Hans-Heinrich Dieter

NATO-Gipfel   (11./12.07.2018)

 

Bundeskanzlerin Merkel hat vor dem NATO-Gipfel öffentlich gesagt: nach jahrelangem Sparkurs gehe es jetzt um Ausrüstung der Bundeswehr - und nicht etwa um Aufrüstung. Man müsse dem technologischen Wandel Rechnung tragen und auf neue politische Herausforderungen reagieren. Und Merkel stellte sich hinter das Ziel der NATO-Staaten, ihre Militärausgaben bis 2024 auf bis zu zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu erhöhen. Und sie schloss ihren wöchentlichen Podcast mit der Botschaft, Deutschland benötige die NATO auch im 21. Jahrhundert als Garant für unsere Sicherheit. Das sind starke Aussagen, denn wenn man die Kanzlerin beim Wort nimmt, dann müsste Deutschland ab 2019 den Verteidigungshaushalt jährlich um etwa 7 Milliarden Euro erhöhen und würde ab 2025 dann jährlich 85 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt bereitstellen müssen.

Verteidigungsministerin von der Leyen geht allerdings davon aus, dass Deutschland die Verteidigungsinvestitionen bis 2024 lediglich auf 1,5 Prozent des BIP steigern wird. Das hat die Bundesregierung der NATO offiziell mitgeteilt. Daraufhin kritisierte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der genau weiß, dass die Verteidigungsausgaben Deutschlands 2018 bei 1,24 Prozent des BIP liegen, die Bundesrepublik einigermaßen schroff: „1,5 Prozent sind nicht zwei Prozent!“. Und er fügte an, dass er davon ausgehe, dass Deutschland die zwei Prozent weiter anstrebe, „zumal Deutschland allein wegen seiner wirtschaftlichen Größe eine sehr wichtige Rolle hat.“

Auf dem NATO-Gipfel haben die Staats- und Regierungschefs ihren Willen bekräftigt, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. NATO-Generalsekretär Stoltenberg erklärte in diesem Zusammenhang, derzeit gebe es keine gerechte Verteilung der Lasten. In den vergangenen Jahren habe es aber Steigerungen der Verteidigungshaushalte gegeben.

US-Präsident Trump hat Deutschland mehrfach harsch und rüpelhaft kritisiert sowie deutlich gemacht, dass es militärischen Schutz durch Amerika nur gegen mehr Geld gibt. Er droht offen damit, dass sich die Länder, die das Zwei-Prozent-Ziel verfehlen, möglicherweise nicht mehr auf das NATO-Prinzip „Einer für alle, alle für einen“ verlassen können, und stellt so den Artikel 5 des NATO-Vertrages infrage.

Die Einigung beim NATO-Gipfel mit dem Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben steht bisher nur auf dem Papier und ist zumindest durch Deutschland in der mittelfristigen Finanzplanung nicht abgedeckt. Beunruhigend ist, dass Trump die gemeinsame Sicherheitsgarantie infrage stellt und so die Lunte an das Fundament und damit die Abschreckungswirkung unserer transatlantischen Wertegemeinschaft legt. Und da kann man sich mit Fug und Recht fragen, wer der NATO auf Dauer mehr schadet, Trump mit seiner sicherheitspolitischen „Schutzgelderpressung“ oder Deutschland mit seiner erkennbar unzureichenden Bereitschaft sicherheitspolitische Verantwortung wirklich und konkret zu tragen.

Deutschland hat schon viel Vertrauen verloren. Deswegen muss die Bundesrepublik die von Kabinett schon gebilligte Eckwerteplanung für den 52. Finanzplan der Bundesregierung (2019-2022), der weder eine hinreichende Steigerung in Richtung NATO-Ziel aufzeigt, noch das Erreichen des bisherigen deutschen Ziels 1,5 Prozent BIP im Jahr 2024 ermöglichen wird, umgehend korrigieren.  Deutschland muss umgehend eine mittelfristige Haushaltsplanung vorlegen, mit der die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung in einem vertretbaren Zeitraum möglich wird und da wird man sich dem Zwei-Prozent-Ziel ganz zwangsläufig nähern. Nur mit einer einsatzfähigen Bundeswehr wird Deutschland seine durchaus umfangreichen Verpflichtungen gegenüber der NATO und der EU erfüllen und das Vertrauen als zuverlässiger Bündnispartner zurückgewinnen können.

Die NATO ist weiterhin Garant für unsere Sicherheit. Wenn die USA ihre Sicherheitsgarantien für die Transatlantische Gemeinschaft reduzieren, dann müssen leistungsfähige europäische NATO-Mitglieder entstehende Defizite ausgleichen. Deutschland ist wirtschaftlich leistungsfähig aber derzeit militärisch nur sehr eingeschränkt leistungsbereit und kann daher seine Verpflichtungen gegenüber der NATO nur eingeschränkt erfüllen. Das muss sich ändern. Denn ohne einsatzfähige Streitkräfte wird Deutschland in der NATO und in der EU zu einem sicherheitspolitischen Vorgartenzwerg!

(12.07.2018)

 

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