Hans-Heinrich Dieter

Krieg in Mali

 

Mehrere Monate kontrollierten die Islamisten zusammen mit aufständischen Tuareg den Norden Malis und auch die an Kulturgütern reiche Stadt Timbuktu. Am 10. Januar begann die französische Armee, gemeinsam mit den Soldaten der malischen Putschregierung Operationen gegen die Extremisten und Terroristen, die sich anschickten, ihre Herrschaft nach Süd-Mali auszudehnen. Den alliierten Streitkräften sind schnelle Erfolge gelungen. Der Vormarsch der Extremisten wurde gestoppt, beim Vordringen in die nordmalische Großstadt Goa, sind die malisch-französischen Truppen kaum auf Rebellen gestoßen und nun verkündet der Präsident Malis sehr fortschrittlich auf Twitter, dass französische und malische Streitkräfte die Wüstenstadt Timbuktu unter Kontrolle haben.

Diese schnellen Anfangserfolge des hauptsächlich französischen Militäreinsatzes haben die internationale Gemeinschaft beeindruckt. Die schnellen Erfolge waren nur möglich, weil Frankreich in Nordafrika gleich mehrere Militärstützpunkte mit für den Afrika-Einsatz ausgerüsteten und ausgebildeten Kampftruppen unterhält. Aber im asymmetrischen Mali-Konflikt stehen Mali, Frankreich, die EU und die internationale Staatengemeinschaft tatsächlich erst am Anfang – Ausgang sehr ungewiss.

Denn die schnellen Anfangserfolge waren auch nur möglich, weil die Terroristen und Rebellen sich Gefechten nicht stellen, sondern in die Weiten und Wüsten Nord-Malis ausweichen, um später, zu gegebener Zeit und unter günstigen Umständen ihre Anschläge zu verüben und Terror zu verbreiten. Der Vorteil des schnellen Anfangserfolges ist, dass sich dadurch Möglichkeiten für Verhandlungen mit dem aufständischen Wüstenvolk der Tuareg ergeben, um sie aus der Allianz mit Al-Kaida herauszulösen. Darüber hinaus werden im weiteren Verlauf des Konfliktes möglicherweise sehr ernste Schwierigkeiten auf Frankreich zukommen, denn es steht zu erwarten, dass es zu einem langwierigen Guerilla-Krieg mit enormen Kosten kommt.

Die schnelle französische Militäraktion mit in Afrika verfügbaren Kräften war sicher erforderlich, denn weder die malische Putschregierung noch die desolaten malischen Streitkräfte wären wohl in der Lage gewesen, den Vormarsch der Terroristen und Rebellen aus eigener Kraft zu stoppen. Trotz gebotener Eile bleibt festzustellen, dass die ehemalige Kolonialmacht Frankreich im Alleingang entschieden hat, die malische Regierung militärisch zu unterstützen. Auch wenn die Lage dringlich und ernst ist, hätte Frankreich seine Partner und Freunde auf der Grundlage eines sicherheitspolitischen Konzeptes rechtzeitig konsultieren müssen, damit sie sinnvoll und abgestimmt über die Unterstützung Frankreichs und eigenes Engagement entscheiden können.

Ein solches sicherheitspolitisches Konzept ist bisher nicht bekannt. Noch weiß man nicht, wer in Mali welche Verantwortung trägt und welche Ziele durch die Intervention wie und bis wann erreicht werden sollen. Es fehlen möglichen Partnern die Grundlagen, um sich sinnvoll und nach ihren politischen und militärischen Möglichkeiten einbringen zu können. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat in Grande-Nation-Attitude im Mali-Konflikt leider eine ganze Reihe sicherheitspolitischer Selbstverständlichkeiten nicht beachtet. Und es ist durchaus keine Kleinigkeit, wenn man durch eine Militäraktion im Alleingang die Planungen der Vereinten Nationen für das nordafrikanische Land durcheinander bringt und auch die EU mit ihren Anstrengungen hinsichtlich einer EU-Ausbildungsmission für die malischen Sicherheitskräfte ohne Konsultation vor veränderte Rahmenbedingungen stellt. Frankreich hätte das politisch auch im Sinne einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sehr viel besser und geschickter handhaben müssen.

Nun geht es nach Aussage des französischen Verteidigungsministers inzwischen darum, mit der Operation SERVAL ganz Nord-Mali zurückzuerobern und so diesen Teil der Sahel-Zone als Rückzugsraum von Dschihadisten und Al Qaida-Gruppierungen unbrauchbar zu machen. Und dann sprechen wir tatsächlich von einem langwierigen, kräftezehrenden Guerilla-Krieg der hohe Kosten verursachen wird. Geld hat Frankreich nicht genug und die Durchhaltefähigkeit der französischen Streitkräfte ist begrenzt. Frankreich muss also – zwangsläufig - unterstützt werden.

Um Art und Ausmaß der Unterstützung wird gerade in Deutschland heftig gestritten. Bisher unterstützt Deutschland Frankreich indirekt durch den Transport von ECOWAS-Truppen mit zwei Transall-Maschinen nach Bamako. Gerade der Bundestagspräsident kann sich öffentlich nicht vorstellen, dass das die deutsche Unterstützung sein soll und auch Teile der Opposition fordern ein stärkeres deutsches Engagement. Dabei sollte doch gerade der Präsident des Deutschen Bundestages wissen, dass das Parlament eine weitergehende Unterstützung noch nicht diskutiert hat. Nun bittet Frankreich um Geld und um Luftbetankungskapazität. Wenn man Geld bereitstellt, dann sollte man genau wissen, was mit dem Geld geschieht. Und die Franzosen wissen sehr genau, dass Deutschland nicht über eine strategische Luftbetankungskapazität verfügt, und wollen uns mit dieser Bitte möglicherweise bloßstellen. Wenn keine negative Absicht dahintersteckt, dann ist die zuständige französische Militärabteilung entweder sehr schlecht informiert oder dumm.

Welche deutsche Unterstützung auch immer erforderlich wird, wenn es um den Einsatz deutscher Soldaten unter kriegsähnlichen Bedingungen geht, dann sollte das deutsche Volk, vertreten durch den deutschen Bundestag, über Sinn, Ziel und Zweck eines solchen Einsatzes nach reiflicher Überlegung entscheiden. Und Deutschland sollte sich dabei nicht durch überbordenden Idealismus oder durch Illusionen leiten lassen wie die rot/grüne Regierung 2001 im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Engagement.

Inzwischen gibt es mehrere Berichte über grausame Racheakte, die Bürger gegen angebliche Kollaborateure der Islamisten verübt haben. Malische Soldaten sollen brutale Racheakte verübt haben, ohne dass die französischen Truppen das verhindern konnten. Menschenrechtler und Reporter sprechen von regelrechten Hinrichtungen und sexuellen Ãœbergriffen. Und die Tuareg-Rebellen sind noch nicht befriedet und verhandlungsbereit. Das ist eine Gemengelage, die an Bürgerkrieg erinnert. Und in Bürgerkriege in der muslimischen und afrikanischen Welt sollten wir uns nicht hineinziehen lassen. Die langfristige Lösung des Mali-Konfliktes muss auch deswegen durch die afrikanischen Staaten – mit politischer, humanitärer, logistischer und nur unabdingbarer militärischer Unterstützung der westlichen Staatengemeinschaft - erbracht werden.

In Äthiopien wird in Kürze eine internationale Geberkonferenz abgehalten werden. Die Europäische Union will sich mit 50 Millionen Euro am Militäreinsatz in Mali beteiligen, das ist schon einmal ein Anfang. Mit dem Geld sollen jedoch keine Waffen gekauft, sondern andere Ausgaben wie die Kosten für Transport und medizinische Hilfe auch der ECOWAS-Truppen bezahlt werden. Bei diesem „Anfang“ wird es nicht bleiben.

(28.01.2013)

 

 

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