Hans-Heinrich Dieter

Leicht schizophren!   (17.08.2013)

 

Die deutschen Bürger wollen in Sicherheit gut leben. Wer in heutiger, höchst unsicherer Zeit in Sicherheit leben will, muss Einschränkungen seiner persönlichen Freiheit akzeptieren und als mündiger Bürger selbst nach Kräften dazu beitragen, dass Sicherheit und Freiheit in Balance bleiben. Der mündige Bürger kann die Volksvertreter in politische Verantwortung wählen, die sich für Bürgersicherheit mit Augenmaß einsetzen, gegen überbordende staatliche Reglementierung und Bevormundung kämpfen und Freiheitsrechte schützen. Der aufgeklärte Bürger kann aber auch selbst viel für einen sicheren Umgang mit elektronischen Medien und dem World-Wide-Web tun. Wenn es allerdings um Bekämpfung des Terrorismus, der Mafia, der organisierten Kriminalität, des Islamismus und des Extremismus im linken und rechten politischen Spektrum geht, ist der Bürger auf funktionierende staatliche Institutionen angewiesen, die auf der Grundlage von Recht und Gesetz Sicherheit bestmöglich gewährleisten und denen die Bürger vertrauen.

Für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit hat Deutschland die Bundeswehr, die für Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO ausgebildet und ausgerüstet ist und derzeit im Auftrag des Bundestages in mehreren Auslandseinsätzen, teilweise unter Kriegsbedingungen, die sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands vertritt. Die Bürger allerdings bringen ihren Mitbürgern in Militäruniform bestenfalls ein „freundliches Desinteresse“ entgegen. Der Dienst mit der Waffe für Deutschlands äußere Sicherheit ist außerdem offensichtlich zu anstrengend und zu wenig attraktiv für den deutschen Nachwuchs, denn die Bundeswehr hat nach Aussetzen der allgemeinen Wehrpflicht massive Personalprobleme, die, aller politischer Schönfärberei zum Trotz, offenbar erneute Strukturkorrekturen erfordern. Es macht die Bundeswehr auch nicht gerade attraktiv, wenn man in Deutschland Soldaten ungestraft als „potentielle Mörder“ bezeichnen darf. Und wer möchte schon gerne in einer Institution Dienst tun, gegen die es allein zwischen Januar 2010 und Juli 2013 zu rund 90 Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und Sabotageakten wohl vorwiegend linksextremer Täter kam. Und wer möchte schon gerne in Streitkräften dienen, die für Kriegseinsatz im Auftrag des Parlamentes nur unzureichend ausgerüstet sind. Denn die Bundeswehr im derzeitigen Afghanistaneinsatz hat erhebliche Defizite in der Führungsfähigkeit, bei der Aufklärungskapazität, in der Luftbeweglichkeit, einschließlich der Luftrettung, und bei der Luftnahunterstützung. Die Bundeswehr ist von der Unterstützung insbesondere durch die USA abhängig und ist auf den Austausch von, auch geheimen, Aufklärungsergebnissen dringend angewiesen. Dieser Austausch wird nach den hysterischen „NSA-Diskussionen“ und teilweise abstrusen Vorverurteilungen der USA nicht leichter werden. Die Bundeswehr muss daher unabhängiger werden. Aufklärungsdrohnen und bewaffnete unbemannte Flugzeuge als modernes Instrument für erfolgreiche Gefechtsführung wären dafür eine unbedingt notwendige Erweiterung der militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr. Vor der Bundestagswahl scheut man offenbar die Diskussion zu diesem emotional aufgeladenen und vermeintlich völkerrechtlich strittigen Reizthema, außerdem fehlt der chronisch unterfinanzierten Bundeswehr dafür das Geld. Auf absehbare Zeit werden weder Aufklärungs- noch Kampfdrohnen angeschafft. Diese Beispiele zeigen, dass deutsche Bürger wohl sicher leben aber sich offensichtlich nicht im positiven Sinne dafür engagieren wollen. Leicht schizophren!

Zur äußeren Sicherheit trägt auch der Bundesnachrichtendienst (BND) bei. Der BND ist einer der drei Geheimdienste des Bundes und als Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland zuständig für die Beschaffung sicherheits- und außenpolitisch relevanter Erkenntnisse aus dem Ausland bzw. über das Ausland. Seine Tätigkeit ist durch das BND-Gesetz geregelt und er wird durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKG) kontrolliert. Die „Spione“ des BND sind in der Regel Beamte, die dem Staat gegenüber in einem besonderen Treueverhältnis stehen und die ihren Dienst auf der Grundlage von Recht und Gesetz tun. Wir leben in einer vernetzten Welt mit globalisierter Wirtschaft, aber auch mit stark vernetztem internationalem Terrorismus und mit global agierender organisierter Kriminalität. Unter diesen Rahmenbedingungen ist eine intensive Zusammenarbeit von Geheimdiensten unbedingte Voraussetzung für Erfolg im Sinne der jeweiligen Nationen und Datenaustausch auf der Grundlage der jeweiligen Gesetze ist notwendiger Teil der Zusammenarbeit. Solche eigentlich zum politischen Allgemeinwissen gehörenden Fakten und Erfordernisse halten Oppositionspolitiker und die mit ihnen verbandelten Medien im Zusammenhang mit der wenig sachlich und teilweise hysterisch geführten „NSA-Diskussion“ nicht davon ab, auf der Grundlage von Vermutungen, Unterstellungen und vagen persönlichen Einschätzungen den BND und seine Mitarbeiter massiv zu verunglimpfen, zu verleumden und bei den Bürgern tiefes Misstrauen zu schüren. In dem Zusammenhang hat sich der „Dauer-Wahlkämpfer“ Oppermann, SPD, als Vorsitzender des PKG nachhaltig disqualifiziert und dem Gremium selbst massiv geschadet. Auch die Oppositionsparteien wollen Sicherheit, sind aber offensichtlich ohne Skrupel bereit, auch für einen lumpigen Prozentpunkt das Ansehen von Sicherheitsbehörden wie dem BND zu ruinieren. Leicht schizophren!

Für die innere Sicherheit sind der Verfassungsschutz, der MAD, die Verfassungsschutzämter der Länder, das BKA und die Polizeibehörden von Bund und Ländern zuständig. Im Zusammenhang mit der NSU-Affäre hat man – gemessen am Verlauf der NSU-Mordserie sicher mit Recht - massive Vorwürfe erhoben und den Sicherheitsbehörden mangelnde Fähigkeiten, unzureichende Zusammenarbeit und Vernetzung sowie ungenügenden Datenaustausch vorgeworfen. Das führte zu Reorganisationen und Umstrukturierungen der Sicherheitsdienste. Ohne intensiven Datenaustausch wird man dem Terrorismus, der organisierten Kriminalität, dem radikalen Islamismus und dem Extremismus im linken und rechten politischen Spektrum in Deutschland nicht erfolgreich begegnen können. Dabei wird man auch auf den Einsatz von V-Leuten, die ja deutsche Bürger oder auf deutschem Boden lebende Menschen ausspionieren und deren Rechte auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigen oder gar verletzen, nicht verzichten wollen. Das Ansehen auch dieser Sicherheitsinstitutionen wurde durch eine teilweise scheinheilige Diskussion in den Medien nachhaltig geschädigt. Das NSU-Beispiel zeigt, dass auf nationaler Ebene ein funktionierender Datenaustausch der Sicherheitsbehörden als Grundlage für Erfolg gefordert wird, während man ihn auf internationaler Ebene verdammt und verteufelt. Sicherheit der Bürger von Nationalstaaten ist aber in unserer globalisierten, internationalisierten und vernetzten Welt nur durch internationale Zusammenarbeit zu gewährleisten. Die Forderung, „Wasch mir bitte gründlich den Pelz aber mach mich nicht nass!“, ist leicht schizophren.

Natürlich muss nicht nur die Sicherheit der Bürger gewährleistet werden. Es gilt auch die Freiheitsrechte der Menschen in Deutschland zu sichern. Der Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit erfordert Augenmaß und eignet sich nicht für den Wahlkampf. Ganz offensichtlich sind unsere Kontrollmechanismen noch nicht hinreichend an den Möglichkeiten und Gefahren unserer digitalisierten Welt orientiert. Die international organisierte Zusammenarbeit der Sicherheits- und Nachrichtendienste ist offenbar noch nicht erfolgreich an den national geltenden Gesetzen ausgerichtet, die diesbezüglichen Abkommen scheinen veraltet zu sein. Die Europäische Union hat es bisher versäumt, in diesen Zusammenhängen europäische Interessen zu formulieren. Und die Vereinigten Staaten sollten jegliche Sicherheitsübertreibungen aus dem "Patriot-Act" streichen und zu Sicherheit mit Augenmaß zurückfinden. Wir in Deutschland sollten aber auch nicht vergessen, dass nicht wenige der Massenmörder vom 11.September 2001 sich bei uns im deutschen „Ruheraum“ unbehelligt auf ihre Verbrechen vorbereitet haben.

Die im Zusammenhang mit der – unsäglich und peinlich geführten - NSA-Diskussion zu Tage getretenen Probleme bedürfen hauptsächlich politischer Maßnahmen. Bundesregierung und Parlament haben da noch eine Menge Aufgaben zu erledigen. Verleumdungen, Verunglimpfungen, Diffamierungen und die Schädigung des Ansehens unserer Sicherheits- und Nachrichtendienste sowie Vorverurteilungen der USA spielen nur den Terroristen, radikalen Islamisten, Salafisten, Extremisten und dem organisierten Verbrechen in die Hände und beeinträchtigen so unsere Sicherheit nachhaltig. Mit einer deutschen Justizministerin, die öffentlich sagt, "Ich bin immer skeptisch gegenüber Beteuerungen von Seiten der Geheimdienste" sind Terroristen ganz zufrieden.

Aber auch der Bürger muss den Ausgleich zwischen Sicherheit und Freiheit wirklich wollen. Man kann nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vehement fordern und gleichzeitig persönliche Daten über Twitter und Facebook reihenweise und massenhaft ungesichert in die weltweiten Netze einspeisen. Verantwortungsbewusstsein und gesunde Wachsamkeit im Umgang mit den elektronischen Medien sind gefragt.

(17.08.2013)

 

 

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