Hans-Heinrich Dieter

Labile Lage   (12.12.2013)

 

Verteidigungsminister de Maizière macht seinen 14. Truppenbesuch in Afghanistan und stellt fest: "Die Sicherheitslage bleibt labil." Nach gut zwölf Jahren internationalen politischen und militärischen Engagements mit zahlreichen Verlusten an Mensch und Material sowie immensen finanziellen Investitionen kann solche Lagefeststellung nicht befriedigen, auch weil die politische Lage dieses von Korruption geplagten und mit unfähigen Politikern geschlagenen muslimischen Landes mit teilweise mittelalterlichen Strukturen und Denkweisen keinen Anlass zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt.

Die Taliban-Terroristen hatten gerade einen Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der Bundeswehr beim Flughafen Kabul verübt und - Gott sei Dank - wurden keine deutschen Soldaten verletzt. Die Taliban sind aktiv und haben die Initiative. Die Taliban haben sich verjüngt und personell verstärkt sowie in den pakistanischen Grenzgebieten radikalisiert. Und auch wenn - leicht beschönigend - politisch behauptet wird, dass die Taliban nicht mehr in der Lage seien, ganze Regionen zu kontrollieren, dann ist davon auszugehen, dass sie den Rückzug der internationalen Truppen 2014 intensiv "begleiten" und sicherlich im Frühjahr 2014 die Wahlen beeinflussen werden. Und es ist nicht davon auszugehen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Taliban beherrschen und für die Sicherheit der afghanischen Bevölkerung garantieren können.

In dieser labilen Lage spielen Präsident Karsai und seine korrupte Administration Hazard, indem sie die Unterzeichnung des mit den USA ausgehandelten Abkommens über die künftige Truppenpräsenz in Afghanistan verzögern. Deswegen ist es gut, dass der NATO-Generalsekretär im Zusammenhang mit der Außenministertagung unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass ein Truppenstatut unabdingbare Voraussetzung ist für eine Präsenz von NATO-Truppen nach 2014 in Afghanistan mit der Mission "Resolute Support". Es kann der afghanischen Führung nicht klar genug gesagt werden, dass ein Totalrückzug und eine "Option Zero" realistische Handlungsoptionen sind, wenn die internationale Gemeinschaft nicht auf der Grundlage eines Truppenstatuts eingeladen, weil nicht willkommen, ist.

Da bleibt zu hoffen, dass Minister de Maizière die deutsche Forderung nach einer Unterzeichnung noch in diesem Jahr wiederholt und bekräftigt. Eine Unterzeichnung erst nach der afghanischen Präsidentenwahl wäre aus organisatorischen Gründen nicht hinnehmbar und aus politischen Gründen inakzeptabel, weil sich die westliche Staatengemeinschaft nicht von Karsai am Nasenring durch die Manege führen lassen darf.

Aus Sicht de Maizières gibt es bisher keinen "Grund, jetzt von unserem Kurs abzuweichen." Wenn es aber zeitgerecht zu einem unterzeichneten Abkommen mit Truppenstatut kommt, das den eingesetzten westlichen Soldaten Immunität zusichert, und die Lage aber so labil bleibt, dann wird der bisherige zukünftige Kurs einer weitestgehenden Unterstützungsmission dahingehend zu ändern sein, dass eine Eigensicherung der Truppen stabil garantiert ist.

Die afghanische Realität wird sich wohl leider nicht deckungsgleich mit den westlichen politischen guten Absichten entwickeln.

(12.12.2013)

 

 

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