch einseitige völkerrechtswidrige kriegerische Aktionen nicht einfach - mehr oder weniger - klaglos und wertevergessen hinnehmen. Als politische Gegenmaßnahme muss die westliche Welt alle Möglichkeiten ausschöpfen, die mit unseren Wertvorstellungen vereinbar sind. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Aggressor Putin nur Klartext und konsequentes Handeln auf der Grundlage politischer Stärke versteht sowie lavierende Zugeständnisse als Schwäche des "dekadenten Westens" bewertet und konsequent ausnutzt.

Je schwächer der Westen agiert, desto weiter wird Putin seine Ziele in der verdeckten Kriegführung stecken und auch zu erreichen versuchen. Nur einem illusionslosen, einigen, starken und konsequenten Europa gegenüber, das politisch mit den USA an einem Strang zieht, wird Russland möglicherweise dann Zugeständnisse machen, wenn die russischen Lebensverhältnisse sich zu stark nachteilig entwickeln. Dazu müssen wir mit der NATO hinlängliche Abschreckungsmaßnahmen ergreifen, die Wirtschafts-Sanktionen durch die EU umsetzen und immer dann verschärfen, wenn Russland die Vereinbarungen Minsk II hintertreibt oder bricht. Die USA müssen diesen Prozess durch ein eigenes mit der EU abgestimmtes Sanktionsregime verstärken. Den vielfältigen russischen Maßnahmen verdeckter Kriegsführung können wir in diesem neuen Kalten Krieg lediglich politische Maßnahmen wie abgestimmte Sanktionen und glaubwürdige Abschreckungsmaßnahmen der NATO entgegensetzen.

Die westliche Welt ist dabei durchaus begrenzt erfolgreich und sollte konsequent an ihrer richtigen Politik gegenüber Russland festhalten. Dabei dürfen wir keine Angst vor möglicherweise negativen Auswirkungen einer konsequenten Verteidigung unserer Werte sowie der Interessen unserer Partner haben und solche Angst als Schwäche offenbaren. Für einen Neu-Aggressor wie Putin ist Schwäche sehr viel provozierender als Stärke.

Richtig ist aber auch, dass wir Russland geopolitisch zur Lösung der vielfältigen Krisen in der Welt brauchen. Wir brauchen aber dafür ein Russland, das sich nicht länger als Gegner versteht, sondern wieder als Partner der westlichen Welt kooperieren will und die vielen Dialogangebote nicht ausschlägt oder hintertreibt. Im Syrienkrieg kann Russland beweisen, ob es tatsächlich kooperieren oder eher destruktiv die eigenen geopolitischen Ziele verfolgen will: Assad zum Sieg verhelfen, so seinen Einfluss im Nahen Osten festigen, sich danach als Partner im Kampf gegen den IS anbieten – und ganz nebenbei die Verbündeten der Türkei an deren Grenzen zerschlagen, dadurch Erdogan demütigen, die Nato möglichst teilweise spalten und so dokumentieren, dass es die neue Großmacht Russland ist, im Nahen Osten die Initiative übernommen hat und das militärische und politische Handeln bestimmt.

 Aber nicht nur der verdeckte Krieg in der Ukraine und die erkennbare Gegnerschaft Russlands im Syrienkonflikt kennzeichnen den neuen Kalten Krieg, sondern auch die vielfältigen russischen Aktionen hybrider Kriegsführung gegen Staaten der westlichen Welt und der Europäischen Union, um diese zu destabilisieren. Das ist eine politische Lage, die weit entfernt ist von der Möglichkeit eines nuklearen Schlagabtausches, die aber gefährlich ist und daher überwunden werden muss.

Mit einem neo-imperialistischen Russland werden wir nicht erfolgreich zusammenarbeiten können, solange Putin diesen neuen Kalten Krieg mit der westlichen Welt will. Die westliche Welt muss daher Putin davon überzeugen, dass er auch diesen neuen Kalten Krieg nicht gewinnen kann.

(24.02.2016)

 

 

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