Hans-Heinrich Dieter

Krieg gegen Al Qaida   (31.12.2013)

 

Vor 12 Jahren sind die USA in Afghanistan angetreten, um Krieg gegen den Terrorismus und Al Qaida zu führen. Al Qaida-Terroristen und Taliban wurden bekämpft, getötet, liquidiert. Die Tötung Osama bin Ladens 2011 wurde von Präsident Obama öffentlichkeitswirksam aber irreführend als Sieg über die Terrororganisation gefeiert.

Dabei weiß jeder, der sich mit Terrorismus und Al Qaida ein wenig befasst, dass Bin Laden für die islamistischen Terroristen eine wichtige Symbolfigur war, aber eben nur eine Symbolfigur mit sehr eingeschränktem Einfluss auf das operative Geschäft der hauptsächlich und zunehmend gut vernetzten, aber in dezentral organisierten Kommandos agierenden, Al-Qaida-Terroristen. Es ist allgemein bekannt, dass Aiman az-Zawahiri seit geraumer Zeit der ideologische Kopf des Netzwerks ist und als bisheriger Stellvertreter Bin Ladens Führungsfunktionen bereits übernommen hatte. Bin Laden wurde getötet, die gut vernetzte, schlagkräftige Terrororganisation Al Qaida ist sehr lebendig und auch die Taliban sind aktiv.

Einem Geheimdossier zur Folge gehen US-Geheimdienste davon aus, dass Afghanistan nach der Beendigung des Nato-Kampfeinsatzes die politischen und gesellschaftlichen Fortschritte innerhalb weniger Jahre wieder einbüßen wird, weil die Taliban die Macht am Hindukusch zurückgewinnen werden. Nach dem Abzug der Kampftruppen Ende 2014 sollen die afghanische Armee und die afghanische Polizei die Sicherheit Afghanistans eigenständig garantieren. Die afghanischen Sicherheitskräfte gelten aber als schwach und unzuverlässig. Die Verlustrate durch Fahnenflucht und Tod beträgt etwa ein Drittel ihrer gesamten Mannstärke pro Jahr. Und der Bericht prognostiziert, dass das Land sogar binnen kurzer Zeit im Chaos versinken würde, wenn Washington und Kabul das Sicherheits-Abkommen nicht unterzeichnen und folglich keine internationalen Truppen zurückblieben. Das Abkommen ist außerdem eine Voraussetzung der USA für milliardenschwere Hilfszahlungen, die sie und ihre Bündnispartner Afghanistan für die kommenden Jahre in Aussicht gestellt haben, sowie indirekt auch eine wesentliche Grundlage für die Aktivität ziviler Hilfsorganisationen nach 2014.

Krieg, Terrorismus, Armut, Drogenhandel, Kriminalität und Korruption beherrschen weiterhin den Alltag der Menschen in Afghanistan und die Taliban sind zwar nicht an der Macht, aber in vielen Regionen und Distrikten Afghanistans stärker denn je. Ernst zu nehmenden Schätzungen von Hilfsorganisationen zur Folge leben heute schon mehr als 50 Prozent der afghanischen Bevölkerung in Regionen, die von mehr oder weniger Taliban beherrscht werden. Die Lage in Afghanistan verschlechtert sich in mehrfacher Hinsicht. Die Taliban haben Zulauf und radikalisieren sich derzeit auch im Grenzgebiet von Pakistan. Der Krieg gegen den Terrorismus und die Taliban war in Afghanistan bisher nicht erfolgreich.

Das andere große Schlachtfeld im Krieg der USA gegen den Terrorismus war ab 2003 der Irak. Wir erinnern uns an die Worte des damaligen Präsidenten George W Bush im Jahr 2008: "Mission accomplished!" Eine große Lüge! Präsident Obama meinte später, die USA hätten den Irak-Krieg zu einem "vernünftigen Ende" gebracht. Aber der Schönredner Obama wird ja inzwischen auch in Amerika zunehmend nicht mehr so ernst genommen. Denn mit dem Abzug der US-Truppen 2011 aufgrund eines gescheiterten Sicherheitsabkommens haben die USA den Irak vielmehr dem Chaos überlassen. Heute versinkt der Irak in einem Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten. Das Terror-Netzwerk Al Qaida macht sich die eskalierende Gewalt zunutze und steigert ständig seinen Einfluss. Die USA haben im Irak den Krieg gegen den Terrorismus verloren.

2013 haben mehr als 8000 Iraker, darunter 952 Soldaten und Polizisten, ihr Leben verloren. Das Jahr 2013 war damit das blutigste seit 2008. Al Qaida hat keinen geringen Anteil an dieser Bilanz. Nun wollen die USA Waffen an den Irak liefern, um dem wachsenden Einfluss der Terroristen Einhalt zu gebieten und ihre Niederlage zu kompensieren. Mit 75 Hellfire-Raketen sollen mutmaßliche Terroristen-Camps bekämpft werden. Ab 2015 sollen die ersten Kampfflugzeuge vom Typ F-16 verfügbar sein. Zusätzlich stellen die USA zehn ScanEagle-Kampfdrohnen zur Verfügung. In der Zwischenzeit operiert die mit Al Qaida verbündete Gruppe "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" von Stützpunkten in Syrien aus im Norden und Westen des Irak mit Erfolg. Da kann man nur hoffen, dass die Drohnen nicht zu viele sunnitische Zivilisten treffen. Al Qaida ist ein Machtfaktor im Irak.

Die Lage im Irak hatte natürlich Einfluss auf die Lageentwicklung in Syrien. Mit dem US-Rückzug aus dem Irak hat das Al Qaida-Terrornetzwerk seine Lager im Irak wieder aktiviert und von dort aus so erfolgreich in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen, dass sie teilweise regionale Vormachtstellungen in Syrien erkämpft haben und von dort aus mit Selbstmordattentätern auch irakische Bevölkerung terrorisieren.

Die Terror-Organisation nutzte das Machtvakuum nach Abzug der US-Truppen, um ihre Lager wieder einzurichten. Von dort stießen sie im syrischen Bürgerkrieg in den Nachbarstaat vor; und von syrischen Stützpunkten aus fallen sie nun mit Selbstmordattentätern und in bewaffneten Konvois wiederum in den Irak ein. Die Kämpfer der radikalislamistischen und mit Al Qaida verbündeten Gruppe "Islamischer Staat in Irak und in Syrien" (Isis) sind inzwischen die wichtigste Milizgruppe an der Nordgrenze Syriens. Ein Ableger von Isis ist die erfolgreiche Nusra-Front.

Die Isis-Dschihadisten sind keine Syrer und bezeichnen die Rebellen, die sich der "Freien Syrischen Armee" zuordnen, als Kriminelle. Sie nennen jeden, der nicht ihre Ansichten teilt, einen "Ungläubigen", den es zu bekämpfen gilt. Sie wollen einen Gottesstaat auf der Grundlage der Scharia errichten. Mit öffentlichen Hinrichtungen versuchen sie die Bevölkerung einzuschüchtern. Und diese Terroristen, Islamisten, Dschihadisten sind nur eine einflussreiche und erfolgreiche von vielen solcher Gruppierungen im syrischen Bürgerkrieg. Da versteht man, dass die USA mit der westlichen Welt große Probleme damit hat, die syrische Opposition zu unterstützen und gleichzeitig den Kampf gegen den Terrorismus führen zu wollen. Wer Krieg gegen den sunnitischen Terrorismus in Syrien führen will, müsste den Alawiten Assad und die mit ihm verbündeten Schiiten massiv unterstützen. Mit einer solchen - nicht mehr möglichen - Unterstützung würde aber auch die terroristische Hisbollah gefördert. Dieses Dilemma ist nicht zu lösen und der Krieg gegen den Terrorismus in Syrien kann durch die nicht-muslimische westliche Welt weder geführt noch gewonnen werden. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass einem erfolgreich abgeschlagenen Kopf der Hydra Al Qaida zwei Köpfe nachwachsen.

Präsident Karsai sollte sich diese Entwicklung des Terrorismus im Irak und in Syrien vor Augen führen und im Hinblick auf das Wohl der afghanischen Bevölkerung umgehend das Sicherheitsabkommen mit den USA unterzeichnen. Alleine wird Afghanistan mit den Taliban und Al Qaida nicht fertig.

(31.12.2013)

 

 

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