Hans-Heinrich Dieter

Mutige Staatsbürger   (23.07.2013)

 

Bundespräsident Gauck hat beim Gelöbnis der 500 Bundeswehrsoldaten am 20.Juli 2013 vor dem Reichstag keine große Rede gehalten, entsprechend lau ist das Medienecho.

Er hat am Gedenktag des militärischen Widerstandes gegen Hitler den Soldaten aber ins Stammbuch geschrieben, sie sollten "nicht nur Befehle ausführen, sondern kritisch mitdenken und für ihre Überzeugungen in Wort und Tat einstehen". Diese Forderung richtet er an die Soldaten aller Dienstgrade, ganz besonders aber an die Vorgesetzten. Bundespräsident Gauck appelliert an die "Staatsbürger in Uniform" und wiederholt damit Forderungen, die vor ihm schon Bundespräsident Köhler öffentlich erhoben hat.

Das Staatsoberhaupt fordert von den Soldaten Militärcourage, eine noch seltener geübte Tugend als Zivilcourage. Dabei sind Mut und auch Tapferkeit Teil erfolgreicher Berufsausübung. Aber auch Offiziere halten sich mit öffentlichen Äußerungen normalerweise sehr zurück, schon weil das Soldatengesetz eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. Fehlende öffentliche Äußerung ist zusätzlich sicher dadurch begründet, dass Offiziere sich nicht in überhitzte, teilweise wenig an realen Sachverhalten orientierte politische Debatten hineinziehen lassen wollen, der Hierarchie der militärischen Verantwortung vertrauen und mit gelegentlich falschem Verständnis des Primats der Politik die Verantwortung für öffentliche Äußerungen ausschließlich den Politikern zuordnen. Bei Generalen kommt hinzu, dass sie dem § 50 Soldatengesetz unterliegen und bei missliebigen Äußerungen unter dem Vorwand des Vertrauensverlustes ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können.

Außerdem ist es im Militär durchaus nicht unüblich, Soldaten, die Missstände aufzeigen oder das System, die politische Leitung bzw. die militärische Führung kritisieren und Korrekturen fordern, hinter vorgehaltener Hand als Wichtigtuer, Nestbeschmutzer oder Denunzianten anzusehen. Dabei wird allerdings übersehen, dass verantwortungsbewusste Pflichterfüllung vom Staatsbürger in Uniform geradezu verlangt, Missstände, die die Auftragserfüllung beeinträchtigen, aufzuzeigen und nötigenfalls auch öffentlich anzuprangern, wenn Abhilfe offenbar nicht anders zu erreichen und der „Dienstweg“ ausgeschöpft ist. Der Bundespräsident fordert also nicht viel mehr als gute, an der Führungsphilosophie der Bundeswehr orientierte Pflichterfüllung.

Der Generalinspekteur ist als Oberbefehlshaber der Streitkräfte dem Minister für die Bundeswehr verantwortlich. Er ist diesbezüglich in höchstem Maße sachkundig und kann als militärischer Berater des Ministers und der Bundesregierung die Sachverhalte in den Politischen Rahmen einordnen. Warum kommt der Generalinspekteur nicht häufiger, wenn nötig auch kritisch, zu Wort. Die Inspekteure sind die obersten Soldaten von Heer, Luftwaffe und Marine sowie von der Streitkräftebasis und vom Sanitätsdienst. Warum erhalten sie nicht vom Minister den Auftrag, Sachverhalte oder auch Probleme aus ihren Verantwortungsbereichen zu erläutern oder zu kommentieren? Die Bundeswehr hat hervorragende Fachleute, warum sollen die immer nur aufschreiben, was die Politiker sagen sollten, und nicht selbst ihr Thema vor der Öffentlichkeit militärisch verantworten? Die meist treffende Antwort ist, man lässt sie offensichtlich nicht, sie dürfen nicht!

Theoretisch unglaublich aber praktisch wahr! Verteidigungs-Staatssekretär Stéphane Beemelmans hat 2012 in einem internen Vermerk festgestellt, dass “gegenüber einer direkten Kommunikation der Inspekteure in den politisch-parlamentarischen Raum ein grundsätzlicher Vorbehalt” bestehe. Gut, dass die Obleute aller Fraktionen im Bundestag dagegen mit Erfolg protestiert haben. Schade, dass man nichts von einem eigenen förmlichen Antrag der Inspekteure auf weitere Teilnahme an den Sitzungen des Verteidigungsausschusses und auf die Möglichkeit zur direkten Kommunikation mit den Parlamentariern gehört hat. Militärcourage ist in der Bundeswehr durch jahrelange Ãœberinterpretation und auch falsches Verständnis des Primats der Politik leider stark verkümmert. Der Maulkorb musste dann durch eine persönliche Erklärung von Beemelmans vor dem Verteidigungsausschuss zurückgenommen werden. Wenn es um ihr Recht auf Information geht, kann man sich auf die Parlamentarier verlassen.

Damit die richtige und wichtige Forderung des Bundespräsidenten also nicht als Teil einer Sonntagsrede im Winde verweht, sollte das Staatsoberhaupt die nächste gute Gelegenheit ergreifen und die Forderung an Politiker und Volksvertreter formulieren, dass sie die Soldaten zu Wort kommen lassen, zu Stellungnahmen auffordern und sich auch berechtigter Kritik stellen.

Wenn man mutige Spitzen-Staatsbürger in Uniform nicht zu Wort kommen lässt, beschneidet man sie in ihrer Würde und behindert sie in Wahrnehmung der Verantwortung für ihre Soldaten und die Auftragserfüllung, besonders im Einsatz.

(23.07.2013)

 

 

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