Hans-Heinrich Dieter

Zukunftsfähige NATO   (30.06.2022)

 

Der völkerrechstwidrige und kriegsverbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat den Frieden in Europa beendet und die westlichen Demokratien zu einer Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik veranlasst.

Der 2002 geschaffene NATO-Russlandrat ist Geschichte und Russland nicht mehr Partner bei der Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Putin hat Russland zum Gegner – wenn nicht gar zum Feind – der westlichen Welt gemacht, mit dem mittelfristig nur unter sehr schwierigen Bedingungen über ein konfliktfreies Zusammenleben zu verhandeln sein wird. Und der unberechenbare Aggressor Putin vermittelt den Eindruck, dass die Befürchtungen der osteuropäischen NATO-Mitglieder im Hinblick auf einen russischen Angriff auf seine Nachbarstaaten nicht unberechtigt sind.

Das strategische Konzept des transatlantischen Verteidigungsbündnisses von 2010 hatte noch auf eine „echte strategische Partnerschaft“ mit Russland gesetzt und auch China anders eingeschätzt. Die damit verbundenen Hoffnungen haben sich als Illusionen entpuppt. Beim jetzigen Gipfeltreffen der NATO in Madrid haben die Staats- und Regierungschefs der 30 NATO-Staaten nun die „Zeitenwende“ und die neuen politischen Realitäten berücksichtigt und ein neues strategisches Konzept für das Militärbündnis beschlossen. In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird Russland dementsprechend als „größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“ bezeichnet und China wird als „Herausforderung“ charakterisiert.

Und um Russland als „größter und unmittelbarster Bedrohung“ gerecht zu werden, hat die NATO eine deutliche Verstärkung ihrer Ostflanke beschlossen und die Norderweiterung des Verteidigungsbündnisses durch die Aufnahme von Schweden und Finnland entschieden. Putin hat kühn geträumt, dass er die westliche Welt spalten, die EU auseinanderdividieren und die NATO zurückdrängen kann. Der kriegsverbrecherische Putin hat „verzockt“ und durch seine völkerrechtswidrigen Aggressionen – beginnend mit der Annexion der Krim – die westliche Welt weitgehend geeint, die Geschlossenheit der EU gestärkt und die Erweiterung und konsequente Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit der NATO bewirkt.

Die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit der NATO soll durch eine Neuausrichtung der Streitkräfte erreicht werden. Unterstützungs- und Hilfseinsätze werden reduziert, eindeutiger zukünftiger Schwerpunkt wird die Bündnisverteidigung. Zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft soll die bisherige schnelle NATO-Eingreiftruppe NRF in Stärke von ca. 40.000 Soldaten, die gegliedert in acht multinationalen Bataillonen in den baltischen Staaten, Polen, Slowakei, Ungarn Rumänien und Bulgarien stationiert ist, auf die Stärke von 300.000 Soldaten, gegliedert in Brigaden mit hoher Einsatzbereitschaft gebracht werden. Dabei sollen die deutschen Streitkräfte einen großen Beitrag leisten.

Im kommenden Jahr stellt Deutschland die schnelle Eingreifbrigade der NATO. Die Aufstellung einer für die Bündnisverteidigung schnell einsatzbereiten Division mit zwei Brigaden und 15.000 Soldaten soll von 2027 auf Anfang 2025 vorgezogen werden. Und die Einsatzfähigkeit von drei Heeresdivisionen für die Bündnisverteidigung soll bis 2031 gewährleistet sein. Die Luftwaffe hält 65 Kampfflugzeuge für den Einsatz an der Ostflanke bereit und die Marine will im Rahmen der Bündnisverteidigung eine Führungsrolle in der Ostsee übernehmen. Außerdem haben die USA eine deutliche Verstärkung der Präsenz von US-Truppen in Europa angekündigt.

Das stellt die Bundeswehr vor große Herausforderungen. Die Personalwerbung muss deutlich verstärkt werden. Das 100 Milliarden Sondervermögen muss so zügig wie möglich für die dringend benötigte Ausrüstung und Bewaffnung angelegt werden. Die mittelfristige Finanzplanung sollte sich am NATO-Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, orientieren. Der jüngste Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Lindner (FDP) sieht für das Jahr 2023 einen Verteidigungshaushalt von 58 Milliarden Euro vor. Das entspricht 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sollte deswegen nachgesteuert werden.

Die Bundeswehr muss umgehend auf ihre umfangreicheren Aufgaben bei der NATO-Bündnisverteidigung eingestellt werden, damit Deutschland glaubhaft zur Abschreckung Russlands beitragen kann. Über allen Anstrengungen der NATO für eine mögliche zukünftige Bündnisverteidigung gegen einen Aggressor Russland steht der Schirm der nuklearen Fähigkeiten der USA.

Putin wird es nicht wagen, eine deutlich gestärkte, erweiterte und einsatzbereitere NATO, die über eine ausgewogene nukleare Zweitschlagskapazität verfügt anzugreifen. Mit dieser NATO können wir auch zukünftig in Freiheit leben!

(30.06.2022)

 

Bei Interesse lesen Sie auch:

https://www.hansheinrichdieter.de/html/gemeinsam_und_konsequent.html

https://www.hansheinrichdieter.de/html/finnlandindienato.html

https://www.hansheinrichdieter.de/html/standfestenato.html

https://www.hansheinrichdieter.de/html/neuenato-strategie.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte